Kurs:Mathematik (Osnabrück 2009-2011)/Teil III/Vorlesung 84/latex

\setcounter{section}{84}

Wir kommen nun zur Integrationstheorie auf Mannigfaltigkeiten. Ausgangspunkt dafür ist, dass auf einer Mannigfaltigkeit der Dimension $n$ eine $n$-Form gegeben ist. Bei einer offenen Teilmenge
\mathl{V \subseteq \R^n}{} mit den Koordinaten
\mathl{x_1 , \ldots , x_n}{} entspricht dabei die Integration bezüglich der Form
\mathl{dx_1 \wedge \ldots \wedge dx_n}{} der Integration bezüglich des Lebesgue-Maßes. Bei einer Mannigfaltigkeit muss man die Form und das zugehörige Maß \anfuehrung{zusammenkleben}{.}






\zwischenueberschrift{Positive Volumenform auf einer Mannigfaltigkeit}

In der folgenden Definition bezeichnen wir zu einer Karte \maabb {\alpha} {U} {V } {} und einer Differentialform $\omega$ auf $U$ die nach $V$ transportierte Differentialform mit
\mathl{\alpha_* \omega}{.} Das ist dasselbe wie die zurückgezogene Form
\mathl{\alpha^{-1 *} \omega}{.}


\inputdefinition
{}
{

Es sei $M$ eine $n$-\definitionsverweis {dimensionale}{}{} \definitionsverweis {differenzierbare Mannigfaltigkeit}{}{} und $\omega$ eine \definitionsverweis {messbare}{}{} $n$-\definitionsverweis {Differentialform}{}{} auf $M$. Dann heißt $\omega$ eine \definitionswort {positive Volumenform}{,} wenn für jede \definitionsverweis {Karte}{}{} \zusatzklammer {eines gegebenen Atlases} {} {} \maabbdisp {\alpha} {U} {V } {} \zusatzklammer {mit
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{ V }
{ \subseteq }{ \R^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und Koordinatenfunktionen \mathlk{x_1 , \ldots , x_n}{}} {} {} in der lokalen Darstellung der Differentialform
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \alpha_* \omega }
{ =} { f dx_1 \wedge \ldots \wedge dx_n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} die Funktion $f$ überall positiv ist.\zusatzfussnote {Die zur Karte $U$ gehörenden Funktionen $f$, die hier mit der $n$-Standardform multipliziert werden, entsprechen den am Ende der 82sten Vorlesung erwähnten Dichten, mit denen ein Maß auf der Mannigfaltigkeit beschrieben werden kann} {.} {}

}

Eine solche positive Volumenform kann es nur geben, wenn die Mannigfaltigkeit \definitionsverweis {orientierbar}{}{} ist \zusatzklammer {siehe Lemma 84.5 weiter unten} {} {.}





\inputfaktbeweis
{Mannigfaltigkeit/Abzählbar/Positive Volumenform/Zugehöriges Maß/Vorbereitende Eigenschaften/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $M$ eine $n$-\definitionsverweis {dimensionale}{}{} \definitionsverweis {differenzierbare Mannigfaltigkeit}{}{} mit \definitionsverweis {abzählbarer Basis der Topologie}{}{} und es sei $\omega$ eine \definitionsverweis {positive Volumenform}{}{} auf $M$. Zu einer Karte \maabbdisp {\alpha} {U} {V } {} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \alpha_* ( \omega {{|}}_U) }
{ = }{ fdx_1 \wedge \ldots \wedge dx_n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und einer \definitionsverweis {messbaren Teilmenge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T }
{ \subseteq }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} setzen wir
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \nu ( \alpha,T ) }
{ \defeq} { \int_{ \alpha(T) } f \, d \lambda^n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{}}
\faktuebergang {Dann gelten folgende Eigenschaften.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungdrei{Wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T }
{ \subseteq }{ U_1,U_2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} zwei Kartenumgebungen sind, so ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \nu(\alpha_1,T) }
{ = }{ \nu(\alpha_2,T) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{Zu einer messbaren Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T }
{ \subseteq }{ M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es eine \definitionsverweis {abzählbare}{}{} \definitionsverweis {disjunkte Vereinigung}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T }
{ = }{ \biguplus_{i \in I} T_i }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart, dass jedes $T_i$ ganz in einer Karte $U_i$ liegt. }{Die Summe
\mathl{\sum_{i \in I} \nu( \alpha_i ,T_i)}{} ist unabhängig von der gewählten abzählbaren disjunkten Zerlegung in (2). }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

