Subklinische Agitation

(Weitergeleitet von Subklinische Agitiertheit)

(Subclinical Agitation)

H.-P.Haack (2010)


Zusammenfassung: Agitation ist ein obligates depressives Symptom. Ihrer Ausprägung reicht von innerer Unruhe (subklinische Agitation) bis manifeste psychomotorische Unruhe (agitierte Depression). Bei Verdacht auf eine leichte oder mittelschwere depressive Episode muss immer nach innerer Unruhe gefragt werden, um die Diagnose abzusichern.

Summary: Agitation is an obligated depressive symptom. Of their stamping it reaches from internal restlessness (subclinical agitation) to psychomotor restlessness (agitated depression). With suspicion on a light or moderately depressive disorder should be always asked for internal restlessness to secure the diagnosis.


Depressions-Bezeichnungen

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Aufzählung: Melancholie, Schwermuth; endogene, reaktive und neurotische Depression; autonome Depression, primere Depression; larvierte, maskierte, somatisierte Depression, depressio sine depressione; gehemmte Depression, agitierte Depression; organische Depression, exogene Depression, medizinische Depression; klimakterische Depression, Involutionsdepression, senile Depression; Erschöpfungsdepression, psychoreaktive Depression, psychogene Depression, endoreaktive Depression; depressive Episode (ICD-10), Major Depression (DSM-IV-TR), melancholische Depression, nihilistische Depression; anaklitische Depression, atypische Depression, minore oder subklinische Depression, Winterdepression, Altersdepression, Schwangerschaftsdepression, postpartale Depression.[1] - ICD-10 GM, 7. Aufl. (2010), gibt als Untergruppe an: Depression mit somatischem Syndrom, für das man ebenso melancholisches, vitales, biologisches oder endogenomorphes Syndrom sagen könne. Weiter in ICD-10 GM: Entwurzlungsdepression, Entlastungsdepression, existenzielle Depression, Verlustdepression, ernsthaft-depressive Episode ohne psychotische Symptome, nicht näher bezeichnete depressive Episode. ∑46

Ein solches Kunterbunt von Diagnosen bzw. ätiologischen Deklarationen ist Ausdruck eines nosologischen Dilemmas: Der zur Depression gehörende Befund ist nicht hinreichend definiert. Allerdings weiß man aus Erfahrung, dass bei diesen ätiologisch unterschiedlichen Diagnosen Antidepressiva anschlagen, nicht selten auch in Fällen von reaktiver Depression. Demnach besteht ein stillschweigender Konsens, dass das neurochemische Basisgeschehen bei diesen 46 Krankheitsbildern ab einem bestimmten Schweregrad dasselbe sein muss.

Die 46 Depressions-Bezeichnungen sind ganz wesentlich Folge einer Überbewertung der Anamnese gegenüber dem Befund durch die Depressionsforschung im 19. und 20. Jahrhundert. Im Gegensatz zur Depression sind die beweisenden Symptome (der Befund) bei Schizophrenie dank Eugen Bleuler und Kurt Schneider schärfer definiert.

Befund, Anamnese und Diagnose in der Psychiatrie

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Zu Befund, Anamnese und Diagnose ist anzumerken, dass in der psychodynamisch orientierten Psychiatrie der Anamnese mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird, als dem Befund. In einem gänzlich anderen medizinischen Fach, der speziellen Pathologie, verhält es sich umgekehrt. Dort steht der Befund an erster Stelle. Seiner genauen, deskriptiven Erfassung kommt die gleiche Bedeutung zu, wie der Diagnose. Im pathologisch-anatomischen Denken und Folgern wird vom Befund her rückwirkend die Pathogenese rekonstruiert.[2]

Verglichen mit anderen medizinischen Fächern, z. B. der Chirurgie, ist die Psychiatrie eine junge Wissenschaft. Genaue Beobachter, wie Eugen Bleuler und Kurt Schneider, sind rar. Publizistische Wirkung geht vor allem von den psychodynamischen Interpreten aus, deren eloquentester Vertreter der Triebpsychologe aus Wien, Berggasse 19 wurde. Sigmund Freud hatte das von C. G. Carus entdeckte Unbewusste mit dem Sexualtrieb und mit Mordimpulsen in Verbindung gebracht (Ödipuskomplex) und Bindungsangebote kreiert (die sich lang hinziehende Psychoanalyse). Seine außerordentliche literarische Sprachkraft machte (und macht) vermittels der Form den Inhalt seiner Lehre für viele Anhänger plausibel. Die Freudsche Tiefenpsychologie kommt der geisteswissenschaftlichen Psychiatrie entgegen. Alexander Mitscherlich bedauerte, dass die Psychiatrie ein Zweig der Medizin sei und keine Geisteswissenschaft.

Die geisteswissenschaftliche Psychiatrie hat sich hemmend auf die Erforschung der Depression ausgewirkt. Die 46 Diagnosen und deren unscharfer Befund in den diagnostischen Manualen belegen dieses Fazit. Im Gedächtnis sollte auch bleiben, dass philosophisch-anthropologisch-psychodynamische Auswüchse der Psychiatrie zum Sozialistischen Patientenkollektiv Heidelberg geführt und die Kuriosität des Postboten als psychiatrischen Oberarzt möglich gemacht haben.

Das Leibgefühl innere Unruhe

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ist ein psychiatrisch relevantes Symptom. Es lässt sich als subklinische Agitation kategorisieren, wenn es mit einem dynamischen Defizit einhergeht (Hemmung von Antrieb und Stimmung) und mit Rhythmusstörungen (Tagesschwankungen).

Die für die Depression pathognomonische Simultanität von Antriebshemmung und Agitation (Agitiertheit) ist unterschiedlich gewichtet. In schweren depressiven Episoden kann Agitiertheit das Krankheitsbild so beherrschen, dass sich dafür die Bezeichnung agitierte Depression etabliert hat. Das andere Extrem wird depressiver Stupor genannt.

Lehrbuch-Text W. Schulte und R. Tölle (1977): Mit der psychomotorischen Hemmung ist quälende innere Unruhe verbunden, die in bestimmte Körperregionen, oft in den Brustraum oder auch in den ganzen Körper lokalisiert wird. Sie läßt sich nur mühsam unterdrücken und tritt auch nach außen trotzdem nicht unbedingt in Erscheinung. Wird sie im Verhalten erkennbar, nämlich in unproduktiven hektischen und flatterigen Bewegungen oder in unstetem Auf-der-Stelle-Treten, so spricht man von Agitiertheit. Sie ist ein zusätzliches, nicht ein alternatives Symptom. [3]

S. Kasper (Wien) nennt auf seiner Internet-Seite „Depression.at“ die "seelische Niedergeschlagenheit" als das wichtigste Merkmal, in der Fact-Box am Schluss jedoch zählt er unter Merkmale einer Depression Antriebslosigkeit, innere Unruhe und Schlafstörungen, fehlende Lebensfreude und weitere Symptome auf, beginnend mit Antriebslosigkeit und innerer Unruhe.

Die diagnostischen Manuale ICD-10 und DSM-IV-TR trennen zwischen agitierter und gehemmter Depression. Beide Formen werden alternativ gesehen.[4] Das trifft nicht zu. Die gehemmte Depression geht stets mit subklinischer Agitation einher. Umgekehrt besteht trotz der leer laufenden motorischen Entäußerungen der agitierten Depression eine schwere Antriebshemmung. Patienten mit einer agitierten Depression sind nicht mehr in der Lage, auch nur Geringfügiges zu bewerkstelligen.

In ICD-10 (7. Auflage 2010) wird innere Unruhe als depressives Symptom nicht genannt. Eine krasse Unkenntnis der leichten und mittelgradigen Depression seitens der Verfasser dieses diagnostischen Instruments.

U. Hegerl (Leipzig) fragt in seinem Depressions-Selbsttest (von ihm mit einem Copyrigthzeichen versehen) nach innerer Unruhe, allerdings nicht im Sinne einer regelhaften Verknüpfung mit dem depressiven Energiedefizit, sondern im Sinne eines möglichen Symptoms.

Kollektiver Wissensrückstand ist der S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression Langfassung vom 1. November 2009 zu attestieren, die das Leibgefühl innere Unruhe als Indiz für eine Depression nicht nennt (Kapitel "Erkennen depressiver Störungen", S. 31), geschweige denn Agitation als essentielles depressives Symptom (von subklinisch bis manifest) vermerkt. Die Masse von ärztlichen Verbänden und Organisationen, die als Initiatoren zeichnen (ich habe 31 gezählt), macht das unzureichende diagnostische Instrument auch nicht tauglicher.

Das Bundesgesundheitsministerium für Gesundheit schätzt, dass vier Millionen Deutsche von einer Depression ständig betroffen sind (Prävalenz), und dass gut zehn Millionen Menschen bis zum 65. Lebensjahr eine Depression erlitten haben (Inzidenz).[5] Leser dieses Artikels, die eine depressive Episode durchlebt haben, können sich im Rückblick fragen, ob sie damals auch unter Unruhe und Unrast gelitten haben und so die Stimmigkeit der Mitteilungen hier überprüfen.

Die vier depressiven Kernsymptome (H.- P. Haack)

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Der Hinweis auf den Initiator erschien notwendig, da andere Autoren depressive Kernsymptome anders definieren und der Begriff depressives Kernsymptom inflationär und beliebig geworden ist. Häufig wird dazu Kernsymptom (ein pathogenetischer Begriff) mit Leitsymptom verwechselt (einem didaktischen Begriff).

Eine schwere depressive Episode bereitet kaum diagnostische Schwierigkeiten. Zum Problem werden kann das Erkennen einer leichten depressiven Episode durch den Hausarzt oder durch einen anderen Facharzt, der kein Psychiater ist. Als diagnostisches Raster haben sich vier depressive Kernsymptome bewährt:


  • Antriebshemmung, verbunden mit
  • Agitation (subklinisch bis manifest),
  • Rhythmusstörungen (Tagesschwankungen) und
  • Stimmungseinengung (emotionale Blockierung).


