Differenzierbare Kurven/Vektorraum/2/Textabschnitt


Es sei ein reelles Intervall, ein euklidischer Vektorraum und

eine Abbildung. Dann heißt in differenzierbar, wenn der Limes

existiert. Dieser Limes heißt dann die Ableitung von in und wird mit

bezeichnet.

Die Ableitung ist selbst wieder ein Vektor in . Statt Ableitung spricht man auch vom Differentialquotienten in einem (Zeit)-Punkt . Bei versteht man unter der Tangente an zum Zeitpunkt die durch

gegebene Gerade.


Es sei ein reelles Intervall, ein euklidischer Vektorraum und

eine Abbildung. Dann heißt differenzierbar, wenn in jedem Punkt differenzierbar ist. Die Abbildung

heißt dann die Ableitung von .

Die Ableitung einer differenzierbaren Kurve ist damit selbst wieder eine Kurve. Wenn die Ableitung stetig ist, so nennt man die Kurve stetig differenzierbar. Wenn die Ableitung selbst differenzierbar ist, so nennt man die Ableitung der Ableitung die zweite Ableitung der Ausgangskurve.

Das folgende Lemma zeigt, dass dieser Differenzierbarkeitsbegriff nichts wesentlich neues ist, da er auf die Differenzierbarkeit von Funktionen in einer Variablen zurückgeführt werden kann.


Es sei ein reelles Intervall, ein euklidischer Vektorraum und

eine Abbildung. Es sei eine Basis von und es seien

die zugehörigen Komponentenfunktionen von . Es sei .

Dann ist genau dann differenzierbar in , wenn sämtliche Funktionen in differenzierbar sind.

In diesem Fall gilt

Sei , . Es ist

Nach Aufgabe existiert der Limes links für genau dann, wenn der entsprechende Limes rechts komponentenweise existiert.


Die vorstehende Aussage wird hauptsächlich für die Standardbasis des angewendet.


Die Kurve

ist in jedem Punkt differenzierbar, und zwar ist



Es sei eine differenzierbare Funktion auf einem reellen Intervall. Dann wird der Graph zu als Bahn durch die differenzierbare Kurve , , realisiert. Ihre Ableitung ist . Der Graph wird in horizontaler Richtung mit konstanter Geschwindigkeit durchlaufen und folgt vertikal dem Funktionsverlauf von .



Die trigonometrische Parametrisierung des Einheitskreises

besitzt nach Fakt und nach Fakt die Ableitung

Wegen

steht der Geschwindigkeitsvektor stets senkrecht auf dem Ortsvektor. Die Norm des Geschwindigkeitsvektors ist stets gleich , der Kreis wird also mit konstanter Geschwindigkeitsnorm durchlaufen.




Es sei ein reelles Intervall und ein euklidischer Vektorraum. Es seien

zwei in differenzierbare Kurven und es sei

eine in differenzierbare Funktion. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Die Summe

    ist in differenzierbar mit

  2. Das Produkt

    ist differenzierbar in mit

    Insbesondere ist für auch differenzierbar in mit

  3. Wenn nullstellenfrei ist, so ist auch die Quotientenfunktion

    in differenzierbar mit

Beweis

Siehe Aufgabe.

Man kann natürlich zwei Abbildungen nicht miteinander multiplizieren, sodass in der obigen Produktregel eine differenzierbare Kurve und eine differenzierbare Funktion auftreten. Ebenso muss die Kettenregel mit Bedacht formuliert werden.



Es seien und zwei reelle Intervalle, es sei

eine in differenzierbare Funktion und es sei

eine in differenzierbare Kurve in einem euklidischen Vektorraum .

Dann ist auch die zusammengesetzte Kurve

in differenzierbar und es gilt

Es seien die Komponentenfunktionen von bezüglich einer Basis von . Nach der Kettenregel in einer Variablen gilt

für jedes . Dies ist wegen Fakt die Behauptung.


In der vorstehenden Situation sollte man sich als eine Umparametrisierung der Zeit vorstellen. Die Bahn der Kurve bleibt erhalten, es ändert sich aber die Geschwindigkeit und eventuell die Orientierung, mit der die Bahn durchlaufen wird. Wenn , die Negation ist, so wird die Kurve mit umgekehrter Zeitrichtung durchlaufen. Die Aussage besagt in diesem Fall, dass die Ableitung der umgekehrten Kurve negiert werden muss.



Es sei ein reelles Intervall, und seien euklidische Vektorräume und es sei

eine differenzierbare Kurve. Es sei

eine lineare Abbildung.

Dann ist auch die zusammengesetzte Abbildung

differenzierbar und es gilt

Sei fixiert und sei , . Wegen der Linearität ist

D.h. der Differenzenquotient zu ist gleich dem Wert unter des Differenzenquotienten zu . Wegen der Voraussetzung und der Stetigkeit einer linearen Abbildung existiert der Limes links für , also existiert auch der Limes rechts, und das bedeutet, dass der Differentialquotient der zusammengesetzten Abbildung existiert und mit dem Wert unter des Differentialquotienten zu übereinstimmt.