Kurs:Riemannsche Flächen (Osnabrück 2022)/Vorlesung 4/latex

\setcounter{section}{4}






\zwischenueberschrift{Der Tangentialraum}

Holomorphe Funktionen auf einer offenen Menge von ${\mathbb C}$ sind komplex-differenzierbar. Wie \anfuehrung{differenziert}{} man eine holomorphe Funktion \maabb {f} {X} { {\mathbb C} } {} auf einer riemannschen Fläche? Nach Lemma 3.2 ist für jede Karte \maabb {\alpha} {U} {V } {} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} offen die Funktion
\mathl{f \circ \alpha^{-1}}{} holomorph auf $V$ und somit ist für einen Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Ableitung
\mathl{{ \left( f \circ \alpha^{-1} \right) }' ( \alpha(P))}{} eine wohldefinierte komplexe Zahl. Diese hängt aber wesentlich von der gewählten Karte ab. Um ein wohlbestimmtes Differenzierbarkeitskonzept für komplexe Mannigfaltigkeiten zu entwickeln, muss man einen anderen Weg gehen. Wir rekapitulieren ohne Beweise die Konstruktion des reellen Tangentialraumes für eine reell-differenzierbare Mannigfaltigkeit mit der Hilfe von tangentialen Kurven und führen dann für eine komplexe Mannigfaltigkeit die entsprechende Konstruktion mit holomorphen Kurven durch, die den komplexen Tangentialraum ergibt, der auf dem zugrunde liegenden reellen Tangentialraum einfach eine zusätzliche komplexe Struktur ergibt.






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Tangentialvektor.svg} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Tangentialvektor.svg } {} {TN} {de Wikipedia} {PD} {}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $M$ eine \definitionsverweis {differenzierbare Mannigfaltigkeit}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt. Es seien \maabbdisp {\gamma_1} {I_1} {M } {} und \maabbdisp {\gamma_2} {I_2} {M } {} zwei auf \definitionsverweis {offenen Intervallen}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0 }
{ \in }{I_1,I_2 }
{ \subseteq }{\R }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} definierte \definitionsverweis {differenzierbare Kurven}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \gamma_1(0) }
{ = }{P }
{ = }{\gamma_2(0) }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dann heißen \mathkor {} {\gamma_1} {und} {\gamma_2} {} \definitionswort {tangential äquivalent}{} in $P$, wenn es eine offene Umgebung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und eine \definitionsverweis {Karte}{}{} \maabbdisp {\alpha} {U} {V } {} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{V }
{ \subseteq }{\R^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart gibt, dass
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left( \alpha \circ { \left( \gamma_1 {{|}}_{\gamma_1^{-1} (U)} \right) } \right) }'(0) }
{ =} { { \left( \alpha \circ { \left( \gamma_2 {{|}}_{\gamma_2^{-1} (U)} \right) } \right) }'(0) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt.

}

Wir brauchen einige einfache Lemmata, um nachzuweisen, dass es sich hierbei um einen sinnvollen Begriff handelt.


\inputfakt{Differenzierbare Mannigfaltigkeit/Differenzierbare Kurve/Tangential äquivalent/Beliebige offene Umgebung/Fakt}{Lemma}{} {

\faktsituation {Es sei $M$ eine \definitionsverweis {differenzierbare Mannigfaltigkeit}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt. Es seien \maabbdisp {\gamma_1} {I_1} {M } {} und \maabbdisp {\gamma_2} {I_2} {M } {} zwei auf \definitionsverweis {offenen Intervallen}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0 }
{ \in }{I_1,I_2 }
{ \subseteq }{\R }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} definierte \definitionsverweis {differenzierbare Kurven}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \gamma_1(0) }
{ = }{P }
{ = }{\gamma_2(0) }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann sind \mathkor {} {\gamma_1} {und} {\gamma_2} {} genau dann \definitionsverweis {tangential äquivalent}{}{} in $P$, wenn für jede \definitionsverweis {Karte}{}{} \maabbdisp {\alpha} {U} {V } {} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{V }
{ \subseteq }{\R^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Gleichheit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left( \alpha \circ { \left( \gamma_1 {{|}}_{\gamma_1^{-1} (U)} \right) } \right) }'(0) }
{ =} { { \left( \alpha \circ { \left( \gamma_2 {{|}}_{\gamma_2^{-1} (U)} \right) } \right) }'(0) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}




