Riemannsche Fläche/Einführung/Textabschnitt
Die Abbildungen nennt man die Karten der Mannigfaltigkeit und heißt auch das Kartengebiet und das Kartenbild. Die passende Vorstellung ist, dass die Mannigfaltigkeit die (komplizierte, gekrümmte) „Wirklichkeit“ ist, die man ausschnittsweise mit der Hilfe von flachen Karten erfassen kann. Einen Homöomorphismus
Ein topologischer Hausdorff-Raum zusammen mit einer offenen Überdeckung und Homöomorphismen
mit derart, dass die Übergangsabbildungen
Diffeomorphismen sind, heißt komplexe Mannigfaltigkeit der Dimension . Die Menge der Karten , , nennt man auch den Atlas der Mannigfaltigkeit.
mit und offen nennt man eine (zu dem gegebenen Atlas) kompatible Karte, wenn für jedes Kartengebiet
komplex-differenzierbar ist. Die Hinzunahme von kompatiblen Karten ändert die Mannigfaltigkeit nur unwesentlich, allerdings brauchen wir den Holomorphiebegriff für komplexe Mannigfaltigkeiten, um dies präzise zu machen.
Lokal sieht also eine komplexe Mannigfaltigkeit wie eine offene Teilmenge im aus. Eine komplexe Mannigfaltigkeit ist insbesondere eine reelle Mannigfaltigkeit der reellen Dimension . Hiervon gilt nicht die Umkehrung, da entscheidend bei einer komplexen Mannigfaltigkeit ist, dass die Übergangsabbildungen komplex-differenzierbar ist. Dies ist eine deutlich stärkere Forderung, als dass die Übergangsabbildungen reell-differenzierbar sind.
Eine riemannsche Fläche ist eine komplexe Mannigfaltigkeit der (komplexen) Dimension .
Eine riemannsche Fläche hat die komplexe Dimension und die reelle Dimension , deshalb spricht man von Flächen. Es handelt sich somit um zweidimensionale Gebilde, bei denen zusätzlich eine komplexe Struktur vorliegt und fixiert ist. Jede offene Teilmenge von , und insbesondere selbst und ein offener Ball ist eine riemannsche Fläche. Es sei schon jetzt erwähnt, dass und als topologische Räume und als reelle Mannigfaltigkeiten homöomorph bzw. diffeomorph sind, aber nicht als riemannsche Flächen isomorph (das nennt man dann biholomorph) sind. Die komplexe Struktur ist also eine neue entscheidende Struktur. Andererseits ist jeder offene Ball zur Standardkreisscheibe biholomorph, da man das eine durch verschieben und strecken ineinander überführen kann.
Wenn eine Karte mit dem Kartenbild gegeben ist und die Variable auf ist, so nennt man auch einen lokalen Parameter für , insbesondere dann, wenn man sich auf einen Punkt bezieht, für den den Wert besitzt.
Die komplexe Struktur verkompliziert einerseits die topologische bzw. reelle Situation, indem topologisch äquivalente Sachen verschiedene komplexe Strukturen haben können, andererseits vereinfacht sie aber auch die Situation, da man beispielsweise die Übergangsabbildungen und die relevanten Funktionen mit nur einer komplexen Variablen beschreiben kann und da die komplexe Differenzierbarkeit bereits die Analytizität, also die lokale Entwickelbarkeit in einer Potenzreihe, bedeutet. In der Welt der riemannschen Flächen gibt es eine viele engere Beziehung zwischen dem lokalen und dem globalen Verhalten von Funktionen.
Auf der reell zweidimensionalen Sphäre erhält man über die stereographischen Projektionen ( und steht für Nordpol und Südpol)
und
die Übergangsabbildung
die komplex differenzierbar ist und reell durch gegeben ist (bei den in Beispiel beschriebenen Projektionen muss man einmal komplex konjugieren, damit alles passt). Dadurch ist auf der Kugeloberfläche die Struktur einer eindimensionalen komplexen Mannigfaltigkeit gegeben. Diese heißt die komplex-projektive Gerade oder auch die riemannsche Zahlenkugel. Die Überdeckung mit den beiden zu biholomorphen offenen Mengen nennt man auch die affine Standardüberdeckung, siehe auch Fakt. Wenn man eine dieser offenen Mengen fixiert hat, so nennt man den einzigen fehlenden Punkt auch den unendlich fernen Punkt. In der anderen offenen Menge ist dieser der Nullpunkt.
Oft fixiert man eine komplexe Ebene und bezeichnet dann den einzigen Punkt, der bei der Einbettung hinzukommt, als unendlich fernen Punkt .
Eine wichtige Quelle für komplexe Mannigfaltigkeiten eröffnet sich durch den Satz über implizite Abbildungen.
Es sei offen und sei
eine stetig differenzierbare Abbildung. Es sei die Faser über einem Punkt . Das totale Differential sei surjektiv für jeden Punkt .
Dann ist eine komplexe Mannigfaltigkeit der Dimension .
Dabei ergibt sich eine riemannsche Fläche, wenn die Differenz der Dimensionen gleich ist. Wir erwähnen speziell die folgende Situation.
Es sei ein Polynom ohne mehrfache Nullstelle.
Dann ist eine riemannsche Fläche.
Es ist die Nullstellenmenge der polynomialen Abbildung
Die Jacobi-Matrix von ist . Sei . Bei ist und damit ist . Die Jacobi-Matrix ist also auf ganz regulär und damit zeigt der Satz über implizite Abbildungen, dass eine komplexe Mannigfaltigkeit ist.
Durch die Projektion auf die erste Komponente liegt eine fixierte Abbildung
, ,
vor. Diese ist surjektiv und besitzt über den Nullstellen von ein Urbild und sonst überall zwei Urbilder. Man spricht von der Wurzelfläche zu und sagt, dass diese „ausgebreitet“ über vorliegt. Solche mit einer festen Projektion auf versehenen riemannschen Flächen nennt man auch konkrete riemannsche Flächen, während man dann die durch einen Atlas gegebenen Flächen abstrakte riemannsche Flächen nennt. Diesen Unterschied sollte man aber nicht überbewerten. Wir werden uns in
Fakt
mit der Frage beschäftigen, inwiefern man eine solche Wurzelfläche zu einer riemannschen Fläche über die projektive Gerade fortsetzen kann.