Kurs:Einführung in die Algebra (Osnabrück 2009)/Vorlesung 27/kontrolle



Konstruierbare Einheitswurzeln

Es sei . Man sagt, dass das regelmäßige -Eck mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist, wenn die komplexe Zahl

eine konstruierbare Zahl ist.

Die Menge der komplexen Einheitswurzeln , , bilden die Eckpunkte eines regelmäßigen -Ecks, wobei eine Ecke bildet. Alle Eckpunkte liegen auf dem Einheitskreis. Die Ecke ist eine primitive Einheitswurzel; wenn diese mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist, so sind auch alle weiteren Eckpunkte konstruierbar, da diese ja Potenzen der primitiven Einheitswurzel sind. Das reguläre -Eck ist genau dann konstruierbar, wenn der -te Kreisteilungskörper ein Unterkörper der konstruierbaren Zahlen ist.

Bei kann man sich darüber streiten, ob man von einem regelmäßigen -Eck sprechen soll, jedenfalls gibt es die zugehörigen Einheitswurzeln und diese sind aus , also erst recht konstruierbar. Das regelmäßige Dreieck ist ein gleichseitiges Dreieck und dieses ist konstruierbar nach Beispiel 26.7, da der dritte Kreisteilungskörper eine quadratische Körpererweiterung von ist und die Menge der konstruierbaren Zahlen nach Satz 25.3 unter quadratischen Körpererweiterungen abgeschlossen ist.

(man kann einfacher auch direkt zeigen, dass ein gleichseitiges Dreieck aus seiner Grundseite heraus konstruierbar ist). Das regelmäßige Viereck ist ein Quadrat mit den Eckpunkten , und dieses ist ebenfalls konstruierbar. Das regelmäßige Fünfeck ist ebenfalls konstruierbar, wie in Beispiel 26.9 in Verbindung mit Satz 25.3 bzw. in Aufgabe 26.9 gezeigt wurde. Wir werden im Folgenden sowohl positive als auch negative Resultate zur Konstruierbarkeit von regelmäßigen -Ecken vorstellen. Zunächst untersuchen wir den Zusammenhang zwischen der Konstruierbarkeit des -Ecks und der Konstruierbarkeit des -Ecks, wenn ein Teiler von ist. In diesem Fall lässt sich das regelmßige -Eck in das regelmäßige -Eck einschreiben.

Konstruktion eines regulären Fünfecks mit Zirkel und Lineal



Lemma  Lemma 27.2 ändern

Es sei , . Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Das regelmäßige -Eck, , ist konstruierbar.
  2. Wenn das regelmäßige -Eck konstruierbar ist, so sind auch das regelmäßige -Eck und das regelmäßige -Eck konstruierbar.
  3. Wenn und teilerfremd sind und wenn das regelmäßige -Eck und das regelmäßige -Eck konstruierbar sind, so ist auch das regelmäßige -Eck konstruierbar.

(1) folgt daraus, dass eine Winkelhalbierung stets mit Zirkel und Lineal durchführbar ist.
(2). Nach Voraussetzung ist konstruierbar. Dann ist auch nach Satz 24.9 die Potenz

konstruierbar.
(3). Es seien nun und konstruierbar und und teilerfremd. Nach dem Lemma von Bezout gibt es dann ganze Zahlen mit . Daher ist auch

konstruierbar.

Aus diesem Lemma kann man in Zusammenhang mit den oben erwähnten Konstruktionsmöglichkeiten folgern, dass die regelmäßigen -Ecke, die regelmäßigen -Ecke und die regelmäßigen -Ecke für jedes konstruierbar sind. Wenn man die Zahl als

schreibt, so wird mit dem Lemma die Konstruierbarkeit des -Ecks auf die Konstruierbarkeit des regelmäßigen Ecks zu Prizmahlpotenzen zurückgeführt. Ein entscheidendes notwendiges Kriterium (das sich später auch als hinreichend erweist) für die Konstruierbarkeit wird im folgenden Satz formuliert.


Satz  Satz 27.3 ändern

Es sei eine natürliche Zahl derart, dass das regelmäßige -Eck konstruierbar ist.

Dann ist eine Zweierpotenz.

Die Voraussetzung besagt, dass die primitive Einheitswurzel konstruierbar ist. Dann muss nach Korollar 25.5 der Grad des Minimalpolynoms von eine Zweierpotenz sein. Nach Korollar 26.14 ist das Minimalpolynom von das -te Kreisteilungspolynom, und dieses hat den Grad . Also muss eine Zweierpotenz sein.



Winkeldreiteilung

Wir sind nun in der Lage, das Problem der Winkeldreiteilung zu beantworten.


Korollar  Korollar 27.4 ändern

Das regelmäßige -Eck ist

nicht mit Zirkel und Lineal konstruierbar.

Wäre das regelmäßige -Eck konstruierbar, so müsste nach Satz 27.3 eine Zweierpotenz sein. Es ist aber .



Es ist nicht möglich, einen beliebig vorgegebenen Winkel mittels Zirkel und Lineal in drei gleich große Teile zu unterteilen.

