Kurs:Algebraische Kurven (Osnabrück 2008)/Vorlesung 6
- Ebene polynomiale Parametrisierungen
Wir betrachten jetzt Abbildungen
,
die durch zwei Polynome in einer Variablen gegeben sind. Das Bild einer solchen Abbildung liegt in einer affinen algebraischen Kurve, wie der folgende Satz zeigt. Man spricht auch von parametrisierten Kurven oder genauer von polynomial parametrisierten Kurven. Es konkurrieren hier zwei Standpunkte, wie man eine algebraische Kurve beschreiben kann. Die Punkte einer durch eine Kurvengleichung gegebenen Kurve sind nur implizit gegeben. Man kann zwar zu jedem Punkt der Ebene leicht überprüfen, ob er auf der Kurve liegt, es ist aber im Allgemeinen schwierig, Punkte auf der Kurve zu finden oder explizit anzugeben. Eine parametrisierte Kurve ist hingegen explizit gegeben, zu jedem Punkt der affinen Geraden kann man den Bildpunkt einfach ausrechnen und erhält so die Kurvenpunkte explizit. Es ist aber nicht jede algebraische Kurve durch Polynome parametrisierbar.
Es sei ein Körper und seien zwei Polynome.
Dann gibt es ein Polynom , , mit . D.h. das Bild einer polynomial parametrisierten Kurve liegt in einer ebenen algebraischen Kurve .
Wenn unendlich ist und nicht beide konstant sind, so ist der Zariski-Abschluss des Bildes eine irreduzible Kurve .
Es seien und die Grade von und . Wir berechnen die Monome
Dies sind Polynome in vom Grad . Zu und gibt es solche Monome. Die Monome , leben also allesamt in dem -dimensionalen -Vektorraum, der von erzeugt wird. Bei muss es also eine nicht-triviale lineare Abhängigkeit zwischen diesen geben. Diese ergibt ein Polynom mit .
Die angegebene numerische Bedingung lässt sich mit hinreichend groß erfüllen.
Von nun an sei unendlich. Der Zariski-Abschluss des Bildes ist nach Lemma 3.8 und irreduzibel nach Satz 5.7. Da unendlich ist und die Abbildung nicht konstant ist, muss wegen der Irreduzibilität auch unendlich viele Punkte enthalten. Nach Lemma 4.2 ist ein Primideal und enthält nach dem ersten Teil ein , . Da faktoriell ist, muss auch ein Primfaktor von dazu gehören, sodass wir annehmen können, dass ein Primpolynom ist. Wir haben die Inklusion
Für ein ist
unendlich, sodass es nach Satz 4.8 einen gemeinsamen nichtkonstanten Faktor von und geben muss. