Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2011-2012)/Teil I/Vorlesung 29/latex

\setcounter{section}{29}






\zwischenueberschrift{Homogene lineare gewöhnliche Differentialgleichungen}




\inputdefinition
{}
{

Eine \definitionsverweis {Differentialgleichung}{}{} der Form
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{y' }
{ =} { g(t)y }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit einer \definitionsverweis {Funktion}{}{} \zusatzklammer {$I$ reelles Intervall} {} {} \maabbeledisp {g} {I} {\R } {t} {g(t) } {,} heißt \definitionswort {gewöhnliche homogene lineare eindimensionale Differentialgleichung}{.}

} Wir sprechen kurz auch von \stichwort {linearen Differentialgleichungen} {.} Linear bedeutet hierbei, dass im \zusatzklammer {auf \mathlk{I \times \R}{} definierten} {} {} Vektorfeld
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f(t,y) }
{ = }{g(t) y }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} der Ort $y$ linear eingeht, d.h. zu jedem fixierten Zeitpunkt $t_0$ ist
\mathl{f(t_0,y)}{} eine lineare Funktion in $y$.

Die folgende Aussage zeigt, dass solche Differentialgleichungen durch Integration gelöst werden können. Die Nullfunktion ist natürlich immer eine Lösung, interessant sind daher die Lösungen, die noch zusätzliche Eigenschaften \zusatzklammer {typischerweise eine Anfangsbedingung} {} {} erfüllen.





\inputfaktbeweis
{Lineare gewöhnliche Differentialgleichung/Homogen/1/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{y' }
{ =} { g(t)y }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {homogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung}{}{}}
\faktvoraussetzung {mit einer \definitionsverweis {stetigen Funktion}{}{} \maabbeledisp {g} {I} {\R } {t} {g(t) } {,} die auf einem \definitionsverweis {Intervall}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{I }
{ \subseteq }{\R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} definiert sei. Es sei $G$ eine \definitionsverweis {Stammfunktion}{}{} zu $g$ auf $I$.}
\faktfolgerung {Dann sind die \definitionsverweis {Lösungen}{}{} der Differentialgleichung gleich
\mathdisp {y(t) = c \cdot \exp (G(t)) \text{ mit } c \in \R} { . }
}
\faktzusatz {Das \definitionsverweis {Anfangswertproblem}{}{}
\mathdisp {y' =g(t)y \text{ und } y(t_0)=y_0} { }
\zusatzklammer {mit $t_0 \in I,\, y_0 \in \R$} {} {} besitzt eine eindeutige Lösung.}
\faktzusatz {}

}
{

\teilbeweis {}{}{}
{Zunächst gibt es eine Stammfunktion $G$ von $g$ aufgrund von Korollar 24.5, sodass die angegebenen Funktionen existieren.}
{} \teilbeweis {}{}{}
{Durch \definitionsverweis {Ableiten}{}{} bestätigt man direkt, dass diese Funktionen wirklich Lösungen sind.}
{} \teilbeweis {}{}{}
{Es sei $y$ eine beliebige Lösungsfunktion. Wir betrachten den Quotienten
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{{ \left( \frac{y(t)}{ \exp (G(t)) } \right) }' }
{ =} { \frac{y'(t) \exp \left( G(t) \right) - y(t) \cdot { \left( \exp (G(t)) \cdot g(t) \right) } }{ \exp^{ 2 } (G(t)) } }
{ =} { \frac{y(t) g(t) \exp \left( G(t) \right) - y(t) \cdot { \left( \exp (G(t)) \cdot g(t) \right) } }{ \exp^{ 2 } (G(t)) } }
{ =} { 0 }
{ } { }
} {} {}{,} sodass aufgrund von Lemma 24.6 der Quotient
\mathl{\frac{y(t)}{ \exp (G(t)) }}{} konstant sein muss, woraus die Behauptung folgt.}
{} \teilbeweis {}{}{}
{Die Bedingung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ y(t_0) }
{ = }{ y_0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} legt den Skalar
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ = }{ \frac{y_0}{ \exp (G(t_0)) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eindeutig fest.}
{}

}





\inputbeispiel{}
{

Die \definitionsverweis {homogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{y' }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} besitzt genau die \definitionsverweis {konstanten}{}{} \definitionsverweis {Lösungen}{}{}
\mathdisp {y(t)= c \text{ mit } c \in \R} { . }
Dies folgt direkt aus Lemma 24.6, aber auch aus Satz 29.2.