\teilbeweis {}{}{}
{(1). Wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T }
{ \subseteq }{ U_1 \cap U_2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} können wir
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ = }{ U_1 }
{ = }{ U_2 }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} annehmen \zusatzklammer {aber mit unterschiedlichen Kartenabbildungen \mathkor {} {\alpha_1} {und} {\alpha_2} {} nach \mathkor {} {V_1} {bzw.} {V_2} {}} {} {.} Es sei \maabbdisp {\psi=\alpha_2 \circ \alpha_1^{-1}} { V_1} {V_2 } {} der \definitionsverweis {diffeomorphe Kartenwechsel}{}{.} Dann gelten nach Satz 75.3 und nach Korollar 83.9, und da wegen der Positivität von
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f_1 }
{ = }{ (f_2 \circ \psi) \det { \left( D \psi \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und von $f_2$ auch die Determinante positiv ist, die Gleichheiten
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ \nu(\alpha_2,T) }
{ =} { \int_{ \alpha_2(T) } f_2 \, d \lambda^n }
{ =} { \int_{ \alpha_1(T) } ( f_2 \circ \psi) {{|}} \det { \left( D \psi \right) } {{|}} \, d \lambda^n }
{ =} { \int_{ \alpha_1(T) } ( f_2 \circ \psi) \cdot \det { \left( D \psi \right) } \, d \lambda^n }
{ =} { \int_{ \alpha_1(T) } f_1 \, d \lambda^n }
} {
\vergleichskettefortsetzungalign
{ =} { \nu(\alpha_1,T) }
{ } {}
{ } {}
{ } {}
}{}{.}}
{} \teilbeweis {}{}{}
{(2). Es sei
\mathbed {U_n} {}
{n \in \N} {}
{} {} {} {,} eine abzählbarer Atlas. Dann kann man die Mengen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T_n }
{ = }{ T \cap (U_n \setminus \bigcup_{m < n} U_m ) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} nehmen.}
{} \teilbeweis {}{}{}
{(3). Es seien
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T }
{ = }{ \biguplus_{i \in I} T_i }
{ = }{ \biguplus_{j \in J} S_j }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} zwei abzählbare disjunkte messbare Zerlegungen, deren Glieder jeweils in Karten enthalten seien. Die Karten seien einerseits
\mathl{(U_i, \alpha_i)}{} mit den die Form beschreibenden Funktionen $f_i$ und andererseits
\mathl{(V_j, \beta_j)}{} mit den die Form beschreibenden Funktionen $g_j$. Wir betrachten die ebenfalls abzählbare Zerlegung, die durch die Mengen
\mathbed {T_i \cap S_j} {}
{(i,j) \in I \times J} {}
{} {} {} {,} gegeben ist. Nach Lemma 71.1 \zusatzklammer {angewendet auf die einzelnen Kartenbilder} {} {} gilt dann unter Verwendung von Teil (1)
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ \sum_{i \in I } { \left( \int_{ \alpha_i(T_i) } f_i \, d \lambda^n \right) } }
{ =} { \sum_{i \in I } { \left( \sum_{j \in J} \int_{ \alpha_i(T_i \cap S_j) } f_i \, d \lambda^n \right) } }
{ =} { \sum_{i \in I } { \left( \sum_{j \in J} \int_{ \beta_j(T_i \cap S_j) } g_j \, d \lambda^n \right) } }
{ =} { \sum_{j \in J } { \left( \sum_{i \in I} \int_{ \beta_j(T_i \cap S_j) } g_j \, d \lambda^n \right) } }
{ =} { \sum_{j \in J } { \left( \int_{ \beta_j(S_j) } g_j \, d \lambda^n \right) } }
} {}{}{.}}
{}