Definiert / objektiviert wird mit diesen vier Kernsymptomen die Depression, die in ICD-10 V (F) als «Depression mit somatischem Syndrom» gelistet ist und zu der vermerkt wird: „Das hier als somatisch bezeichnete [depressive] Syndrom könnte ebenso «melancholisch, «vital», «biologisch» oder «endogenomorph» genannt werden; die wissenschaftliche Absicherung dieses Syndroms ist in jedem Fall etwas fragwürdig. Der Berücksichtigung hier folgt hoffentlich eine weit reichende kritische Einschätzung der Nützlichkeit der gesonderten Feststellung. Die Klassifikation [ICD-10 V (F)] erlaubt die Verwendung dieses «somatischen Syndroms». Es kann aber auch ohne Verlust von sonstiger Information darauf verzichtet werden.“ Nicht mehr „etwas fragwürdig“ ist der Befund der Depression mit somatischem Syndrom, hält man sich an die hier inaugurierten vier depressiven Kernsymptome. Die wissenschaftliche Überprüfung ihrer Stichhaltigkeit wäre für Universitätskliniken ein Leichtes: Es brauchte nur der Erfolg von Antidepressiva in zwei Probandenkollektiven katamnestisch ausgewertet werden, in einer Patientengruppe mit und einer ohne agitierte Anteile, und das in zwei verschiedenen Kliniken. Kommen beide zu einem übereinstimmenden Ergebnis, hätte der psychiatrische Wissenschaftsbetrieb (und die Psychiatrie als Wissenschaft)Gewissheit. Was den Verfasser dieses Beitrags betrifft, so hat er diesbezügliche Erfahrungen in zwei Jahrzehnten an den Patienten in seiner Praxis sammeln können, nicht experimentierend, sondern aus der Anschauung. Nur die s. g. Depression mit endogenomorphem Syndrom (früher endogene Depression genannt) ist nach Auffassung des Verfassers die Krankheit, die allein die Bezeichnung Depression verdient. Alle anderen Verstimmungszustände sollten nicht als die Krankheit Depression etikettiert werden.

Es muss grundsätzlich überdacht werden, ob gedrückte Stimmung, Interessensverlust, Freudlosigkeit (ICD-10-GM), die dem umgangssprachlichen Adjektiv depressiv entsprechen, dem psychiatrischen Begriff depressiv gleichgesetzt werden können. Eine Verstimmung wird erst dann zum depressiven Symptom, wenn sie mit den anderen drei genannten depressiven Kernsymptomen auftritt. Reduktionen von Antrieb (Interessenverlust) und Stimmung (gedrückte Stimmung, Freudlosigkeit) allein sind uncharakteristisch. Sie treten in leichter Form als Verdrossenheit auch im gesunden Seelenleben auf und können sich da über zwei Wochen hinziehen. In ICD-10-GM werden sie jedoch als typische depressive Symptome angegeben.

Bezeichnend ist, dass bei pharmakogener Depressivität, z. B. unter Cortison, Agitiertheit nicht auftritt. Hier sind nur Antrieb und Stimmung betroffen. Agitiertheit (innere Unruhe) und zirkadiane Schwankungen fehlen bei Cortison-Depressivität.

Kritik an ICD-10

Dieses Manual erschwert die Grenzziehung zur nicht krankhaften Verstimmung, da bereits gedrückte Stimmung, Interesselosigkeit, Freudlosigkeit, Verminderung des Antriebs und erhöhter Ermüdbarkeit für die depressive Episode typisch seien. Das läuft auf eine quantitative und damit subjektive (intuitive) Bewertung der genannten Symptome durch den Untersucher hinaus. Werden dagegen künftig Rhythmusstörungen und agitierte Anteile als weitere essentielle depressive Symptome in den diagnostischen Manualen vermerkt, wird eine Diagnose nach qualitativen Merkmalen möglich, vor allem bei leichten Depressionen.

ICD-10, 1992 erschienen, ist das Ergebnis einer internationalen Zusammenarbeit zahlreicher Expertengruppen (Norman Sartorius im Vorwort.) Dessen offen bleibender Befund für die Diagnose depressive Episode ist vermutlich ein Zugeständnis der naturwissenschaftlichen Psychiatrie an die geisteswissenschaftlich-anthropologische, zu der auch die psychoanalytische Psychiatrie zählt. Gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit, Verminderung des Antriebs und erhöhte Ermüdbarkeit, die bereits typisch genug seien für eine depressive Episode, deuten weniger auf ein organisches Basisgeschehen hin als die Kombination von Unrast mit Adynamie und chronobiologische Rhythmusstörungen. Für eine organische psychische Erkrankung fühlt sich die Psychoanalyse jedoch nicht zuständig.

Bis die vier depressiven Kernsymptome offizieller Konsens (ICD-11) geworden sind, empfehle ich, sich in der Begründung der Diagnose «Depression» auf diesen WIKIVERSITY-Artikel zu berufen, für dessen Dignität der Verfasser einsteht und haftet. Zur diagnostischen Strategie finden sich Anleitungen im letzten Abschnitt dieses Beitrags. Nicht verschweigen will ich, dass der Hirnforscher und Psychiater Manfred Spitzer mir durch seine Sekretärin hat mitteilen lassen, dass dieser Beitrag für die von ihm redigierte Zeitschrift NERVENHEILKUNDE "ungeeignet" sei. Zum Machtanspruch von Wissenschaftlern und zum Totschweigen von Ergebnissen (vor Etablierung des Internets) hat sich eloquent und brillant Janzarik in seiner Abschiedsvorlesung geäußert.[6]