}




\inputbeispiel{}
{

Die \definitionsverweis {homogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{y' }
{ =} {y }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} besitzt genau die \definitionsverweis {Lösungen}{}{}
\mathdisp {y(t)= c e^{t} \text{ mit } c \in \R} { . }


}




\inputbeispiel{}
{

Sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ \in }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Die \definitionsverweis {homogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{y' }
{ =} {cy }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} besitzt nach Satz 29.2 die \definitionsverweis {Lösungen}{}{}
\mathdisp {y(t)= a e^{ct}\text{ mit } a \in \R} { . }


}

In den bisherigen Beispielen war die Funktion
\mathl{g(t)}{} konstant, und es war besonders einfach, die Lösungen anzugeben. Man spricht von einer \stichwort {homogenen linearen gewöhnlichen Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten} {.} Diese sind insbesondere \definitionsverweis {zeitunabhängig}{}{.} Die folgenden Beispiele besitzen keine konstanten Koeffizienten, sondern variable Koeffizienten. Diese Differentialgleichungen sind sowohl orts- als auch zeitabhängig.




\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten die \definitionsverweis {homogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung}{}{} \zusatzklammer {
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{t }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}} {} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ y' }
{ =} { { \frac{ y }{ t } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Eine \definitionsverweis {Stammfunktion}{}{} zu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ g(t) }
{ = }{ { \frac{ 1 }{ t } } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist der \definitionsverweis {natürliche Logarithmus}{}{.} Die Lösungen dieser Differentialgleichung sind daher nach Satz 29.2 gleich
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ c \cdot \exp ( \ln t ) }
{ =} { ct }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ \in }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}


}




\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten die \definitionsverweis {homogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung}{}{} \zusatzklammer {
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{t }
{ > }{1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}} {} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ y' }
{ =} { { \frac{ y }{ t^2-1 } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Um die Lösungen zu bestimmen brauchen wir eine \definitionsverweis {Stammfunktion}{}{} zu
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ g(t) }
{ =} {\frac{1}{t^2-1} }
{ =} {\frac{1}{(t-1)(t+1)} }
{ =} { \frac{1/2}{t-1} - \frac{1/2}{t+1} }
{ } { }
} {}{}{.} Aus der \definitionsverweis {Partialbruchzerlegung}{}{} gelangt man zur Stammfunktion
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{G(t) }
{ =} { \frac{1}{2} \ln (t-1) - \frac{1}{2} \ln (t+1) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Daher sind die \definitionsverweis {Lösungen}{}{} nach Satz 29.2 gleich
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ c \cdot \exp { \left( { \frac{ 1 }{ 2 } } \ln (t-1) -{ \frac{ 1 }{ 2 } } \ln (t+1) \right) } }
{ =} { c { \frac{ \exp \left( { \frac{ 1 }{ 2 } } \ln (t-1) \right) }{ \exp \left( { \frac{ 1 }{ 2 } } \ln (t+1) \right) } } }
{ =} { c { \frac{ \sqrt{ \exp \left( \ln (t-1) \right) } }{ \sqrt{ \exp \left( \ln (t+1) \right) } } } }
{ =} { c \cdot \frac{\sqrt{t-1} }{\sqrt{t+1} } }
{ } { }
} {} {}{.}


}




\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten die \definitionsverweis {homogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{y' }
{ =} { { \frac{ y }{ t^2+1 } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Um die Lösungen zu bestimmen brauchen wir eine \definitionsverweis {Stammfunktion}{}{} zu
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ g(t) }
{ =} { { \frac{ 1 }{ t^2+1 } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} eine solche ist \zusatzklammer {nach Satz 16.20 (Mathematik für Anwender (Osnabrück 2023-2024))  (3)} {} {} durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{G(t) }
{ =} { \arctan t }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gegeben. Daher sind die \definitionsverweis {Lösungen}{}{} gleich
\mathdisp {c \cdot \exp ( \arctan t )} { . }


}






\zwischenueberschrift{Inhomogene lineare gewöhnliche Differentialgleichungen}

Es gibt homogene lineare Gleichungsysteme, bei denen es darum geht, den Kern einer linearen Abbildung zu bestimmen, und es gibt inhomogene lineare Gleichungssysteme, wo man das Urbild zu einem Vektor \zusatzklammer {Störvektor} {} {} unter einer linearen Abbildung bestimmen soll. Auch zu den linearen Differentialgleichungen gibt es eine inhomogene Variante, bei der eine \stichwort {Störfunktion} {} die Sache verkompliziert. Wie bei linearen Gleichungssystemen ist es auch hier wichtig, zuerst die zugehörige homogene Gleichung zu lösen.




\inputdefinition
{}
{

Eine \definitionsverweis {Differentialgleichung}{}{} der Form
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{y' }
{ =} { g(t)y +h(t) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit zwei auf einem \definitionsverweis {Intervall}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{I }
{ \subseteq }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} definierten \definitionsverweis {Funktionen}{}{}
\mathl{t \mapsto g(t)}{} und
\mathl{t \mapsto h(t)}{} heißt \definitionswort {inhomogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung}{.}

}

Die folgende Aussage zeigt, dass solche Differentialgleichungen durch Integration gelöst werden können.




\inputfaktbeweis
{Lineare gewöhnliche Differentialgleichung/Inhomogen/1/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ y' }
{ =} { g(t) y +h(t) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {inhomogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung}{}{}}
\faktvoraussetzung {mit \definitionsverweis {stetigen Funktionen}{}{} \maabb {g,h} {I} {\R } {.} Es sei $G$ eine \definitionsverweis {Stammfunktion}{}{} von $g$ und es sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ a(t) }
{ =} { \exp (G(t)) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {Lösung}{}{} der zugehörigen \definitionsverweis {homogenen linearen Differentialgleichung}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann sind die Lösungen \zusatzklammer {auf $I$} {} {} der inhomogenen Differentialgleichung genau die Funktionen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{y(t) }
{ =} { c(t)a(t) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei
\mathl{c(t)}{} eine Stammfunktion zu
\mathl{\frac{h(t)}{a(t)}}{} ist.}
\faktzusatz {Das \definitionsverweis {Anfangswertproblem}{}{}
\mathdisp {y' =g(t)y + h(t) \text{ und } y(t_0)=y_0} { }
\zusatzklammer {mit $t_0 \in I,\, y_0 \in \R$} {} {} besitzt eine eindeutige Lösung.}
\faktzusatz {}

}
{

Da
\mathl{a(t)}{} keine Nullstelle besitzt, kann man jede \zusatzklammer {differenzierbare} {} {} Funktion \maabbdisp {y} {I} {\R } {} als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ y(t) }
{ =} {c(t)a(t) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit einer unbekannten \zusatzklammer {differenzierbaren} {} {} Funktion
\mathl{c(t)}{} ansetzen. Dabei ist \zusatzklammer {für eine differenzierbare Funktion $y$} {} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ y'(t) }
{ =} {c'(t)a(t) +c(t)a'(t) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Daher kann man die Lösungsbedingung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ y'(t) }
{ =} {g(t)y(t)+h(t) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ c'(t)a(t) +c(t)a'(t) }
{ =} { g(t)c(t)a(t) +h(t) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} schreiben, und diese gilt wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a'(t) }
{ = }{g(t)a(t) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} genau dann, wenn
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ c'(t) a(t) }
{ =} {h(t) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} bzw.
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ c'(t) }
{ =} {\frac{h(t)}{a(t)} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt. D.h.
\mathl{c(t)}{} muss eine Stammfunktion zu
\mathl{\frac{h(t)}{a(t)}}{} sein. \teilbeweis {}{}{}
{Es sei nun noch die \definitionsverweis {Anfangsbedingung}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ y(t_0) }
{ = }{y_0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} vorgegeben. Mit
\mathl{c(t)}{} ist auch
\mathl{c(t)+c_0}{} für jedes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c_0 }
{ \in }{\R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine Stammfunktion zu
\mathl{\frac{h(t)}{a(t)}}{.} Die Bedingung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ y_0 }
{ =} { { \left( c(t_0)+c_0 \right) } a(t_0) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} legt dann $c_0$ eindeutig fest.}
{}

}


Die in diesem Satz verwendete Methode heißt \stichwort {Variation der Konstanten} {.} Man ersetzt dabei die Lösungsfunktionen der zugehörigen homogenen Gleichung, also
\mathl{ca(t)}{} mit konstantem
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ \in }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} durch eine variable Funktion
\mathl{c(t)}{.}




\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten die \definitionsverweis {inhomogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{y' }
{ =} {ay +b }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit Konstanten
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a,b }
{ \in }{\R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Die \definitionsverweis {Funktion}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ z(t) }
{ =} { e^{at} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist eine \definitionsverweis {Lösung}{}{} der zugehörigen homogenen Differentialgleichung. Nach Satz 29.10 müssen wir daher eine \definitionsverweis {Stammfunktion}{}{} zu
\mathl{b e^{-at}}{} bestimmen. Diese sind durch
\mathl{- { \frac{ b }{ a } } e^{-at} +c}{} gegeben. Also haben die Lösungen der inhomogenen Differentialgleichung die Form
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left( - { \frac{ b }{ a } } e^{-at} +c \right) } \cdot e^{at} }
{ =} { c \cdot e^{at} - { \frac{ b }{ a } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Cup_of_coffee_5084862159.jpg} }
\end{center}
\bildtext {Lieber den Kaffee trinken, bevor er gemäß einer inhomogenen linearen gewöhnlichen Differentialgleichung die Außentemperatur angenommen hat.} }

\bildlizenz { Cup of coffee 5084862159.jpg } {Jason Walsh} {Lobo} {Commons} {CC-by-2.0} {}

Eine solche Differentialgleichung tritt bei Abkühlungsprozessen auf. Wenn ein \zusatzklammer {heißer} {} {} Körper \zusatzklammer {beispielsweise eine Tasse Kaffee} {} {} sich in einem umgebenden Medium \zusatzklammer {beispielsweise in einem Straßencafé} {} {} mit konstanter Außentemperatur $A$ befindet, so wird die Temperaturentwicklung
\mathl{y(t)}{} des Körpers nach dem Newtonschen Abkühlungsgesetz durch die Differentialgleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ y'(t) }
{ =} { - d (y(t) - A ) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} beschrieben. Dieses Gesetz besagt, dass die Abkühlung proportional zur Differenz zwischen Außentemperatur und Körpertemperatur ist \zusatzklammer {der Proportionalitätsfaktor
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{d }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} hängt von der Wärmeleitfähigkeit des Körpers ab} {} {.} Die Lösungen sind
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ y(t) }
{ =} { c e^{-dt} + A }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Dabei ist das $c$ durch eine Anfangsbedingung bestimmt, also typischerweise durch die Anfangs\-temperatur des Körpers zum Zeitpunkt $0$. Für
\mathl{t \rightarrow +\infty}{} nimmt der Körper die Außentemperatur $A$ an.


}




\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten die \definitionsverweis {inhomogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{y' }
{ =} { y + t^2 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit der Anfangsbedingung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{y(3) }
{ = }{ 4 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Die \definitionsverweis {Exponentialfunktion}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a(t) }
{ = }{ e^t }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist eine \definitionsverweis {Lösung}{}{} der zugehörigen homogenen Differentialgleichung. Nach Satz 29.10 müssen wir daher eine \definitionsverweis {Stammfunktion}{}{} zu
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ t^2 }{ e^t } } }
{ =} { t^2 \cdot e^{-t} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} finden. Mit zweifacher partieller Integration findet man die Stammfunktion
\mathdisp {{ \left( -t^2-2t-2 \right) } e^{-t}} { . }
Also haben die Lösungen der inhomogenen Differentialgleichung die Form
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ e^t { \left( { \left( -t^2-2t-2 \right) } e^{-t} +c \right) } }
{ =} {-t^2-2t-2 +c e^t }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wenn wir noch die Anfangsbedingung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{y(3) }
{ = }{4 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} berücksichtigen, so ergibt sich die Bedingung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ -9-6-2+c e^3 }
{ =} {-17 +c e^3 }
{ =} { 4 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} also
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ = }{ { \frac{ 21 }{ e^3 } } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Die Lösung des Anfangswertproblems ist also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{y(t) }
{ =} { -t^2-2t-2 + { \frac{ 21 }{ e^3 } } e^t }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}


