Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2011-2012)/Teil I/Vorlesung 4



Injektive und surjektive Abbildungen

Es seien und Mengen und es sei

eine Abbildung. Dann heißt

  • injektiv, wenn für je zwei verschiedene Elemente
auch und verschieden sind.
  • surjektiv, wenn es für jedes mindestens ein Element mit
    gibt.
  • bijektiv, wenn sowohl injektiv als auch surjektiv ist.

Diese Begriffe sind fundamental! Die Frage, ob eine Abbildung diese Eigenschaften besitzt, kann man anhand der Gleichung

(in den beiden Variablen und ) erläutern. Die Surjektivität bedeutet, dass es zu jedem mindestens eine Lösung

für diese Gleichung gibt, die Injektivität bedeutet, dass es zu jedem maximal eine Lösung für diese Gleichung gibt, und die Bijektivität bedeutet, dass es zu jedem genau eine Lösung für diese Gleichung gibt. Die Surjektivität entspricht also der Existenz von Lösungen, die Injektivität der Eindeutigkeit von Lösungen. Beide Fragestellungen durchziehen die Mathematik und können selbst wiederum häufig als die Surjektivität oder die Injektivität einer geeigneten Abbildung interpretiert werden.

Beim Nachweis der Injektivität einer Abbildung geht man häufig so vor, dass man zu zwei gegebenen Elementen und aus der Voraussetzung erschließt, dass ist. Dies ist oft einfacher zu zeigen, als aus auf zu schließen.


Die Abbildung

ist weder injektiv noch surjektiv. Sie ist nicht injektiv, da die verschiedenen Zahlen und beide auf abgebildet werden. Sie ist nicht surjektiv, da nur nichtnegative Elemente erreicht werden (eine negative Zahl hat keine reelle Quadratwurzel). Die Abbildung

ist injektiv, aber nicht surjektiv. Die Injektivität folgt beispielsweise so: Wenn ist, so ist eine Zahl größer, sagen wir

Doch dann ist auch und insbesondere . Die Abbildung

ist nicht injektiv, aber surjektiv, da jede nichtnegative reelle Zahl eine Quadratwurzel besitzt. Die Abbildung

ist injektiv und surjektiv.



Es sei eine bijektive Abbildung. Dann heißt die Abbildung

die jedes Element auf das eindeutig bestimmte Element mit abbildet, die Umkehrabbildung zu .


Es seien und Mengen und

und

Abbildungen. Dann heißt die Abbildung

die Hintereinanderschaltung der Abbildungen und .

Es gilt also

wobei die linke Seite durch die rechte Seite definiert wird. Wenn die beiden Abbildungen durch funktionale Ausdrücke gegeben sind, so wird die Hintereinanderschaltung dadurch realisiert, dass man den ersten Ausdruck anstelle der Variablen in den zweiten Ausdruck einsetzt (und nach Möglichkeit vereinfacht).



Es seien und Mengen und es seien

und

Abbildungen.

Dann ist

Beweis

Siehe Aufgabe 4.6.



Seien und endliche Mengen mit Elementen. Dann sind für eine Abbildung

die Begriffe injektiv, surjektiv und bijektiv äquivalent.



Polynome

Es sei ein Körper. Ein Ausdruck der Form

mit

heißt Polynom in einer Variablen über .

Dabei heißen die Zahlen die Koeffizienten des Polynoms. Zwei Polynome sind genau dann gleich, wenn sie in allen ihren Koeffizienten übereinstimmen. Die Polynome mit für alle heißen konstante Polynome, man schreibt sie einfach als . Beim Nullpolynom sind überhaupt alle Koeffizienten gleich . Mit dem Summenzeichen kann man ein Polynom kurz als schreiben.


Der Grad eines von verschiedenen Polynoms

mit ist .

Das Nullpolynom bekommt keinen Grad. Der Koeffizient , der zum Grad des Polynoms gehört, heißt Leitkoeffizient des Polynoms. Der Ausdruck heißt Leitterm des Polynoms.

Die Gesamtheit aller Polynome über einem Körper heißt Polynomring über , er wird mit bezeichnet. Dabei nennt man die Variable des Polynomrings.

Zwei Polynome

werden komponentenweise miteinander addiert, d.h. die Koeffizienten der Summe sind einfach die Summe der Koeffizienten der beiden Polynome. Bei sind die „fehlenden“ Koeffizienten von als zu interpretieren. Diese Addition ist offenbar assoziativ und kommutativ, das Nullpolynom ist das neutrale Element und das negative Polynom erhält man, indem man jeden Koeffizienten von negiert.