Die Fixierung zahlreicher Vertreter der Universitätspsychiatrie im diagnostischen Screening auf die initiale Frage nach einer Stimmungseinengung hat ihre Wurzeln in der geisteswissenschaftlichen (versus naturwissenschaftlichen) Strömung der Psychiatrie. Antriebsverlust und Stimmungseinengung gehören u. a. auch zum Burn-out-Syndrom. Kommen innere Unruhe und eine 24-Stunden-Rhythmik in der Symptomausprägung hinzu, besteht eine um eine leichte (oder mittelgradige) depressive Episode. Dies zur Differentialdiagnose Burnout / Depression. Beim Burnout handelt es sich um eine chronische Erschöpfung bei verloren gegangener Sinnfindung.

Das depressive Syndrom

Antrieb und Stimmung repräsentieren einen psychischen Fundamentalbereich, den W. Janzarik seelische Dynamik genannt hat.[7] In der Depression liegt eine dynamische Restriktion vor, bei der Manie eine dynamische Expansion. Diesen psychopathologischen Ansatz integrierend, erweist sich das Basisgeschehen der Depression, ob nun monopolare oder bipolare affektive Störung, als dynamische Restriktion (Antriebs-, Stimmungshemmung), Agitation und Balance-Störung des chronobiologischen Rhythmus. Ein Basisgeschehen, das pathophysiologisch anmutet und auf eine → Somatogenese hindeutet.

Fehlt bei depressiv getönten psychischen Erkrankungen innere Unruhe (Agitation), handelt es sich um Entitäten , die früher als neurotische Depression bezeichnet wurden, gegenwärtig als Dysthymie. Bei ihnen ist - so die therapeutischen Erfahrungen des Verfassers - mit Antidepressiva wenig zu erreichen, umso mehr dafür mit Psychotherapie.

Innere Unruhe stellt keine Kontraindikation dar für die Gabe von Antidepressiva mit Antrieb steigernder Komponente. Häufig ist es gerade dieses Symptom, das zusammen mit den Schlafstörungen als erstes abklingt. Für eine Sedierung hält der Verfasser diesen Effekt nicht.

Leichte und mittelschwere depressive Episoden

Bei einer leichten Depression kann der Erkrankte seinen beruflichen und privaten Pflichten noch einigermaßen gerecht werden. Innere Unruhe ist diesen Patienten nicht anzumerken. Mitunter teilt ein ambulanter Patient als Gesprächseröffnung mit, dass er nervös geworden sei. Doch mit eigenen Worten geben Depressive innere Unruhe nur selten an. Besteht sie, wird die diesbezügliche Frage in der Regel prompt und sachlicht bejaht. Bei Fragen nach einem Antriebsdefizit und nach einer Stimmungseinengung dagegen antwortet der Patient mit einer leichten Depression nicht selten erst nach kurzem Besinnen, kaum länger als einen Atemzug, aber doch so, als müsse er sich über die Antwort kurz Rechenschaft ablegen.

Volkskrankheit Depression

Es waren wohl Journalisten, die die Depression zur Volkskrankheit gemacht und damit aufklärend gewirkt haben. Im Panoramawandel der diagnostischen Konventionen hat diese Diagnose zweifellos an Häufigkeit gewonnen. Ob es sich jedoch um eine echte Vermehrung handelt, kann bezweifelt werden. Es wird sich eher so verhalten, dass depressive Erkrankungen seltener übersehen werden (auch wenn das im Einzelfall länger dauern kann), und dass die Diagnose für den Patienten akzeptabler geworden ist. Sie gilt nicht mehr als so ehrenrührig, wie noch vor drei Jahrzehnten.

Maskierte, larvierte und somatisierte Depression

Diese gleichsinnigen Bezeichnungen sind deskriptiv wie agitierte Depression und sagen nichts über die Ätiologie der Depression aus. Sie wollen lediglich den häufigen Sachverhalt veranschaulichen, dass der Patient weniger seine bedrückte Stimmung dem Arzt mitteilt, als vielmehr die körperlichen Beschwerden, die oft mit einer Depression einhergehen, wie Kopfschmerz (der bei gezielter Befragung sich häufig als Kopfdruck erweist) oder Schwindel, Rückenschmerzen und anderes mehr. Die Depression verbirgt sich hier unter der Maske bzw. Larve von körperlichen Beschwerden, die Depression wird vom Patienten als körperliche Krankheit empfunden.

Fallbeispiel: Mittelschwere Depression mit subklinischer und zeitweilig manifester Agitation

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58jähriger Patient.
(Erstveröffentlichung der autobiographischen Krankengeschichte 2008 in WIKIVERSTITY: Das Kapitel «Schnee» in «Der Zauberberg».)

Ausführlich dokumentiert hat Thomas Mann eine depressive Erkrankung im Frühjahr 1933, ausgelöst durch die Emigration. Auf den Fotos dieser Zeit ist er abgemagert, Mimik und Haltung zeigen nicht mehr die gewohnte repräsentierende Selbstsicherheit. Die Tagebucheintragungen beschreiben Stimmungseinengung, Energiedefizit, innere Unruhe sowie Tagesschwankungen in Form von Durchschlafstörungen und Morgentief (die vier depressiven Kernsymptome). Zusätzlich traten Angstzustände auf.