\inputfakt{Differenzierbare Mannigfaltigkeit/Differenzierbare Kurve/Tangential äquivalent/Äquivalenzrelation/Fakt}{Lemma}{} {

\faktsituation {Es sei $M$ eine \definitionsverweis {differenzierbare Mannigfaltigkeit}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt.}
\faktfolgerung {Dann ist die \definitionsverweis {tangentiale Äquivalenz}{}{} von \definitionsverweis {differenzierbaren Kurven}{}{} durch $P$ eine \definitionsverweis {Äquivalenzrelation}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}

Aufgrund dieses Lemmas ist die folgende Definition sinnvoll.


\inputdefinition
{}
{

Es sei $M$ eine \definitionsverweis {differenzierbare Mannigfaltigkeit}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt. Unter einem \definitionswort {Tangentialvektor}{} an $P$ versteht man eine \definitionsverweis {Äquivalenzklasse}{}{} von \definitionsverweis {tangential äquivalenten}{}{} \definitionsverweis {differenzierbaren Kurven}{}{} durch $P$. Die Menge dieser Tangentialvektoren wird mit
\mathdisp {T_PM} { }
bezeichnet.

}




\inputfakt{Differenzierbare Mannigfaltigkeit/Differenzierbare Kurve/Tangentialklassen und R^n unter Karte/Fakt}{Lemma}{} {

\faktsituation {Es sei $M$ eine ($C^1$)-\definitionsverweis {differenzierbare Mannigfaltigkeit}{}{,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt,
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{U }
{ = }{M }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \definitionsverweis {offen}{}{} und \maabbdisp {\alpha} {U} {V } {} eine \definitionsverweis {Karte}{}{.}}
\faktuebergang {Dann gelten folgende Aussagen.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungzwei {Die \definitionsverweis {Abbildung}{}{} \maabbeledisp {} {T_pM } { \R^n } { [\gamma]} { { \left( \alpha \circ \gamma {{|}}_{\gamma^{-1}(U)} \right) }'(0) } {,} ist eine wohldefinierte \definitionsverweis {Bijektion}{}{.} } {Die durch diese Abbildung auf
\mathl{T_pM}{} definierte \definitionsverweis {Vektorraumstruktur}{}{} ist unabhängig von der gewählten Karte. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $M$ eine \definitionsverweis {differenzierbare Mannigfaltigkeit}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt. Unter dem \definitionswort {Tangentialraum}{} an $P$, geschrieben
\mathl{T_PM}{,} versteht man die Menge der \definitionsverweis {Tangentialvektoren}{}{} an $P$ versehen mit der durch eine beliebige \definitionsverweis {Karte}{}{} gegebenen reellen \definitionsverweis {Vektorraumstruktur}{}{.}

}

Die Dimension des Tangentialraumes stimmt mit der Dimension der Mannigfaltigkeit überein. Jede Karte induziert einen Isomorphismus zwischen
\mathl{T_pM}{} und dem $\R^n$, aber diese Isomorphismen hängen von der gewählten Karte ab. Insbesondere gibt es auf dem Tangentialraum keine Standardbasis.