Zwei Polynome lassen sich auch miteinander multiplizieren, wobei man

setzt und diese Multiplikationsregel „distributiv fortsetzt“, d.h. man multipliziert „alles mit allem“ und muss dann aufaddieren. Die Multiplikation ist also explizit durch folgende Regel gegeben:

Für den Grad gelten die beiden folgenden Regeln

    Der Graph einer Polynomfunktion von nach vom Grad .

    In ein Polynom kann man ein Element einsetzen, indem man die Variable an jeder Stelle durch ersetzt. Dies führt zu einer Abbildung

    die die durch das Polynom definierte Polynomfunktion heißt.

    Wenn und Polynome sind, so kann man die Hintereinanderschaltung einfach beschreiben: man muss in überall die Variable durch ersetzen (und alles ausmultiplizieren und aufaddieren). Das Ergebnis ist wieder ein Polynom. Man beachte, dass es dabei auf die Reihenfolge ankommt.



    Division mit Rest



    Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Es seien Polynome mit .

    Dann gibt es eindeutig bestimmte Polynome mit


    Die Berechnung der Polynome und heißt Polynomdivision. Wir geben dazu ein Beispiel über den komplexen Zahlen.


    Wir führen die Polynomdivision

    aus. Das Inverse zu ist und daher ist

    Daher beginnt mit und es ist

    Dies muss man nun von abziehen und erhält

    Auf dieses Polynom (nennen wir es ) wird das gleiche Verfahren angewendet. Man berechnet

    Daher ist der konstante Term von gleich und es ergibt sich

    Dies ziehen wir von ab und erhalten

    Dies ist der Rest , die vollständige Division mit Rest ist also




    Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Es sei ein Polynom und .

    Dann ist genau dann eine Nullstelle von , wenn ein Vielfaches des linearen Polynoms[1] ist.

    Wenn ein Vielfaches von ist, so kann man

    mit einem weiteren Polynom schreiben. Einsetzen ergibt

    Im Allgemeinen gibt es aufgrund der Division mit Rest eine Darstellung

    wobei oder aber den Grad besitzt, also so oder so eine Konstante ist. Einsetzen ergibt

    Wenn also ist, so muss der Rest sein, und das bedeutet, dass ist.



    Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Es sei ein Polynom () vom Grad .

    Dann besitzt maximal Nullstellen.

    Wir beweisen die Aussage durch Induktion über . Für ist die Aussage offensichtlich richtig. Es sei also und die Aussage sei für kleinere Grade bereits bewiesen. Es sei eine Nullstelle von (falls keine Nullstelle besitzt, sind wir direkt fertig). Dann ist nach Lemma 4.11 und hat den Grad , sodass wir auf die Induktionsvoraussetzung anwenden können. Das Polynom hat also maximal Nullstellen. Für gilt . Dies kann nach Lemma 2.4  (5) nur dann sein, wenn einer der Faktoren ist, sodass eine Nullstelle von gleich ist oder aber eine Nullstelle von ist. Es gibt also maximal Nullstellen von .



    Es sei ein Körper und sei der Polynomring über .

    Dann besitzt jedes , , eine Produktzerlegung

    mit und einem nullstellenfreien Polynom .

    Dabei sind die auftretenden verschiedenen Zahlen und die zugehörigen Exponenten (bis auf die Reihenfolge) eindeutig bestimmt.

    Beweis

    Siehe Aufgabe 4.15.

    Es gilt allgemeiner, dass die Zerlegung eines Polynoms in irreduzible Faktoren im Wesentlichen eindeutig ist.



    Der Fundamentalsatz der Algebra

    In der letzten Vorlesung haben wir gesehen, dass jede komplexe Zahl eine Quadratwurzel besitzt. Daraus folgt direkt, dass jedes Polynom vom Grad über den komplexen Zahlen eine Nullstelle besitzt. Allgemeiner gilt der folgende Fundamentalsatz der Algebra, den wir hier ohne Beweis erwähnen.


    Jedes nichtkonstante Polynom über den komplexen Zahlen

    besitzt eine Nullstelle.

    Aus dem Fundamentalsatz der Algebra folgt, dass jedes von verschiedene Polynom in Linearfaktoren zerfällt, d.h. man kann

    mit eindeutig bestimmten komplexen Zahlen schreiben (wobei Wiederholungen erlaubt sind).



    Rationale Funktionen
    Man kann auch Brüche von Polynomen als Funktionen auffassen, die außerhalb der Nullstellen des Nenners definiert sind. Das Beispiel zeigt den Graph der rationalen Funktion .



    Zu Polynomen , , heißt die Funktion

    wobei das Komplement der Nullstellen von ist, eine rationale Funktion.



    Fußnoten
    1. heißt dann ein Linearfaktor des Polynoms .



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