Depressive Episoden hat Thomas Mann im Winter 1900 auf 1901 und im November 1913 durchlebt. Mitteilungen darüber enthalten die Briefe an Heinrich Mann. Auch sonst scheinen leichte rezidivierende depressive Störungen aufgetreten zu sein. "Aber ich war in den letzten acht Tagen so elend, daß ich mich zu den kleinsten Geschäften untauglich fühlte. Das kommt alle acht oder zehn Wochen mal vor." [8]

Eigenschilderung:

15.03.: Heute Morgen [sic] bin ich, wie übrigens meistens am Morgen, frei von dem krankhaften Grauen, das mich seit zehn Tagen stundenweise, bei überreizten und ermüdeten Nerven beherrscht.

16.03.: Obgleich ich leidlich geschlafen, waren heute vom Erwachen an meine Nerven in schlechtem, beängstigtem Zustande.

17.03.: Dieser Morgen ist besser u. ruhiger als der gestrige, obgleich der Schlaf oft unterbrochen und ich früh wach war.

18.03.: Nach dem Erwachen zunehmender Erregungs- und Verzagtheitszustand, krisenhaft, von 8 Uhr an unter K´s Beistand.[9] Schreckliche Excitation, Ratlosigkeit, Muskelzittern, fast Schüttelfrost u. Furcht, die vernünftige Besinnung zu verlieren.

27.03.: Die Stimmung etwas getroster, weniger beängstigt, geneigt [,] die Dinge leichter zu nehmen, unter dem Einfluß des Verkehrs mit dem etwas banal-lebemännischen Frank.[10]

31.03.: Unruhig geschlafen. […] Neue erregte Depression. […] Aber die Nerven sind wieder beklemmender u. bedrängter als in den letzten Tagen.

04.04.: Der Schlaf hat ohne Nachhilfe keine rechte Ausdauer, ich erwache zu früh bei großer Müdigkeit am Abend.

08.04.: Brom.[11] Müde, nieder geschlagen.

09.04.: Nicht möglich, mich zur energischen Beschäftigung mit dem Roman zu zwingen.[12] […] Meine Nerven sind wieder gespannter, erregter.

16.04.: Schlief sehr unruhig, erwachte bald in Erregungszustand, nahm Phanodorm [13] u. kam dann leidlich zur Ruhe.

17.04.: Unruhige Nacht. Wiederkehr der Neigung zu Erregungs- und Beängstigungszuständen.

20.04.: Nervöse Erregtheit, Übelbefinden. Unruhig-schwerer und schlechter Schlaf.

22.04.: Man schläft zu wenig. Morgens nervös und ängstlich.

23.04.: Besser geschlafen. Das Wetter blau und kalt. […] Leichtere, hellere und frischere Stimmung.

24.04.: Ich arbeite etwas.

25.04.: Gab Wäsche aus, [?] ließ mir das Haar schneiden und machte allein etwas Motion.

26.04.: Nervös, müde, verstimmt.

27.04.: Mit Hülfe [sic] von Phanodorm gut geschlafen. Wird es nach dem gestrigen schlimmen Tag wieder ein wenig besser? Das Wetter ist heiter.

30.04.: Starke nervöse Erschöpfung. […] Morgens sehr nervös – entsetzte und schaurige Stimmung.

12.05.: Psychisch freier und belebter.

14.05.: Ohne Mittel leidlich geschlafen, wenn auch zu früh erwacht.

19.05.: Flottere Arbeit. […] Man ging spazieren und machte kleinere Einkäufe.

23.05.: Wie täglich versuchte ich, vorwärts zu arbeiten. Aber die Mitgenommenheit meiner Nerven äußerte sich in großer Schlaffheit und Trägheit, die über den guten Willen, mit dem ich [mich] nach dem Frühstück niedersetze, nach wenigen Zeilen den Sieg davonträgt. Immer besteht auch die Neigung zu depressiver Erregung fort.

Das Herzasthma des Exils, den nervösen Schrecken der Heimatlosigkeit hat Thomas Mann diese Monate im Rückblick genannt.[14]

Ihrer Gewichtung nach dürfte es sich um eine mittelschwere depressive Episode gehandelt haben. Thomas Mann konnte in den Abendstunden noch Tagebuch führen, aber nicht mehr schriftstellerisch arbeiten. Bei einer schweren depressiven Episode nach ICD 10 wäre ihm selbst Tagebuchführen nicht mehr möglich gewesen.

Ätiologisch bestand eine familiäre Disposition. Beide Schwestern Thomas Manns haben sich suizidiert, ebenso die Söhne Klaus und Michael. Golo Mann – so Klaus Jonas´ Mitteilung an den Autor - habe unter Depressionen gelitten und ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen.

Ausgelöst bei solcher Anlage und Vorgeschichte wurde die depressive Erkrankung im Frühjahr 1933 durch die abrupte Entwurzlung, die Emigration. Erschwerend kam damals die Sorge hinzu, seine Tagebücher, die in Deutschland geblieben waren, könnten den Nazis in die Hände fallen. Schließlich gelangten sie doch noch zu ihm ins Exil. Was sie an Bekenntnissen enthielten, lässt sich nicht mehr ermitteln. Bis auf die Jahrgänge 1918 – 21 hat sie Thomas Mann verbrannt. Lückenlos erhalten sind die Tagebücher wieder ab 1933.