\zwischenueberschrift{Der komplexe Tangentialraum}

Da eine komplexe Mannigfaltigkeit $M$ der komplexen Dimension $n$ insbesondere eine reell-differenzierbare Mannigfaltigkeit der reellen Dimension $2n$ ist, gibt es auf ihr zu jedem Punkt $P$ einen wohldefinierten reellen Tangentialraum der Dimension $2n$. Wir möchten zeigen, dass dieser in kanonischer Weise auch ein komplexer Vektorraum der komplexen Dimension $n$ ist. Dazu werden wir zuerst die reelle Konstruktion mit holomorphen Kurven nachbilden und dann den so entstandenen komplexen Tangentialraum mit dem reellen Tangentialraum identifizieren. Für komplexe Mannigfaltigkeiten definiert man holomorphe Abbildungen wie im Fall von riemannschen Flächen unter Bezug auf Karten. Eine holomorphe Kurve auf $M$ ist einfach eine holomorphe Abbildung \maabb {\gamma} {B} {M } {,} die auf einer offenen Kreisscheibe
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ B }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} definiert ist. Die Holomorphie bezieht sich auf Karten von $M$. Da die folgenden Überlegungen lokal sind, kann man die Kreisscheiben verkleinern und dann annehmen, dass die holomorphe Kurve ganz in einem Kartengebiet landet.




\inputdefinition
{}
{

Es sei $M$ eine \definitionsverweis {komplexe Mannigfaltigkeit}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt. Es seien \maabbdisp {\gamma_1} {B_1} {M } {} und \maabbdisp {\gamma_2} {B_2} {M } {} zwei auf \definitionsverweis {offenen Bällen}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0 }
{ \in }{B_1,B_2 }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} definierte \definitionsverweis {holomorphe Kurven}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \gamma_1(0) }
{ = }{P }
{ = }{\gamma_2(0) }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dann heißen \mathkor {} {\gamma_1} {und} {\gamma_2} {} \definitionswort {tangential äquivalent}{} in $P$, wenn es eine offene Umgebung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und eine \definitionsverweis {Karte}{}{} \maabbdisp {\alpha} {U} {V } {} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{V }
{ \subseteq }{ {\mathbb C}^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart gibt, dass
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left( \alpha \circ { \left( \gamma_1 {{|}}_{\gamma_1^{-1} (U)} \right) } \right) }'(0) }
{ =} { { \left( \alpha \circ { \left( \gamma_2 {{|}}_{\gamma_2^{-1} (U)} \right) } \right) }'(0) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt.

}

Wir brauchen einige einfache Lemmata, um nachzuweisen, dass es sich hierbei um einen sinnvollen Begriff handelt.




