Kurs:Algebraische Kurven (Osnabrück 2008)/Vorlesung 4



Irreduzible affin-algebraische Mengen

Eine affin-algebraische Menge heißt irreduzibel, wenn ist und es keine Zerlegung mit affin-algebraischen Mengen gibt.

Die Zariski-abgeschlossene Menge ist also irreduzibel genau dann, wenn

ist und eine Zerlegung nur mit oder mit möglich ist. Dasselbe folgt dann sofort für endliche Darstellungen.

Die Irreduzibilität ist eine rein topologische Eigenschaft, wobei man die obige Definition mit abgeschlossenen Mengen formulieren muss anstatt mit affin-algebraischen Mengen (den abgeschlossenen Mengen in der Zariski-Topologie).

Die folgenden Bilder zeigen einige nicht irreduzible affin-algebraische Teilmengen. Was sind dabei die irreduziblen Komponenten (siehe unten)?



Wir betrachten den affinen Raum . Wenn endlich ist, so besteht der Raum nur aus endlich vielen Punkten und nur die einpunktigen Teilmengen sind irreduzibel. Insbesondere ist der affine Raum außer bei nicht irreduzibel.

Bei unendlichem ist der affine Raum hingegen irreduzibel. Es sei nämlich mit echten affin-algebraischen Teilmengen. D.h. für die offenen Komplemente und ist einerseits , aber . Das widerspricht aber Aufgabe 3.8.




Es sei eine affin-algebraische Menge mit Verschwindungsideal .

Dann ist genau dann irreduzibel, wenn ein Primideal ist.

Es sei kein Primideal. Bei ist , also ist nicht irreduzibel nach Definition. Andernfalls gibt es Polynome mit , aber . Dies bedeutet, dass es Punkte mit und gibt. Wir betrachten die beiden Ideale und . Daher ist

nach Lemma 3.7  (3). Wegen und sind diese Inklusionen echt. Andererseits ist

sodass eine nicht-triviale Zerlegung von vorliegt und somit nicht irreduzibel ist.
Es sei nun nicht irreduzibel. Bei ist kein Primideal. Es sei also mit der nicht-trivialen Zerlegung . Es sei und . Wegen gibt es einen Punkt , . Also gibt es auch ein , , und somit . Ebenso gibt es , . Für einen beliebigen Punkt ist , da auf und auf verschwindet. Also ist und daher ist kein Primideal.



Es sei eine affin-algebraische Menge. Eine affin-algebraische Teilmenge heißt eine irreduzible Komponente von , wenn sie irreduzibel ist und wenn es keine irreduzible Teilmenge gibt.

Ist irreduzibel, so ist selbst die einzige irreduzible Komponente von . Wir werden später sehen, dass jede affin-algebraische Menge sich als eine endliche Vereinigung von irreduziblen Komponenten schreiben lässt.


Wir betrachten die Gleichung

In den reellen Zahlen hat diese Gleichung zwei Lösungen: da ein reelles Quadrat nie negativ ist, kann nur dann sein, wenn beide Summanden null sind, und das impliziert einerseits und andererseits oder . Insbesondere ist die reelle Lösungsmenge nicht zusammenhängend und nicht irreduzibel (und das Verschwindungsideal zur reellen Situation ist sehr groß).

Betrachtet man dagegen über den komplexen Zahlen, so gibt es eine Faktorisierung

in irreduzible Polynome. Dies zeigt zugleich, dass als Polynom in irreduzibel ist (obwohl das reelle Nullstellengebilde nicht irreduzibel ist). Die Nullstellenmenge über den komplexen Zahlen besteht aus den beiden Graphen , die sich in und schneiden.

Bei der Gleichung gibt es wieder nur zwei reelle Lösungspunkte, das Polynom ist aber sowohl reell als auch komplex betrachtet irreduzibel.