Die Depressionsforschung der Universitätspsychiatrie

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So sind freilich die groben geistigen Störungen
der Aufmerksamkeit nie entgangen.
Paul Julius Möbius [15]

Die in ihren Kliniken isolierte Universitätspsychiatrie diagnostiziert keine psychischen Erkrankungen, sondern klassifiziert vordiagnostizierte Krankheitsbilder. In ihr Blickfeld geraten nur Patienten, bei denen eine psychische Erkrankung nicht zu übersehen ist oder ein begründeter Verdacht besteht. Das heißt, entweder hat der Patient sich selbst diagnostiziert, indem er sich an die Ambulanz einer psychiatrischen Klinik wendet oder ein überweisender Arzt hat eine einschlägige Diagnose gestellt. Die Depressionsforschung der Klinikpsychiatrie geschieht demnach an

  • vordiagnostizierten Patienten (die Frage, ob psychisch krank oder nicht, ist bereits geklärt),
  • an schweren Depressionen (eine leichte Depression wird nicht stationär behandelt),
  • und an Patienten, bei denen häufig mit der Behandlung bereits begonnen worden ist. Hat der Patient mehrere Tage ein Psychopharmakon eingenommen, ist die ursprüngliche Symptomatik bereits modifiziert.

Damit ist die universitäre Depressionsforschung ins Hintertreffen geraten gegenüber dem frei praktizierenden Nervenarzt alter Schule, dem Doppelfacharzt für Neurologie und Psychiatrie. Dem wurden auch Patienten mit rein körperlichen Beschwerden von anderen Ärzten überwiesen, ohne Verdacht auf eine psychische Erkrankung, mit rein neurologischen Fragestellungen. In dieser Klientel mit neurologisch anmutenden Präsentiersymptomen fand der Autor vielfach depressiv Erkrankte. Da ihm die Häufigkeit dieser Konstellation nicht geheuer war, hat er sich das oben wiedergegebene Konstrukt der vier depressiven Kernsymptome erarbeitet, um seine Diagnose im fachärztlichen Bericht zu begründen, - sich selbst gegenüber und gegenüber dem überweisenden Arzt. [16] [17]

Der Verfasser war in Heidelberg tätig, damals eine Hochburg der psychodynamischen, psychosomatischen und psychoanalytischen Medizin. Dieser Strömung konnte er sich nicht anschließen. Ihm schien das psychopathologisch disziplinierte Denken in der Tradition Kurt Schneiders, der Respekt vor der Wertigkeit des definierten Symptoms, redlicher und stringenter, als psychodynamische Interpretationen. Auch der Politisierung der Psychiatrie nach 1968 bis in die frühen achtziger Jahre konnte er nichts abgewinnen. Mit dieser Haltung lief er Gefahr, als rückständig zu gelten. Um diesen Verdacht nicht aufkommen zu lassen, hatte er - ein weiterer Grund - sein Konstrukt der vier depressiven Kernsymptome entwickelt, damals noch endogen-depressive Achsensymptome genannt. Zugleich betonte er immer wieder, dass es auch leicht ausgeprägte endogene Depressionen gibt, die behandlungsbedürftig sind. [1]

Gegenwärtig bietet die Universitätspsychiatrie (sinngemäß) die Formel an:

Stimmungseinengung + Antriebshemmung + Tagesschwankungen = Depression.[18]

Diese Gleichung ist nicht stimmig. Es fehlt der vierte Faktor Agitiertheit. Korrigiert lautet das diagnostische Integral: [19]

Antriebshemmung + Agitation (manifest oder subklinisch als innere Unruhe) + 24-Stundenperiodik der Symptomausprägung + Stimmungseinengung = Depression.

Die in Leserichtung abnehmende Signifikanz der Symptome entspricht hier der leichten depressive Episode. Bei schweren depressiven Episoden (melancholische Depression) beherrscht die Stimmungseinengung als Leitsymptom das klinische Bild.

An seine diagnostischen Kriterien hat sich der Verfasser zwischen1985 und 2005 strikt gehalten. Allenfalls, und dann auch nur sehr selten, hat er, wenn lediglich die Fragen nach Stimmungseinengung und Freudlosigkeit verneint wurden, trotzdem eine Depression als Diagnose angegeben und eine antidepressive Medikation empfohlen, wenn das nach dem Gesamteindruck gerechtfertigt schien.

Die Universitätspsychiatrie ist der Aufgabe enthoben, hat gar nicht die Möglichkeit, tagtäglich bei scheinbar psychisch unauffälligen Patienten eine leichte (oder mittelgradige) depressive Episode zu erkennen. Sie spricht hier selbstgerecht und gebildet von einer Dunkelziffer. Angesichts dieser Ausgegrenztheit ist es nicht verwunderlich, dass die Universitätspsychiatrie ein so stilles, aber relevantes depressives Symptom wie subklinische Agitation (Volksmund: innere Unruhe) bisher nicht genügend gewürdigt hat. Ausnahmen sind der Lehrbuchtext von W. Schulte und R. Tölle 1977 (s. o.), der innere Unruhe, äußerlich nicht erkennbar, als eine Vor-Form der manifesten Agitiertheit beschreibt und S. Kasper (s. o.), der Antriebsverlust und innere Unruhe im diagnostischen Screening an erste Stelle setzt. Warum versanden diese Erkenntnisse?

