Zwischenwertsatz/Verfahren/Textabschnitt

Eine weit verbreitete, aber (ziemlich) falsche Vorstellung besagt, dass stetige Funktionen diejenigen sind, deren Graphen man mit dem Stift ohne abzusetzen zeichnen kann. Eine allerdings richtige Schlussfolgerung aus dieser Vorstellung ist, dass wenn eine stetige Funktion sowohl negative als auch positive Werte annimmt, sie dann auch die -Achse irgendwo durchstoßen muss und dass es daher eine Nullstelle geben muss. Dies ist der Inhalt des Zwischenwertsatzes.



Es seien reelle Zahlen und sei eine stetige Funktion. Es sei eine reelle Zahl zwischen und .

Dann gibt es ein mit .

Wir beschränken uns auf die Situation und zeigen die Existenz von einem solchen mit Hilfe einer Intervallhalbierung. Dazu setzt man und , betrachtet die Intervallmitte und berechnet

Bei setzt man

und bei setzt man

In jedem Fall hat das neue Intervall die halbe Länge des Ausgangsintervalls und liegt in diesem. Da es wieder die Voraussetzung erfüllt, können wir darauf das gleiche Verfahren anwenden und gelangen so rekursiv zu einer Intervallschachtelung. Sei die durch diese Intervallschachtelung gemäß Fakt definierte reelle Zahl. Für die unteren Intervallgrenzen gilt und das überträgt sich wegen der Stetigkeit nach dem Folgenkriterium auf den Grenzwert , also . Für die oberen Intervallgrenzen gilt und das überträgt sich ebenfalls auf , also .  Also ist .


Die in diesem Beweis beschriebene Methode ist konstruktiv und kann zu einem expliziten Verfahren ausgebaut werden.



Es seien reelle Zahlen und sei eine stetige Funktion mit und .

Dann gibt es ein mit und mit ,

d.h. besitzt eine Nullstelle zwischen und .

Dies folgt direkt aus Fakt.



Es seien reelle Zahlen und sei eine stetige Funktion mit und . Dann besitzt die Funktion aufgrund des Zwischenwertsatzes eine Nullstelle in diesem Intervall. Diese kann man wie im Beweis des Zwischenwertsatzes beschrieben durch eine Intervallhalbierung finden. Dazu setzt man und und betrachtet die Intervallmitte . Man berechnet

Bei setzt man

und bei setzt man

In jedem Fall hat das neue Intervall die halbe Länge des Ausgangsintervalls und liegt in diesem. Da es wieder die Voraussetzung erfüllt, können wir darauf das gleiche Verfahren anwenden und gelangen so rekursiv zu einer Intervallschachtelung. Die durch die Intervallschachtelung definierte reelle Zahl ist eine Nullstelle der Funktion.


Wir wollen eine Nullstelle des Polynoms

mit Hilfe von Bemerkung approximieren. Es ist und , es muss also nach Fakt eine Nullstelle im Intervall geben. Wir berechnen den Funktionswert an der Intervallmitte und erhalten

Wir müssen also mit dem rechten Teilintervall weitermachen. Dessen Intervallmitte ist . Der Funktionswert an dieser Stelle ist

Jetzt müssen wir mit dem linken Teilintervall weitermachen, dessen Mitte ist . Der Funktionswert an dieser Stelle ist

Somit wissen wir, dass es eine Nullstelle zwischen und gibt.


Mit der im Beweis des Zwischenwertsatzes verwendeten Intervallhalbierungsmethode kann man insbesondere auch Quadratwurzeln „ausrechnen“, also Folgen angeben, die gegen die Quadratwurzel konvergieren. Die Konvergenzgeschwindigkeit beim babylonischen Wurzelziehen ist aber deutlich höher.