Wir betrachten im affinen Raum () die beiden Zylinder

Das sind beides irreduzible Mengen, wie wir später sehen werden (für unendlich). Wie sieht ihr Durchschnitt aus? Der Durchschnitt wird durch das Ideal beschrieben, das durch und erzeugt wird. Zieht man die eine Gleichung von der anderen ab, so erhält man

Die beiden einzelnen Faktoren gehören aber nicht zu , da beispielsweise ein Punkt des Schnittes ist, an dem nicht verschwindet (Charakteristik ), und ein Punkt des Schnittes ist, an dem nicht verschwindet. Die Komponenten des Schnittes werden vielmehr durch

beschrieben. Das sind beides Primideale, der Restklassenring ist

Um die zweite Gleichung einzusehen, eliminiert man mit der hinteren Gleichung, und die beiden Zylindergleichungen werden dann identisch. Ebenso ist die Argumentation für das andere Ideal. Geometrisch gesprochen heißt dies, dass ein Punkt des Durchschnittes in der Ebene oder in der Ebene liegt. Es ist

und ebenso für , da auf diesen Ebenen die beiden Zylindergleichungen identisch werden.

Wie sehen die Durchschnitte in den Ebenen aus? Wir betrachten die Ebene mit den Koordinaten und . Es ist dann und damit kann man die erste Zylindergleichung als

schreiben. Auf der Ebene , die ja durch festgelegt ist, wird aus dieser Gleichung

also . Dies ist die Gleichung einer Ellipse, was auch anschaulich klar ist. Man beachte, dass in der obigen Berechnung des Restklassenringes aber eine Kreisgleichung auftritt. Dies sollte deshalb nicht überraschen, da Kreis und Ellipse durch eine lineare Variablentransformation ineinander überführbar sind und dass daher insbesondere die Restklassenringe isomorph sind. Als metrisches Gebilde sind Kreis und Ellipse verschieden, und der Durchschnitt der beiden Zylinder besteht aus zwei Ellipsen. Bei einer orthonormalen Variablentransformation bleibt die metrische Struktur erhalten. Die Variablen definieren aber keine orthonormale Transformation.

Halten wir also fest: Der Durchschnitt der beiden Zylinder ist

wobei und zwei Ellipsen beschreiben.

Wie liegen diese beiden Ellipsen zueinander? Dazu berechnen wir ihren Durchschnitt, der durch die Summe von und beschrieben wird. Es ist

Die Lösungsmenge davon besteht aus den beiden Punkten und .




Zur Anzahl der Punkte auf Kurven

Wir haben bereits gesehen, dass der Schnitt einer Kurven mit einer Geraden nur aus endlich vielen Punkten besteht, es sei denn, die Gerade sei selbst eine Komponente der Kurve (siehe Lemma 1.3). Dies wollen wir zunächst auf den Schnitt von zwei beliebigen ebenen Kurven verallgemeinern. Als Hilfsmittel benötigen wir die folgende Definition.


Es sei ein Körper und der Polynomring in einer Variablen über . Dann nennt man den Quotientenkörper den rationalen Funktionenkörper über (oder Körper der rationalen Funktionen über ). Er wird mit bezeichnet.



Es sei ein Körper und seien zwei Polynome ohne gemeinsamen nichtkonstanten Faktor.

Dann gibt es nur endlich viele Punkte mit .

Wir betrachten als Elemente in , wobei den Körper der rationalen Funktionen in bezeichne. Es haben dann nach Aufgabe 4.8 auch und keinen gemeinsamen Teiler in . Da dieser Ring ein Hauptidealbereich ist, erzeugen sie zusammen das Einheitsideal, d.h. es gibt Polynome mit . Multiplikation mit dem Hauptnenner von und ergibt in die Gleichung mit . Eine gemeinsame Nullstelle in von und von muss also eine Nullstelle von sein. Es gibt also nur endlich viele Werte für , für die eine gemeinsame Nullstelle vorliegt. Wenn man die Rollen von und von vertauscht, so sieht man, dass es auch nur endlich viele Werte für gibt, an denen eine gemeinsame Nullstelle vorliegen kann. Damit kann es überhaupt nur endlich viele gemeinsame Nullstellen geben.




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