1985 wurde von H.-P.Haack auf die depressionsspezifische, pathognomonische Verknüpfung des Energie- und Kräfteverlusts mit innerer Unruhe hingewiesen.[20]

Nachtrag Juni 2012:
In dem z. Zt. führenden deutschsprachigen Lehrbuch für Psychiatrie TÖLLE / WINDGASSEN 16. Aufl. 2012, zwei Jahre nach diesem WIKIVERSITY-Beitrag, wird eingangs des Kapitels Melancholische Depression bereits im dritten Satz mitgeteilt: Am auffälligsten ist die Bewegungsarmut, die oft mit einer nur mühsam unterdrückten «inneren» Unruhe gepaart ist.
Oft, nicht regelhaft, wie es vom Verfasser dieses Beitrags für die endogenomorphe (= melancholische) Depression postuliert wird. Doch von Bedeutung an diesem Satz ist, dass Bewegungsarmut (Antriebshemmung) mit innerer Unruhe (vom Verfasser dieses Beitrags als subklinische Agitation eingestuft) gepaart sein kann, dass sie sich nicht gegenseitig ausschließen.


Depressive Gestimmtheit als Leitsymptom

Leitsymptom ist ein didaktischer Begriff, Kernsymptom ein psychopathologischer. Das Leitsymptom leitet zu der jeweiligen Diagnose, Kernsymptome definieren eine Krankheit.

Nachdem eine psychische Erkrankung gewiss ist, gilt es, sie zu klassifizieren. Freudlosigkeit und fehlende emotionale Resonanz werden unter diesem Aspekt zu Leitsymptomen (Identifizierung einer affektiven Störung). Diese Klassifikation ist die Domäne der Klinikpsychiatrie, nicht das Erkennen einer psychichen Krankheit bei somatischen Präsentiersymptomen. Diese Patienten suchen keinen Psychiater auf, sondern ihren Hausarzt oder einen "somatischen" Facharzt.

Zur diagnostischen Strategie bei Verdacht auf eine maskierte oder leichte Depression

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Bei dieser Konstellation hatte der Verfasser, der hier über seine zurückliegende Berufstätigkeit berichtet, während oder nach der Beschwerdeschilderung den Patienten gefragt:

  • Leidet auch der Schlaf darunter? (Hinweis auf Tagesschwankungen, die es zu präzisieren gilt. Charakteristisch sind Durchschlafstörungen und vorzeitiges Erwachen mit "Morgentief") und weiter
  • tritt auch Unruhe auf, innere Unruhe? (subklinische Agitation),
  • hat der Schwung nachgelassen? Müssen Sie sich in letzter Zeit zu vielem zwingen, das ihnen früher glatt von der Hand gegangen ist? (Antriebsverlust) und
  • können Sie sich noch freuen? (Stimmungseinengung).

Nach einer deprimierten Stimmung hat der Autor sich zuletzt erkundigt. Dieses Vorgehen ist eine komprimierte, gezielte psychiatrische Untersuchung auf Depression, ohne dass sie dem Patienten sogleich als solche bewusst wird.

An Allgemeinärzte gerichtet: Werden alle vier Kernsymptome bejaht, teilen Sie dem Patienten sachlich die Diagnose einer "depressiven Episode" mit, - entlasten ihn aber, indem Sie die Erkrankung als eine Neurotransmitter-Störung deklarieren, für die der Patient nicht verantwortlich gemacht werden kann. Manche Patienten empfinden die Diagnose einer Depression als ehrenrührig. Einer solchen Selbst-Stigmatisierung wird mit der naturwissenschaftlichen Erklärung vorgebeugt. Fühlt sich der Patient durch die Diagnose "Depression" stigmatisiert und der Arzt kann ihm dieses Vorurteil nicht nehmen, wird er eine Behandlung ablehnen oder abbrechen, sobald erste Anzeichen einer Besserung aufgetreten sind. Und teilen Sie dem Patienten die gute Prognose mit, wenn nötig auch wiederholt während der folgenden Arztkontakte.

Verschreiben Sie ein preisgünstiges Antidepressivum, z. B. Nortrilen 25mg (kontraindiziert bei Herzrhythmus-Störungen, sonst aber sehr gut verträglich!) oder Fluoxetin als Generikum.[21] Die Medikamente in schrittweise ansteigender Dosierung. Den Patienten nach der Diagnose-Stellung bereits in 3 Tagen wieder einbestellen, um Bereitwilligkeit der Medikamenten-Einnahme zu überprüfen. Bis dahin unterschwellig dosieren, nur 25mg Fluoxetin oder Nortrilen morgens und abends. Nach drittem Tag erhöhen auf 50mg morgens und abends. Reicht häufig bei leichten (oder mittelgradigen) depressiven Episoden. Kann aber auch gefahrlos erhöht werden, wenn so einschleichend mit der Medikation begonnen wurde. Besserung nach 8 - 14 Tagen zu erwarten. Wenn es nicht klappt, Überweisung zum Facharzt für Psychiatrie.