\inputfaktbeweis
{Komplexe Mannigfaltigkeit/Holomorphe Kurven/Tangential äquivalent/Beliebige offene Umgebung/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $M$ eine \definitionsverweis {komplexe Mannigfaltigkeit}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt. Es seien \maabbdisp {\gamma_1} {B_1} {M } {} und \maabbdisp {\gamma_2} {B_2} {M } {} zwei auf \definitionsverweis {offenen Bällen}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0 }
{ \in }{B_1,B_2 }
{ \subseteq }{{\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} definierte \definitionsverweis {holomorphe Kurven}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \gamma_1(0) }
{ = }{P }
{ = }{\gamma_2(0) }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann sind \mathkor {} {\gamma_1} {und} {\gamma_2} {} genau dann \definitionsverweis {tangential äquivalent}{}{} in $P$, wenn für jede \definitionsverweis {Karte}{}{} \maabbdisp {\alpha} {U} {V } {} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{V }
{ \subseteq }{{\mathbb C}^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Gleichheit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left( \alpha \circ { \left( \gamma_1 {{|}}_{\gamma_1^{-1} (U)} \right) } \right) }'(0) }
{ =} { { \left( \alpha \circ { \left( \gamma_2 {{|}}_{\gamma_2^{-1} (U)} \right) } \right) }'(0) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Für eine \definitionsverweis {holomorphe Kurve}{}{} \maabbdisp {\gamma} {B} {M } {} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0 }
{ \in }{B }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \gamma(0) }
{ = }{P }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und eine \definitionsverweis {Karte}{}{} \maabbdisp {\alpha} {U} {V } {} \zusatzklammer {mit
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{P }
{ \in }{U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{V }
{ \subseteq }{ {\mathbb C}^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}} {} {} ändert sich der Ausdruck
\mathdisp {{ \left( \alpha \circ { \left( \gamma {{|}}_{\gamma^{-1} (U)} \right) } \right) }'(0)} { }
nicht, wenn man zu einem kleineren offenen Ball
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0 }
{ \in }{B' }
{ \subseteq }{B }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und einer kleineren offenen Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{U' }
{ \subseteq }{U }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {mit der induzierten Karte} {} {} übergeht. Wir können also davon ausgehen, dass \mathkor {} {\gamma_1} {und} {\gamma_2} {} auf dem gleichen offenen Ball definiert sind und ihre Bilder in $U$ liegen, und dass es für dieses $U$ zwei Karten \maabbdisp {\alpha_1} {U} {V_1 } {} und \maabbdisp {\alpha_2} {U} {V_2 } {} gibt. Dann folgt aus
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ ( \alpha_1 \circ \gamma_1 )'(0) }
{ =} { ( \alpha_1 \circ \gamma_2 )'(0) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} nach der Kettenregel unter Verwendung der komplexen Differenzierbarkeit der \definitionsverweis {Übergangsabbildung}{}{}
\mathl{\alpha_2 \circ \alpha_1^{-1}}{} sofort
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ { \left( \alpha_2 \circ \gamma_1 \right) }'(0) }
{ =} { { \left( { \left( \alpha_2 \circ \alpha_1^{-1} \right) } \circ { \left( \alpha_1 \circ \gamma_1 \right) } \right) }'(0) }
{ =} { { \left( D \left( \alpha_2 \circ \alpha_1^{-1} \right) \right) }_{\alpha_1(P)} { \left( { \left( \alpha_1 \circ \gamma_1 \right) }'(0) \right) } }
{ =} { { \left( D \left( \alpha_2 \circ \alpha_1^{-1} \right) \right) }_{\alpha_1(P)} { \left( { \left( \alpha_1 \circ \gamma_2 \right) }'(0) \right) } }
{ =} { { \left( \alpha_2 \circ \gamma_2 \right) }'(0) }
} {} {}{.}

}





\inputfaktbeweis
{Komplexe Mannigfaltigkeit/Holomorphe Kurven/Tangential äquivalent/Äquivalenzrelation/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $M$ eine \definitionsverweis {komplexe Mannigfaltigkeit}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt.}
\faktfolgerung {Dann ist die \definitionsverweis {tangentiale Äquivalenz}{}{} von \definitionsverweis {holomorphen Kurven}{}{} durch $P$ eine \definitionsverweis {Äquivalenzrelation}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die Reflexiviät und die Symmetrie der Relation sind unmittelbar klar. Zum Nachweis der Transitivität seien drei \definitionsverweis {holomorphe Kurven}{}{} \maabbdisp {\gamma_1,\gamma_2, \gamma_3} {B} {M } {} gegeben, wobei wir sofort annehmen dürfen, dass sie auf dem gleichen \definitionsverweis {offenen Ball}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0 }
{ \in }{B }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} definiert sind. Es seien
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{U_1,U_2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} offene Mengen, mit denen man die tangentiale Gleichheit von \mathkor {} {\gamma_1} {und} {\gamma_2} {} bzw. von \mathkor {} {\gamma_2} {und} {\gamma_3} {} nachweisen kann. Dann kann man nach Lemma 4.8 mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ = }{U_1 \cap U_2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die tangentiale Gleichheit von \mathkor {} {\gamma_1} {und} {\gamma_3} {} nachweisen.

}


Aufgrund dieses Lemmas ist die folgende Definition sinnvoll.


\inputdefinition
{}
{

Es sei $M$ eine \definitionsverweis {komplexe Mannigfaltigkeit}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt. Unter einem \definitionswort {Tangentialvektor}{} an $P$ versteht man eine \definitionsverweis {Äquivalenzklasse}{}{} von \definitionsverweis {tangential äquivalenten}{}{} \definitionsverweis {holomorphen Kurven}{}{} durch $P$. Die Menge dieser Tangentialvektoren wird mit
\mathdisp {T_PM} { }
bezeichnet.