}





\inputdefinition
{}
{

Es sei $M$ eine $n$-\definitionsverweis {dimensionale}{}{} \definitionsverweis {differenzierbare Mannigfaltigkeit}{}{} mit einer \definitionsverweis {abzählbaren Basis der Topologie}{}{} und es sei $\omega$ eine \definitionsverweis {positive Volumenform}{}{} auf $M$. Dann heißt die für jede \definitionsverweis {Borelmenge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T }
{ \subseteq }{ M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} durch eine \definitionsverweis {abzählbare}{}{} \definitionsverweis {Zerlegung}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T }
{ = }{ \biguplus_{i \in I} T_i }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {wobei
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{ T_i }
{ \subseteq }{U_i }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein offenes Kartengebiet und
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{ \alpha_{i*} \omega }
{ = }{ f_i dx_1 \wedge \ldots \wedge dx_n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist} {} {} definierte Zahl
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \int_{ T } \omega }
{ =} { \sum_{i \in I} \int_{ \alpha_i(T_i) } f_i \, d \lambda^n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} \zusatzklammer {aus $\overline{ \R }_{\geq 0}$} {} {} das \definitionswort {Maß}{} von $T$ zu $\omega$ oder das \definitionswort {Integral}{} von $\omega$ über $T$.

} Nach dem vorstehenden Lemma ist dieses Volumenmaß wohldefiniert. Nach Aufgabe 84.2 handelt es sich um ein $\sigma$-\definitionsverweis {endliches Maß}{}{.}


\inputfaktbeweis
{Volumenform/Integration/Eigenschaften/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $M$ eine $n$-\definitionsverweis {dimensionale}{}{} \definitionsverweis {differenzierbare Mannigfaltigkeit}{}{} mit einer \definitionsverweis {abzählbaren Basis der Topologie}{}{} und es seien \mathkor {} {\omega_1} {und} {\omega_2} {} \definitionsverweis {positive Volumenformen}{}{} auf $M$.}
\faktfolgerung {Dann gilt für jede \definitionsverweis {messbare Teilmenge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{T }
{ \subseteq }{M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a,b }
{ \in }{\R_+ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Beziehung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \int_{ T } (a \omega_1 + b \omega_2) }
{ =} {a \int_{ T } \omega_1 + b \int_{ T } \omega_2 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 84.5. }







\zwischenueberschrift{Volumenformen und Orientierung}

Die Existenz einer stetigen nullstellenfreien Volumenform auf einer Mannigfaltigkeit hängt eng mit ihrer Orientierbarkeit zusammen. Von der folgenden Aussage werden wir in Satz 89.10 auch die Umkehrung beweisen.





\inputfaktbeweis
{Nullstellenfreie Volumenform/Impliziert orientierte (Karten) Mannigfaltigkeit/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $M$ eine $m$-\definitionsverweis {dimensionale}{}{} \definitionsverweis {differenzierbare Mannigfaltigkeit}{}{} und}
\faktvoraussetzung {$\omega$ eine \definitionsverweis {stetige}{}{} nullstellenfreie \definitionsverweis {Volumenform}{}{} auf $M$.}
\faktfolgerung {Dann gibt es einen \zusatzklammer {diffeomorph-äquivalenten} {} {} \definitionsverweis {orientierten Atlas}{}{} für $M$ derart, dass $\omega$ eine \definitionsverweis {positive Volumenform}{}{} bezüglich dieses Atlases wird.}
\faktzusatz {Insbesondere ist $M$ \definitionsverweis {orientierbar}{}{.}}
\faktzusatz {}

}
{

Zu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} betrachtet man \definitionsverweis {Kartengebiete}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit der Eigenschaft, dass $U$ homöomorph zu einem offenen Ball
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V }
{ \subseteq }{ \R^m }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist. Es ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \bigwedge^m TU }
{ \cong} { \bigwedge^m TV }
{ \cong} { V \times \bigwedge^m \R^m }
{ \cong} { V \times \R }
{ } { }
} {}{}{} mittels
\mathl{\bigwedge^m T (\alpha)}{.} Dabei ist die hintere Isomorphie durch die Standardbasis mit den Koordinaten
\mathl{x_1 , \ldots , x_m}{} gegeben. Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \alpha_* \omega }
{ = }{ fdx_1 \wedge \ldots \wedge dx_m }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die zugehörige $1$-Differentialform auf $V$. Diese Form ist nullstellenfrei, und da $V$ \definitionsverweis {zusammenhängend}{}{} ist, ist $f$ nach dem Zwischenwertsatz positiv oder negativ. Im negativen Fall ersetzen wir die Karte, indem wir ein Basiselement durch sein Negatives ersetzen. Dadurch gewinnen wir für jeden Punkt eine Kartenumgebung, auf der die Form positiv ist. Zu zwei Karten \maabb {\alpha} {U} {V } {} und \maabb {\beta} {U} {V' } {} mit der Übergangsabbildung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \psi }
{ = }{ \beta \circ \alpha^{-1} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und den lokalen Beschreibungen \mathkor {} {\alpha_*\omega =f dx_1 \wedge \ldots \wedge dx_m} {und} {\beta_*\omega =g dy_1 \wedge \ldots \wedge dy_m} {} gilt dann wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \psi^* (\beta_*\omega) }
{ = }{ \alpha_* \omega }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} nach Korollar 83.9 die Beziehung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f }
{ = }{ g \circ \psi \det { \left( D \psi \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Da \mathkor {} {f} {und} {g} {} positiv sind, muss auch die Determinante positiv sein, sodass die Übergangsabbildung \definitionsverweis {orientierungstreu}{}{} und die Mannigfaltigkeit somit \definitionsverweis {orientiert}{}{} ist.