Mit dem Zwischenwertsatz erhält man einen neuen Beweis für die Existenz von beliebigen Wurzeln aus nichtnegativen reellen Zahlen. Sei und . Man betrachtet die Funktion

die nach Fakt stetig ist. Es ist

und für hinreichend groß (beispielsweise für ) ist

Somit gibt es ein mit

also



Ein regelmäßiger quadratischer Tisch mit vier Beinen steht auf einem unebenen, aber stufenfreien Untergrund. Im Moment steht er auf den Beinen und das Bein ragt in die Höhe (wenn man in ihrer Position belässt und auf den Boden drückt, würde versinken). Wir behaupten, dass man den Tisch durch eine (maximal Viertel)-Drehung um die eigene Achse (sagen wir gegen den Uhrzeigersinn) in eine Position bringen kann, wo er auf allen vier Beinen steht (wobei der Tisch nicht unbedingt genau horizontal stehen muss). Dazu betrachten wir die Funktion, die einem Drehwinkel (zwischen und Grad) die Höhe des Beines über dem Grund zuordnet, wenn die drei übrigen Beine auf dem Boden stehen (würden). Dabei kann diese Höhe auch negativ werden (was sich bei einem sandigen Untergrund praktisch realisieren lässt; sonst denke man sich dies „virtuell“). Bei Grad ist die Höhe positiv. Bei Grad erhält man eine Situation, die symmetrisch zur Ausgangssposition ist, wobei aber nach wie vor die Beine auf dem Boden sein sollen. Wegen der in der Klammer formulierten Beobachtung muss die Höhe von negativ sein. Die Funktion hat also auf dem Intervall sowohl positive als auch negative Werte. Da sie wegen der Stufenfreiheit stetig ist, besitzt sie nach dem Zwischenwertsatz auch eine Nullstelle.



Die Abbildung

ist stetig, sie genügt aber nicht dem Zwischenwertsatz. Für ist und für ist , es gibt aber kein mit , da dafür sein muss, wofür es in keine Lösung gibt. Der Zwischenwertsatz funktioniert also nur für reelle Zahlen.


Unter den reellen Zahlen sind manche von den ganzen oder rationalen Zahlen her besser erfassbar als andere. Die rationalen Zahlen sind als Brüche mit ganzen Zahlen als Zähler und Nenner erfassbar, und man kann sie als Lösungen von Gleichungen der Form mit ganzzahligen Koeffizienten auffassen. Die Quadratwurzel ist eine irrationale Zahl, die aber die Gleichung erfüllt, welche über den ganzen Zahlen formulierbar ist. Dies gilt für alle Zahlen der Form mit , sie lösen die Gleichung bzw. sie sind eine Nullstelle des ganzzahligen Polynoms . Auch Wurzeln aus rationalen Zahlen kann man als eine Nullstelle eines ganzzahligen (wo alle Koeffizienten zu gehören) Polynoms ansehen. Es ist nämlich eine Nullstelle von . Man kann nun die Teilmenge der reellen Zahlen

betrachten. Dazu gehören alle Wurzeln aus rationalen Zahlen, aber noch viele weitere Zahlen darüber hinaus. Sobald ein ganzzahliges Polynom sowohl negative als auch positive Werte annimmt, gibt es nach dem Zwischenwertsatz auch eine Nullstelle und diese gehört nach Definition zu . Beispielsweise gehört die in Beispiel approximierte Nullstelle (zwischen und ) von zu dieser Menge. Da diese Zahlen durch ganzzahlige Polynome erfassbar sind, spricht man von reell-algebraischen Zahlen. Diese Zahlen bilden sogar einen Körper, den Körper der reell-algebraischen Zahlen, was keineswegs selbstverständlich ist. Beispielsweise bilden die Quadratwurzeln keinen Körper, es ist keine Quadratwurzel einer natürlichen Zahl, wohl aber eine reell-algebraische Zahl. Aufgrund von schwierigen Sätzen sind die Eulersche Zahl und die Kreiszahl nicht algebraisch, man spricht von transzendenten Zahlen.




Es sei ein reelles Intervall und eine stetige Funktion.

Dann ist auch das Bild ein Intervall.

Sei . Aus dem Zwischenwertsatz folgt sofort, dass wenn sind und mit gegeben ist, auch sein muss. Nach Aufgabe ist ein Intervall.