}





\inputfaktbeweis
{Komplexe Mannigfaltigkeit/Holomorphe Kurven/Tangentialklassen und C^n unter Karte/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $M$ eine \definitionsverweis {komplexe Mannigfaltigkeit}{}{,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt und \maabb {\alpha} {U} {V } {} eine \definitionsverweis {Karte}{}{.}}
\faktuebergang {Dann gelten folgende Aussagen.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungzwei {Die \definitionsverweis {Abbildung}{}{} \maabbeledisp {} {T_pM } { {\mathbb C}^n } { [\gamma]} { { \left( \alpha \circ \gamma {{|}}_{\gamma^{-1}(U)} \right) }'(0) } {,} ist eine wohldefinierte \definitionsverweis {Bijektion}{}{.} } {Die durch diese Abbildung auf
\mathl{T_pM}{} definierte ${\mathbb C}$-\definitionsverweis {Vektorraumstruktur}{}{} ist unabhängig von der gewählten Karte. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

\teilbeweis {}{}{}
{(1). Die Wohldefiniertheit der Abbildung ist wegen Lemma 4.8 klar. Die \definitionsverweis {Injektivität}{}{} folgt unmittelbar aus der Definition 4.7. Zur \definitionsverweis {Surjektivität}{}{} sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{v }
{ \in }{ {\mathbb C}^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Wir betrachten die \definitionsverweis {affin-lineare Kurve}{}{} \maabbeledisp {\theta} { {\mathbb C} } { {\mathbb C}^n } {z} { \theta(z) = \alpha(P) + z v } {,} dessen \definitionsverweis {Ableitung}{}{} in $0$ gerade $v$ ist. Wir schränken diese Kurve auf einen Ball
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0 }
{ \in }{B }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart ein, dass
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \theta(B) }
{ \subseteq }{ V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist und betrachten \maabbdisp {\gamma=\alpha^{-1} \circ \theta} {B} {M } {.} Für diese Kurve gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \gamma(0) }
{ =} { { \left( \alpha^{-1} \circ \theta \right) } (0) }
{ =} { \alpha^{-1} (\theta(0)) }
{ =} { \alpha^{-1} (\alpha(P)) }
{ =} { P }
} {}{}{} und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left( \alpha \circ \gamma \right) }'(0) }
{ =} { { \left( \alpha \circ { \left( \alpha^{-1} \circ \theta \right) } \right) }'(0) }
{ =} { \theta'(0) }
{ =} { v }
{ } { }
} {}{}{.}}
{} \teilbeweis {}{}{}
{(2). Durch Übergang zu kleineren offenen Mengen können wir annehmen, dass zwei Karten \maabbdisp {\alpha_1} {U} {V_1 } {} und \maabbdisp {\alpha_2} {U} {V_2 } {} vorliegen. Die \definitionsverweis {Übergangsabbildung}{}{} \maabbdisp {\alpha_2 \circ \alpha_1^{-1}} {V_1} {V_2 } {} ist \definitionsverweis {biholomorph}{}{} und für ihr \definitionsverweis {totales Differential}{}{} in
\mathl{\alpha_1(P)}{} gilt nach der Kettenregel die Beziehung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left( D(\alpha_2 \circ \alpha_1^{-1}) \right) }_{\alpha_1(P)} { \left( (\alpha_1 \circ \gamma)'(0) \right) } }
{ =} { (\alpha_2 \circ \gamma)'(0) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Das bedeutet, dass das Diagramm
\mathdisp {\begin{matrix}T_PM & \stackrel{ }{\longrightarrow} & {\mathbb C}^n & \\ & \searrow & \downarrow & \\ & & {\mathbb C}^n & \!\!\!\!\! \!\!\! , \\ \end{matrix}} { }
wobei vertikal das totale Differential zu
\mathl{\alpha_2 \circ \alpha_1^{-1}}{} steht, kommutiert. Da das totale Differential eine \definitionsverweis {lineare Abbildung}{}{} ist, die in der gegebenen Situation bijektiv ist, macht es keinen Unterschied, ob man die Addition und die Skalarmultiplikation auf
\mathl{T_PM}{} unter Bezug auf die obere oder die untere horizontale Abbildung definiert.}
{}