}





\inputfaktbeweis
{Differenzierbare reguläre Abbildung/R^n/Faser besitzt Volumenform über Gradienten/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ G }
{ \subseteq }{ \R^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} offen und sei \maabbdisp {\varphi} {G} {\R^\ell } {} \zusatzklammer {mit
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{ m }
{ = }{ n - \ell }
{ \geq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}} {} {} eine \definitionsverweis {stetig differenzierbare Abbildung}{}{,}}
\faktvoraussetzung {die in jedem Punkt der \definitionsverweis {Faser}{}{} $M$ über
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ 0 }
{ \in }{ \R^\ell }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \definitionsverweis {regulär}{}{} sei.}
\faktfolgerung {Dann ist die Abbildung \maabbeledisp {} {\bigwedge^{m} T_PM } { \R } {v_1 \wedge \ldots \wedge v_m } { \det ( \operatorname{Grad} \, \varphi_1 ( P ) , \ldots , \operatorname{Grad} \, \varphi_\ell ( P ), v_1 , \ldots , v_m) } {,} in jedem Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine Isomorphie, wodurch eine stetige nullstellenfreie Volumenform auf $M$ gegeben ist.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Bei dieser Abbildung werden die Vektoren
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ v_i }
{ \in }{ T_PM }
{ \subseteq }{ T_P \R^n }
{ = }{ \R^n }
{ }{ }
} {}{}{} und die Gradienten als Vektoren in $\R^n$ aufgefasst. Nach Aufgabe 81.12 und nach Korollar 80.7 ist die Abbildung wohldefiniert und linear. Der Ausgangsraum der Abbildung ist wie der Zielraum eindimensional. Es sei
\mathl{v_1 , \ldots , v_m}{} eine \definitionsverweis {Basis}{}{} von
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ T_PM }
{ =} { \operatorname{kern} \left(D\varphi\right)_{P} }
{ =} { ( \operatorname{Grad} \, \varphi_1 ( P ) , \ldots , \operatorname{Grad} \, \varphi_\ell ( P ) ) ^{ { \perp } } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Da die Abbildung regulär ist, sind die Gradienten untereinander \definitionsverweis {linear unabhängig}{}{,} und wegen der Orthogonalitätsbeziehung erst recht linear unabhängig zu den $v_i$. Daher liegt insgesamt eine Basis des $\R^n$ vor, sodass nach Satz 14.13 die Determinante $\neq 0$ ist. Die Abhängigkeit dieser Volumenform vom Basispunkt $P$ ist stetig, wie aus der Stetigkeit der Gradienten, der Stetigkeit der Determinante und dem Satz über implizite Abbildungen folgt.

}







\inputbemerkung
{}
{

In der Situation von Korollar 84.6 erhält man nicht nur eine nullstellenfreie Volumenform, sondern auch eine Orientierung auf jedem Tangentialraum und überhaupt eine orientierte Mannigfaltigkeit. Man definiert die Orientierung auf
\mathl{T_PM}{} dadurch, dass man festlegt, dass eine Basis
\mathl{v_1 , \ldots , v_m}{} die Orientierung repräsentiert, wenn die erweiterte Basis
\mathl{\operatorname{Grad} \, \varphi_1 ( P ) , \ldots , \operatorname{Grad} \, \varphi_\ell ( P ), v_1 , \ldots , v_m}{} die Standardorientierung des $\R^n$ repräsentiert. Diese Festlegung hängt von $\varphi$ ab. Wenn man beispielsweise $\varphi$ durch $- \varphi$ ersetzt, so ändert sich bei ungeradem $\ell$ die Orientierung.