}




\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{t }
{ > }{1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die \definitionsverweis {inhomogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{y' }
{ =} { { \frac{ y }{ t^2-1 } } + t-1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit der Anfangsbedingung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{y(2) }
{ = }{5 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Hier ist also
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ h(t) }
{ = }{ t-1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Störfunktion und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{y' }
{ =} { { \frac{ y }{ t^2-1 } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist die zugehörige \definitionsverweis {homogene lineare Differentialgleichung}{}{.} Eine Stammfunktion von
\mathl{{ \frac{ 1 }{ t^2-1 } }}{} ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ G(t) }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 } } \ln ( t-1 ) - { \frac{ 1 }{ 2 } } \ln ( t+1) }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 } } \ln { \left( { \frac{ t-1 }{ t+1 } } \right) } }
{ =} { \ln { \left( { \frac{ \sqrt{t-1} }{ \sqrt{t+1} } } \right) } }
{ } { }
} {}{}{.} Daher ist nach Satz 29.2 \zusatzklammer {bzw. nach Beispiel 29.7} {} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ a(t) }
{ =} { { \frac{ \sqrt{t-1} }{ \sqrt{t+1} } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} eine Lösung zur homogenen Differentialgleichung. Zur Lösung der inhomogenen Differentialgleichung brauchen wir eine Stammfunktion zu
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ h(t) }{ a(t) } } }
{ =} { { \frac{ \sqrt{t+1} }{ \sqrt{t-1} } } \cdot (t-1) }
{ =} { \sqrt{t+1} \cdot \sqrt{t-1} }
{ =} { \sqrt{t^2-1} }
{ } { }
} {}{}{.} Eine Stammfunktion dazu ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ c(t) }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 } } { \left( t \sqrt{t^2-1} - \, \operatorname{arcosh} \, t \, \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Die Lösungen der inhomogenen Differentialgleichung haben also die Gestalt
\mathdisp {\sqrt{ { \frac{ t-1 }{ t+1 } } } \cdot { \left( { \frac{ 1 }{ 2 } } { \left( t \sqrt{t^2-1} - \, \operatorname{arcosh} \, t \, \right) } +c \right) }} { }
Die Anfangsbedingung führt zu
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{5 }
{ =} { { \frac{ 1 }{ \sqrt{3} } } \cdot { \left( { \frac{ 1 }{ 2 } } { \left( 2 \sqrt{3} - \, \operatorname{arcosh} \, 2 \, \right) } + c_0 \right) } }
{ =} { 1- { \frac{ 1 }{ 2 \sqrt{3} } } \, \operatorname{arcosh} \, 2 \, + c_0 { \frac{ 1 }{ \sqrt{3} } } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Also ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{c_0 }
{ =} { 4 \sqrt{3} + { \frac{ 1 }{ 2 } } \, \operatorname{arcosh} \, 2 \, }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und die Lösung des Anfangswertproblems ist
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{ y(t) }
{ =} { \sqrt{ { \frac{ t-1 }{ t+1 } } } \cdot { \left( { \frac{ 1 }{ 2 } } { \left( t \sqrt{t^2-1} - \, \operatorname{arcosh} \, t \, \right) } + 4 \sqrt{3} + { \frac{ 1 }{ 2 } } \, \operatorname{arcosh} \, 2 \, \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}


}

Das folgende Beispiel zeigt, dass man schon bei recht einfach aussehenden linearen Differentialgleichungen schnell an die Integrationsgrenzen kommt.


\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten die \definitionsverweis {inhomogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{y' }
{ =} {ty+1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Die zugehörige homogene Differentialgleichung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{y' }
{ = }{ty }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} hat die Lösung
\mathdisp {e^{ { \frac{ 1 }{ 2 } } t^2}} { , }
somit sind nach Satz 29.10 die Lösungen der inhomogenen Gleichung gleich
\mathl{c(t) e^{ { \frac{ 1 }{ 2 } } t^2}}{,} wobei $c(t)$ eine Stammfunktion von
\mathl{e^{ - { \frac{ 1 }{ 2 } } t^2}}{} ist. Diese Funktion ist aber nicht elementar integrierbar \zusatzklammer {diese Funktion kommt auch beim sogenannten \definitionsverweis {Fehlerintegral}{}{} vor} {} {.}


}



<< | Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2011-2012)/Teil I | >>

PDF-Version dieser Vorlesung

Arbeitsblatt zur Vorlesung (PDF) (PDF englisch)