}





\inputdefinition
{}
{

Es sei $M$ eine \definitionsverweis {komplexe Mannigfaltigkeit}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt. Unter dem \definitionswort {Tangentialraum}{} an $P$, geschrieben
\mathl{T_PM}{,} versteht man die Menge der \definitionsverweis {Tangentialvektoren}{}{} an $P$ versehen mit der durch eine beliebige \definitionsverweis {Karte}{}{} gegebenen komplexen \definitionsverweis {Vektorraumstruktur}{}{.}

}

Die Dimension des Tangentialraumes als komplexer Vektorraum stimmt mit der komplexen Dimension der Mannigfaltigkeit überein. Jede Karte induziert einen Isomorphismus zwischen
\mathl{T_pM}{} und dem ${\mathbb C}^n$, aber diese Isomorphismen hängen von der gewählten Karte ab. Insbesondere gibt es auf dem Tangentialraum keine Standardbasis.





\inputfaktbeweis
{Komplexe Mannigfaltigkeit/Holomorphe Kurven/Tangentialraum/Reell/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $M$ eine \definitionsverweis {komplexe Mannigfaltigkeit}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt.}
\faktfolgerung {Dann gibt es eine natürliche Identifizierung zwischen dem \definitionsverweis {komplexen Tangentialraum}{}{} $T_PM$ und dem \definitionsverweis {Tangentialraum}{}{} in $P$ von $M$ als \definitionsverweis {differenzierbare Mannigfaltigkeit}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir schreiben $T_P^{ {\mathbb C} }M$ und $T_P^{ \R }M$ für den komplexen bzw. den reellen Tangentialraum. Dabei ist $T_P^{ {\mathbb C} }M$ ein komplexer Vektorraum der komplexen Dimension $n$, wobei $n$ die komplexe Dimension der komplexen Mannigfaltigkeit $M$ ist. Damit ist $T_P^{ {\mathbb C} }M$ insbesondere ein reeller Vektorraum der reellen Dimension $2n$. Da $M$ als reelle differenzierbare Mannigfaltigkeit die Dimension $2n$ besitzt, hat auch $T_P^{ \R }M$ die reelle Dimension $2n$. Wir betrachten die Abbildung \maabbeledisp {} { T_P^{ {\mathbb C} }M} {T_P^{ \R }M } {[\gamma ]} { [ \gamma {{|}}_\R ] } {,} die einem \definitionsverweis {holomorphen Tangentialvektor}{}{,} der durch eine \definitionsverweis {holomorphe Kurve}{}{} \maabb {\gamma} {B} {M } {} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0 }
{ \in }{B }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \gamma(0) }
{ = }{P }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} repräsentiert wird, den reellen \definitionsverweis {Tangentialvektor

}{}{} zuordnet, der durch den reellen differenzierbaren Weg
\mathl{\gamma {{|}}_{B \cap \R}}{} repräsentiert wird. Diese Abbildung ist wohldefiniert und $\R$-\definitionsverweis {linear}{}{.} Zum Nachweis der Bijektivität betrachten wir zu einer Karte \maabb {\alpha} { U } {V \subseteq {\mathbb C}^n \cong \R^{2n} } {} das Diagramm
\mathdisp {\begin{matrix} T_P^{\mathbb C} M & \stackrel{ }{\longrightarrow} & {\mathbb C}^n & \\ \downarrow & & \downarrow & \\ T_P^\R M & \stackrel{ }{\longrightarrow} & \R^{2n} & \!\!\!\!\! \\ \end{matrix}} { }
wobei die horizontalen Abbildungen die Bijektionen aus Lemma 4.5 bzw. Lemma 4.11 sind. Wegen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ ( \alpha \circ \gamma)'(0) }
{ =} { (\alpha \circ \gamma{{|}}_\R)'(0) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist das Diagramm kommutativ, daher ist die linke vertikale Abbildung ein reeller Isomorphismus.