}




\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten die $2$-\definitionsverweis {Sphäre}{}{} $S^2$ als \definitionsverweis {Faser}{}{} über $0$ zur \definitionsverweis {differenzierbaren Abbildung}{}{} \maabbeledisp {\varphi} {\R^3} {\R } {(x,y,z)} {x^2+y^2+z^2-1 } {.} Wir können darauf Korollar 84.6 anwenden und erhalten durch \maabbeledisp {} {\bigwedge^2 T_P S^2} {\R } {v_1 \wedge v_2} { \det ( \operatorname{Grad} \, \varphi(P),v_1,v_2) } {,} \zusatzklammer {wobei die Tangentenvektoren \mathkor {} {v_1} {und} {v_2} {} wegen
\mathl{T_PS^2 \subseteq T_P\R^3=\R^3}{} direkt im $\R^3$ aufgefasst werden können} {.} {,} eine stetige nullstellenfreie \definitionsverweis {Flächenform}{}{} $\omega$. Dies führt zu einer \definitionsverweis {positiven Flächenform}{}{} und zu einer \definitionsverweis {Orientierung}{}{} auf $S^2$. Zwei linear unabhängige Tangentialvektoren \mathkor {} {v_1} {und} {v_2} {} repräsentieren die Orientierung, wenn
\mathl{\omega(v_1,v_2) >0}{} ist, und dies ist genau dann der Fall, wenn die drei Vektoren
\mathl{\operatorname{Grad} \, \varphi(P),\, v_1,\, v_2}{} die \definitionsverweis {Standardorientierung}{}{} des $\R^3$ repräsentieren.


}






\zwischenueberschrift{Integration längs einer differenzierbaren Abbildung}

Auf einer $n$-dimensionalen Mannigfaltigkeit $M$ sind nur $n$-Formen über $M$ sinnvoll integrierbar. Man möchte aber auch $k$-Formen \zusatzklammer {\mathlk{1 \leq k \leq n}{}} {} {} über gewisse $k$-dimensionale Unterobjekte integrieren können. Das passende Konzept ist dabei die Integration längs einer differenzierbaren Abbildung \maabbdisp {\varphi} {L} {M } {} einer $k$-dimensionalen Mannigfaltigkeit $L$. Dabei integriert man über $L$ einfach die mit $\varphi$ \definitionsverweis {zurückgezogene Differentialform}{}{}
\mathl{\varphi^* \omega}{} zu einer Form
\mathl{\omega \in { \mathcal E }^{ k } ( M )}{.} Auf $L$ passen dabei die Dimension und der Grad der Form zusammen. Ein wichtiger Spezialfall ist dabei der von $1$-Formen und differenzierbaren Kurven \maabbdisp {\gamma} {I} {M } {,} die dabei entstehenden Integrale nennt man \stichwort {Wegintegrale} {.}





\inputdefinition
{}
{

Es sei $M$ eine \definitionsverweis {differenzierbare Mannigfaltigkeit}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \omega }
{ \in }{ { \mathcal E }^{ 1 } ( M ) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine $1$-\definitionsverweis {Differentialform}{}{.} Es sei \maabbdisp {\gamma} {[a,b]} {M } {} eine \definitionsverweis {stetig differenzierbare Kurve}{}{.} Dann heißt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \int_\gamma \omega }
{ \defeq} { \int_{ [a,b] } \gamma^* \omega }
{ =} { \int_{ a }^{ b } \omega ( \gamma(t); \gamma'(t)) \, d t }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} das \definitionswort {Wegintegral}{} von $\omega$ längs $\gamma$.

}






\inputbemerkung
{}
{

Im physikalischen Kontext beschreibt eine reellwertige $1$-\definitionsverweis {Differentialform}{}{} \zusatzklammer {bzw. ihre duale Version, ein Vektorfeld} {} {} eine Kraft; das \definitionsverweis {Wegintegral}{}{} ist dann der \stichwort {Arbeitsaufwand} {} oder die \stichwort {Energie} {,} die gebraucht oder freigesetzt wird, wenn sich ein Teilchen auf dem Weg bewegt.