Es genügt, einen (konstruierbaren) Winkel derart anzugeben, dass nicht konstruierbar ist. Wir betrachten Grad, welcher konstruierbar ist, da die dritten Einheitswurzeln konstruierbar sind, weil sie nämlich in einer quadratischen Körpererweiterung von liegen. Dagegen ist der Winkel nicht konstruierbar, da andernfalls das regelmäßige -Eck konstruierbar wäre, was nach Korollar 27.4 aber nicht der Fall ist.


Wir geben noch einen weiteren Beweis, dass die Winkeldreiteilung mit Zirkel und Lineal nicht möglich ist, der nicht auf der allgemeinen Irreduzibilität der Kreisteilungspolynome beruht.


Lemma  Lemma 27.6 ändern

Es sei ein normiertes Polynom vom Grad ohne Nullstelle in .

Dann ist irreduzibel in .

Aufgrund von Fakt ***** und der Gradvoraussetzung genügt es zu zeigen, dass es keine Faktorzerlegung in mit geben kann.  Es sei also angenommen, dass ein Teiler von ist. Der Leitkoeffizient teilt den Leitkoeffizienten von , also , daher muss eine Einheit sein. Dann ist und somit ist eine Nullstelle im Widerspruch zur Voraussetzung.


Einfache Beispiele wie zeigen, dass ohne die Voraussetzung normiert die Aussage nicht stimmt. Dass ein ganzzahliges normiertes Polynom keine ganzzahligen Nullstellen besitzt, ist im Allgemeinen einfach zu zeigen. Für betragsmäßig groß kann man durch eine einfache Abschätzung zeigen, dass es dafür keine Nullstelle geben kann, und für in einem verbleibenden überschaubaren Bereich kann man durch explizites Ausrechnen feststellen, ob eine Nullstelle vorliegt oder nicht.

Wir zeigen direkt, dass man den Winkel Grad nicht konstruieren kann (obwohl man Grad konstruieren kann). Aufgrund der Additionstheoreme für die trigonometrischen Funktionen gilt

und damit

Also wird vom Polynom annulliert. Dieses Polynom hat keine ganzzahlige Nullstelle und ist daher nach Lemma 27.6 irreduzibel. Also muss es nach Lemma 21.13 das Minimalpolynom von sein. Daher kann nach Korollar 25.5 nicht konstruierbar sein und damit ebensowenig .




Fermatsche Primzahlen

Die Frage der Konstruierbarkeit von regelmäßigen -Ecken führt uns zu Fermatschen Primzahlen.


Eine Primzahl der Form , wobei eine positive natürliche Zahl ist, heißt Fermatsche Primzahl.

Es ist unbekannt, ob es unendlich viele Fermatsche Primzahlen gibt. Es ist noch nicht mal bekannt, ob es außer den ersten fünf Fermat-Zahlen

überhaupt weitere Fermatsche Primzahlen gibt.



Bei einer Fermatschen Primzahl hat der Exponent die Form mit einem .

Wir schreiben mit ungerade. Damit ist

Für ungerades gilt generell die polynomiale Identität (da eine Nullstelle ist)

Also ist ein Teiler von . Da diese Zahl nach Voraussetzung prim ist, müssen beide Zahlen gleich sein, und dies bedeutet .


Eine Fermatsche Primzahl ist nach diesem Lemma also insbesondere eine Fermat-Zahl im Sinne der folgenden Definition.


Eine Zahl der Form , wobei eine natürliche Zahl ist, heißt Fermat-Zahl.



Diese Torte wurde nicht mit Zirkel und Lineal geteilt.



Ein reguläres -Eck ist genau dann mit Zirkel und Lineal konstruierbar, wenn die Primfaktorzerlegung von die Gestalt

hat, wobei die verschiedene Fermatsche Primzahlen sind.

Beweis

Wir zeigen nur die eine Richtung, dass bei einem konstruierbaren regelmäßigen -Eck die Zahl die angegebene numerische Bedingung erfüllen muss.

Es sei die Primfaktorzerlegung von mit den verschiedenen ungeraden Primzahlen , , und positiven Exponenten (und ). Nach Satz 27.3 muss die eulersche Funktion eine Zweierpotenz sein, also

Andererseits gilt nach Korollar 15.6 die Beziehung

(bei ist der Ausdruck zu streichen). Da dies eine Zweierpotenz sein muss, dürfen die ungeraden Primzahlen nur mit einem Exponenten (oder ) auftreten. Ferner muss jede beteiligte Primzahl die Gestalt haben, also eine Fermatsche Primzahl sein.


Für die andere Richtung muss man aufgrund von Lemma 27.2 lediglich zeigen, dass für eine Fermatsche Primzahl das regelmäßige -Eck konstruierbar ist. Dies haben wir für explizit getan. Gauss selbst hat eine Konstruktion für das reguläre -Eck angegeben. Für die anderen Fermatschen Primzahlen (bekannt oder nicht)

folgt die Konstruierbarkeit aus der Galoistheorie.



<< | Kurs:Einführung in die Algebra (Osnabrück 2009) | >>

PDF-Version dieser Vorlesung

Arbeitsblatt zur Vorlesung (PDF)