}






\zwischenueberschrift{Das Tangentialbündel}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $M$ eine \definitionsverweis {komplexe Mannigfaltigkeit}{}{.} Dann nennt man die Menge
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{TM }
{ =} {\biguplus_{P \in M} T_PM }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} versehen mit der Projektionsabbildung \maabbeledisp {\pi} {TM} {M } {(P,v)} {P } {,} das \stichwort {Tangentialbündel} {} von $M$.

}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $M$ eine \definitionsverweis {komplexe Mannigfaltigkeit}{}{} der \definitionsverweis {Dimension}{}{} $n$ und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ TM }
{ =} {\biguplus_{P \in M} T_P M }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} das \definitionsverweis {Tangentialbündel}{}{,} versehen mit der Projektionsabbildung \maabbeledisp {\pi} {TM} {M } {(P,v)} {P } {.} Das \definitionswort {Tangentialbündel}{} wird mit derjenigen \definitionsverweis {Topologie}{}{} versehen, bei der eine Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{W }
{ \subseteq }{TM }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} genau dann \definitionsverweis {offen}{}{} ist, wenn für jede \definitionsverweis {Karte}{}{} \maabbdisp {\alpha} {U} {V } {} die Menge
\mathl{(T(\alpha)) { \left( W \cap \pi^{-1}(U) \right) }}{} offen in
\mathl{V \times \R^n}{} ist.

}

Das Tangentialbündel zu einer offenen Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V }
{ = }{ {\mathbb C}^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist einfach
\mathl{V \times {\mathbb C}^n}{} mit der Produkttopologie. Zu einer offenen Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ TU }
{ \subseteq }{ TM }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine offene Teilmenge. Wenn eine Karte \maabb {\alpha} {U} {V } {} vorliegt, so liegt ein kommutatives Diagramm
\mathdisp {\begin{matrix} TU & \stackrel{ }{\longrightarrow} & V \times {\mathbb C}^n & \\ \downarrow & & \downarrow & \\ U & \stackrel{ \alpha }{\longrightarrow} & V & \!\!\!\!\! \\ \end{matrix}} { }
vor, wobei die obere horizontale Abbildung für jeden Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} der natürliche Isomorphismus
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T_PM }
{ \cong }{ {\mathbb C}^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist. Diese Abbildungen kann man wiederum als Karten für $TM$ nehmen und erhält dadurch auf dem Tangentialbündel die Struktur einer komplexen Mannigfaltigkeit der Dimension $2n$.






\zwischenueberschrift{Orientierbarkeit}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Klein bottle.svg} }
\end{center}
\bildtext {Die sogenannte Kleinsche Flasche ist ein Beispiel für eine nicht orientierbare kompakte Fläche. Das Bild ist nur eine Andeutung, die Kleinsche Flasche kann nicht überschneidungsfrei im $\R^3$ realisiert werden. Es ist definitiv keine riemannsche Fläche.} }

\bildlizenz { Klein bottle.svg } {} {Tttrung} {Commons} {CC-by-sa 3.0} {}





\inputfaktbeweis
{Komplexe Mannigfaltigkeit/Orientierbarkeit/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Eine \definitionsverweis {komplexe Mannigfaltigkeit}{}{}}
\faktfolgerung {ist \definitionsverweis {orientierbar}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Dies beruht im Wesentlichen darauf, dass zu einer \definitionsverweis {bijektiven}{}{} ${\mathbb C}$-\definitionsverweis {linearen Abbildung}{}{} auf einem endlichdimensionalen komplexen Vektorraum $V$ die zugrunde liegende reell-lineare Abbildung nach Aufgabe 4.7 eine positive \definitionsverweis {Determinante}{}{} besitzt.

}