}

Häufig werden wir Differentialformen auf einer abgeschlossenen Untermannigfaltigkeit
\mathl{M \subseteq G}{,} $G$ offen in $\R^n$, betrachten, die sogar auf $G$ definiert sind und daher die Gestalt
\mathl{\omega = \sum_{i=1}^n g_i d x_i}{} besitzen, wobei die $x_i$ die Koordinaten des $\R^n$ und die $g_i$ auf $G$ definierte Funktionen sind. Für einen Weg in $M$ ist es nach Aufgabe 84.7 gleichgültig, ob man das Wegintegral mit Bezug auf \mathkor {} {G} {und} {\omega} {} oder mit Bezug auf \mathkor {} {M} {und die eingeschränkte Differentialform} {\omega {{|}}_M} {} betrachtet.






\inputbemerkung
{}
{

Ein \definitionsverweis {Wegintegral}{}{} wird folgendermaßen berechnet. Es sei $\omega$ eine $1$-Form auf
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ G }
{ \subseteq }{ \R^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} offen, die durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \omega }
{ =} { g_1dx_1 + \cdots + g_ndx_n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} beschrieben werde, wobei die \maabb {g_j} {G} {\R } {} messbare Funktionen sind. Es sei eine \definitionsverweis {stetig differenzierbare Kurve}{}{} \maabb {\gamma} {[a,b]} {G } {} gegeben mit den \zusatzklammer {stetig differenzierbaren} {} {} \definitionsverweis {Komponentenfunktionen}{}{} $\gamma_j$. Die \definitionsverweis {Ableitung}{}{} in einem Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ t }
{ \in }{ [a,b] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} wird dann nach Lemma 40.4 durch den Vektor
\mathl{\left( \gamma_1'(t) , \, \ldots , \, \gamma_n'(t) \right)}{} beschrieben. Die \definitionsverweis {zurückgezogene Differentialform}{}{}
\mathl{\gamma^* \omega}{} hat dann im Punkt $t$ in Richtung $1$ den Wert
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ \omega(\gamma(t); \gamma'(t)) }
{ =} { { \left( g_1(\gamma(t))dx_1 + \cdots + g_n(\gamma(t))dx_n \right) } \begin{pmatrix} \gamma_1'(t) \\\vdots \\ \gamma_n'(t) \end{pmatrix} }
{ =} { g_1(\gamma(t)) \gamma_1'(t) + \cdots + g_n(\gamma(t)) \gamma_n'(t) }
{ } { }
{ } { }
} {} {}{.} Im mittleren Ausdruck wird eine \definitionsverweis {Linearform}{}{} auf einen Vektor angewendet. In
\mathl{g_j(x_1 , \ldots , x_n)}{} wird also \mathkor {} {x_i} {durch} {\gamma_i(t)} {} und \mathkor {} {dx_i} {durch} {\gamma_i'(t) dt} {} ersetzt. Das Gesamtergebnis ist eine messbare $1$-Form auf
\mathl{[a,b]}{} bzw. eine messbare Funktion von
\mathl{[a,b]}{} nach $\R$, die man integrieren kann.

}




\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten die Differentialform
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \omega }
{ =} { { \left( xy+z^2 \right) } dx+zdy+x^3dz }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} auf dem $\R^3$ und den \definitionsverweis {affin-linearen Weg}{}{} \maabbeledisp {\gamma} {[0,1]} {\R^3 } {t} {(1,2,0) +t(3,0,2) = (1+3t,2,2t) } {.} Die unter $\gamma$ \definitionsverweis {zurückgenommene Differentialform}{}{} $\gamma^* \omega$ ist
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ { \left( { \left( (1+3t)2 + (2t)^2 \right) } dx + 2tdy + (1+3t)^3 dz \right) } \begin{pmatrix} 3 \\0\\ 2 \end{pmatrix} }
{ =} { { \left( 3 ((1+3t)2 + (2t)^2) + 2(1+3t)^3 \right) } dt }
{ =} { { \left( 12t^2+18t+6+54t^3+54t^2+18t+2 \right) } dt }
{ =} { { \left( 54t^3+66t^2+36t+8 \right) } dt }
{ } { }
} {} {}{.} Für das Integral über dem Einheitsintervall ergibt sich
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{ \int_{ 0 }^{ 1 } 54t^3+66t^2+36t+8 \, d t }
{ =} { { \left( { \frac{ 27 }{ 2 } } t^4 + 22 t^3 + 18t^2 +8t \right) } | _{ 0 } ^{ 1 } }
{ =} { { \frac{ 123 }{ 2 } } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}


}




<< | Kurs:Mathematik (Osnabrück 2009-2011)/Teil III | >>

PDF-Version dieser Vorlesung

Arbeitsblatt zur Vorlesung (PDF)