Mit den hier postulierten vier depressiven Kernsymptomen, vermerkt der Arzt sie in seinen Befundaufzeichnungen, ist er diagnostisch auf der sicheren Seite. Sollten sie nicht vollständig vorliegen, kann mit der Diagnose ausgewichen werden auf depressiv getöntes Erschöpfungssyndrom oder Burnout oder Neurasthenie oder - bei mehr als zwei Jahren bestehend - Dysthymie.

Mitunter verwechselt der Patient Ursache und Wirkung: Er empfindet die Komplikationen und Konflikte, die durch die Depression entstanden sind, als deren Ursache. Hier empfiehlt es sich, die psychotherapeutische Konfliktbearbeitung für das Ende der Behandlung zu verabreden. Nicht selten gibt der Patient nach Abklingen der depressiven Kernsymptome an, der "Konflikt" bestehe ja eigentlich schon seit eh und je. Er sei aber jetzt wieder in der Lage, diese nicht zu ändernde Konstellation zu tolerieren. Sie belaste ihn nicht mehr.

Der Hausarzt ist in der Lage, eine depressive Episode ebenso erfolgreich zu behandeln, wie der Facharzt für Psychiatrie, wenn er die Diagnose anhand der vier depressiven Kernsymptome fest gemacht hat. Die Relevanz der vier depressiven Kernsymptome kann jeder, der Depressive behandelt, überprüfen. Er muss lediglich im Rückblick vergleichen, bei welchen depressiv diagnostizierten Patienten Antidepressiva (Beeinflussung der neuronalen Transmitter) angeschlagen haben: Bei Patienten mit allen vier Kernsymptomen oder bei Patienten, die zwar als depressiv beurteilt wurden, aber nicht alle vier Kernsymptome aufgewiesen hatten.


Quellen und Anmerkungen

  1. Peters, U. H.: Lexikon Psychiatrie, Psychotherapie, medizinische Psychologie. München Jena: Urban & Fischer 2004 (5. Aufl.)
  2. Der Verfasser hat u. a. auch zwei Jahre pathologisch-anatomisch gearbeitet, was seine Sicht auf Krankheitsbilder und sein pathogenetisches Klassifizieren entscheidend geprägt hat.
  3. Schulte, W. und R. Tölle, Psychiatrie. Vierte, überarbeitete Auflage. Berlin Heidelberg New York: Springer 1977, S. 214. In der 15. Auflage (2009) S. 240 ist die Verbindung von depressiver Hemmung mit innerer Unruhe relativiert mit der Einschränkung "häufig". Immerhin bleibt der Widerspruch zu der Alternative Hemmung oder (subklinische) Agitation gemäß ICD-10 und DSM-IV-TR bestehen.
  4. Damm, J., D. Eser, C. Schüle, H.-J. Möller, R. Rupprecht und T.C. Baghai: Depressive Kernsymptome. Nervenarzt 05/2009, 515-31.
  5. WIKIPEDIA: Depression (26. Februar 2020, 7.50 Uhr)
  6. Janzarik, W.: Menschenkundliche Anmerkungen zu Wissenschaft und Wissenschaftsbetrieb. NERVENARZT (1989)60:612-618
  7. Dynamische Grundkonstellationen in endogenen Psychosen. Berlin Göttingen Heidelberg: Springer 1959
  8. Thomas Mann am 27.11.1906 an Ida Boy-Edd
  9. Ehefrau Katia
  10. Bruno Frank
  11. Ein bromhaltiges Schlafmittel.
  12. «Joseph in Ägypten». Dritter Band der Tetralogie «Joseph und seine Brüder».
  13. Schlafmittel
  14. Warum ich nicht nach Deutschland zurückgehe. Erstdruck: Hessische Post 4. August 1945.
  15. Möbius, P. J.: Ueber das Pathologische bei Goethe. Leipzig: J. A. Barth 1898, S. 1
  16. Haack, H.- P: Die larviert verlaufende Depression. Deutsche medizinische Wochenschrift 04/1985; 110(13):507-509
  17. Haack, H.- P. und H. Kick: Wie häufig ist Kopfschmerz Ausdruck einer endogenen Depression? Deutsche medizinische Wochenschrift 05/1986; 111(16):621-624
  18. Tölle, R. und K. Windgassen: Psychiatrie einschließlich Psychotherapie. Heidelberg: Springer 2009, S. 238 - 244
  19. Diese abstrahierende, psychiatriefremde Darstellung ist der Didaktik und Praxis-Nähe dieses Beitrags geschuldet.
  20. Haack, H. - P.: Häufigkeit der larvierten Depression. Die Medizinische Welt 1985 (43|85), 1370-73
  21. Die auf dem Beipackzettel angegebenen Kontraindikationen muss der verordnende Arzt beachten, - wie bei allen Verschreibungen üblich.
 
H.- P. Haack


Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Hans-Peter Haack, Neurologe und Psychiater.
Humboldtstraße 5, 04105 Leipzig.
Korrespondenzadresse: hans-peter.haack@t-online.de
Vom gleichen Verfasser in WIKIVERSITY: Zur Entwicklung der Psychiatrie. Eine Dokumentation.