Totale Differenzierbarkeit/K/Einführung/Textabschnitt


Es seien und endlichdimensionale -Vektorräume, eine offene Menge und eine Abbildung. Dann heißt differenzierbar (oder total differenzierbar) im Punkt , wenn es eine -lineare Abbildung mit der Eigenschaft

gibt, wobei eine in stetige Abbildung mit ist und die Gleichung für alle mit gilt.

Diese lineare Abbildung heißt, falls sie existiert, das (totale) Differential von an der Stelle und wird mit

bezeichnet.

Äquivalent zur totalen Differenzierbarkeit ist die Eigenschaft, dass der Ausdruck

für gegen konvergiert. Ebenfalls äquivalent ist die Eigenschaft, dass der Limes (von Funktionen)

existiert und gleich ist.

Das Konzept der totalen Differenzierbarkeit ist eher theoretisch und für konkrete Berechnungen nicht optimal. Wir werden später dieses Konzept mit dem Konzept der partiellen Ableitungen in Verbindung bringen, welches eher für Berechnungen geeignet ist, jedoch von Koordinaten, d.h. von der Auswahl einer Basis, abhängt (siehe auch Beispiel weiter unten).

Der geometrische Gehalt tritt besonders im Fall deutlich hervor. Dann ist der Graph der affin-linearen Abbildung eine lineare Approximation des Graphen der Funktion im Punkt .


Ist konstant mit für alle , so ist differenzierbar mit totalem Differential (siehe Aufgabe).




Es sei eine -lineare Abbildung zwischen den endlichdimensionalen -Vektorräumen und .

Dann ist in jedem Punkt differenzierbar und stimmt in jedem Punkt mit ihrem totalen Differential überein.

Aufgrund der Linearität gilt

Also können wir wählen.



Wir betrachten die Funktion

deren Graph die untere Hälfte der Kugel mit Radius und Mittelpunkt ist. Wir interessieren uns, ob im Nullpunkt total differenzierbar ist. Aus Symmetriegründen kommt als totales Differential nur die Nullabbildung in Frage. Es geht somit darum, ob für gegen der Ausdruck

gegen konvergiert. Mit

ist dies

Wir wenden darauf die Regel von l'Hospital an. Der abgeleitete Nenner ist und der abgeleitete Zähler ist

und konvergiert gegen , sodass Konvergenz gegen vorliegt. Die Nullabbildung ist also in der Tat das totale Differential.




Es seien und endlichdimensionale -Vektorräume und sei die Abbildung auf einer offenen Teilmenge definiert. Sei ein Punkt.

Dann existiert höchstens eine lineare Abbildung mit den Eigenschaften aus Definition.

Ist im Punkt differenzierbar, so ist das totale Differential eindeutig bestimmt.

Angenommen, es gelte

und

mit linearen Abbildungen und und mit im Punkt stetigen Funktionen mit . Wir müssen zeigen. Dazu ziehen wir die beiden Gleichungen voneinander ab (da es sich hier um Gleichungen von Funktionswerten im Vektorraum handelt, ist hier werteweises Abziehen gemeint) und erhalten die Gleichung

Daher müssen wir zeigen, dass die (konstante) Nullabbildung die Eigenschaft besitzt, dass die lineare Abbildung ihre einzige lineare Approximation ist.  Wir nehmen daher an, dass

gilt, wobei linear und eine in stetige Funktion mit ist. Wenn nicht die Nullabbildung ist, so gibt es einen Vektor mit . Dann gilt für

Dies impliziert, dass für gilt. Die Norm von ist daher konstant gleich . Also gilt , ein Widerspruch.



Es seien und endlichdimensionale -Vektorräume und es sei eine offene Teilmenge. Es seien im Punkt differenzierbare Abbildungen mit den totalen Differentialen und .

Dann ist auch in differenzierbar und es gilt

Ebenso gilt für alle .

Sei und . Dann gilt

Wir erhalten also die gewünschte Gestalt, da auch in stetig mit ist. Der Beweis der zweiten Aussage ist ähnlich.



Es seien und endlichdimensionale -Vektorräume und eine offene Teilmenge. Es sei eine in differenzierbare Abbildung.

Dann ist auch stetig im Punkt .

Nach Definition gilt Die rechte Seite ist stetig (nach Definition und Fakt) in . Damit ist stetig in .