Kurs:Funktionentheorie (Osnabrück 2023-2024)/Vorlesung 6



Komplexe Reihen

Man sagt, dass eine Reihe von komplexen Zahlen konvergiert, wenn die Folge der Partialsummen

konvergiert.



Es seien

konvergente Reihen von komplexen Zahlen mit den Summen und . Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Die Reihe mit ist ebenfalls konvergent mit der Summe .
  2. Für ist auch die Reihe mit konvergent mit der Summe .

Beweis

Siehe Aufgabe 6.2.



Es sei

eine Reihe von komplexen Zahlen.

Dann ist die Reihe genau dann konvergent, wenn das folgende Cauchy-Kriterium erfüllt ist: Zu jedem gibt es ein derart, dass für alle die Abschätzung

gilt.

Beweis

Siehe Aufgabe 6.3.



Es sei

eine konvergente Reihe von komplexen Zahlen.

Dann ist

Beweis

Siehe Aufgabe 6.5.



Eine Reihe

von komplexen Zahlen heißt absolut konvergent, wenn die Reihe

konvergiert.



Es sei eine konvergente Reihe von reellen Zahlen und eine Folge komplexer Zahlen mit für alle .

Dann ist die Reihe

absolut konvergent.

Das folgt direkt aus dem Cauchy-Kriterium.



Es sei eine absolut konvergente komplexe Reihe.

Dann konvergiert jede Umordnung der Reihe gegen den gleichen Grenzwert.

Beweis

Siehe Aufgabe 6.12.


Der Beweis der beiden folgenden Kriterien, Quotientenkriterium und Wurzelkriterium, verwendet die Konvergenz der geometrischen Reihe, an die wir in Satz 7.3 erinnern.


Es sei

eine Reihe von komplexen Zahlen. Es gebe eine reelle Zahl mit und ein mit

für alle (Insbesondere sei für ).

Dann konvergiert die Reihe absolut.

Beweis

Siehe Aufgabe 6.6.



Es sei eine komplexe Reihe. Es gebe ein reelles , , mit

für alle .

Dann konvergiert die Reihe absolut.

Beweis

Siehe Aufgabe 6.7.



Zu Reihen und komplexer Zahlen heißt die Reihe

das Cauchy-Produkt der beiden Reihen.



Es seien

zwei absolut konvergente Reihen komplexer Zahlen.

Dann ist auch das Cauchy-Produkt absolut konvergent und für die Summe gilt

Beweis

Siehe Aufgabe 6.9.



Summierbarkeit

Bei einer Reihe sind die aufzusummierenden Glieder durch die natürlichen Zahlen geordnet. Häufig kommt es vor, dass diese Ordnung verändert wird. Dabei kann sich sowohl die Summe als auch die Eigenschaft, ob eine konvergente Reihe vorliegt, ändern, allerdings nicht, wenn die Reihe absolut konvergent ist, siehe Aufgabe 9.16 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) und Aufgabe 6.12. Wenn man sich für die Summe der Kehrwerte aller Primzahlen interessiert, so ist es natürlicher, dies direkt als die Summe aufzufassen, anstatt die Primzahlen durchzunummerieren, um eine durch die natürlichen Zahlen indizierte Reihe zu haben. Wenn man zwei absolut konvergente Reihen und multiplizieren möchte, so geht es nach der Regel, jeden Summanden mit jedem Summanden zu multiplizieren, um die Summe aller Einzelprodukte , , wobei eben die natürliche Indexmenge ist, für die es keine naheliegende Ordung gibt. In der Definition von Cauchy-Produkt werden die Produkte mit konstanter Indexsumme zusammengefasst, um eine Summationsreihenfolge festzulegen, es gibt aber auch noch viele andere Möglichkeiten. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, einen Summationsbegriff zu besitzen, der unabhängig von jeder Ordnung der Indexmenge ist. Die Familie sei als  , , gegeben. Für jede endliche Teilmenge kann man die zugehörigen Glieder aufsummieren, und wir setzen

Eine sinnvolle Aufsummierung der gesamten Familie muss auf diese endlichen Teilsummen Bezug nehmen.


Es sei eine Indexmenge und , , eine Familie von komplexen Zahlen. Diese Familie heißt summierbar, wenn es ein mit folgender Eigenschaft gibt: Zu jedem gibt es eine endliche Teilmenge derart, dass für alle endlichen Teilmengen mit die Beziehung

gilt. Dabei ist . Im summierbaren Fall heißt die Summe der Familie.


Es sei eine Indexmenge und , , eine Familie von komplexen Zahlen. Diese Familie heißt eine Cauchy-Familie, wenn es zu jedem eine endliche Teilmenge derart gibt, dass für jede endliche Teilmenge mit die Beziehung

gilt. Dabei ist .



Es sei eine Indexmenge und , , eine Familie von komplexen Zahlen.

Dann ist die Familie genau dann summierbar, wenn sie eine Cauchy-Familie ist.

Es sei zunächst die Familie summierbar mit der Summe , und sei vorgegeben. Zu gibt es eine endliche Teilmenge derart, dass für alle endlichen Mengen mit die Abschätzung gilt. Für jede zu disjunkte endliche Teilmenge gilt dann

sodass die Cauchy-Bedingung erfüllt ist.
Es sei nun  , , eine Cauchy-Familie. Wir brauchen zunächst einen Kandidaten für die Summe. Für jedes gibt es eine endliche Teilmenge derart, dass für jede endliche Teilmenge mit die Abschätzung gilt. Wir können annehmen, dass für alle gilt. Wir setzen

Für gilt

da die Menge disjunkt zu ist. Daher ist eine Cauchy-Folge und somit wegen der Vollständigkeit von konvergent gegen ein .
Wir behaupten, dass die Familie summierbar ist mit der Summe . Es sei dazu ein vorgegeben. Es gibt mit . Dann ist wegen der Folgenkonvergenz und der Abschätzung von eben . Für jedes endliche schreiben wir  mit . Damit gelten die Abschätzungen



Es sei  , , eine summierbare Familie komplexer Zahlen und eine Teilmenge.

Dann ist auch  , , summierbar.

Beweis

Siehe Aufgabe 6.13.



Es sei , , eine summierbare Familie von komplexen Zahlen mit der Summe . Es sei eine weitere Indexmenge und zu jedem sei eine Teilmenge gegeben mit und für .

Dann sind die Teilfamilien , , summierbar und für ihre Summen gilt, dass die Familie , , summierbar ist mit

Die Summierbarkeit der Teilfamilien folgt aus Korollar 6.15. Es sei vorgegeben. Da die Ausgangsfamilie summierbar ist, gibt es eine endliche Teilmenge mit

für alle endlichen Teilmengen  mit . Es gibt eine endliche Teilmenge derart, dass

ist. Wir behaupten, dass dieses für die Familie  , , die Summationseigenschaft für erfüllt. Es sei dazu  mit endlich und . Da die Familien  , , summierbar mit den Summen sind, gibt es für jedes ein endliches mit

für alle endlichen  mit . Wir wählen nun für jedes ein solches so, dass zusätzlich gilt. Dann ist und daher . Somit haben wir insgesamt die Abschätzungen



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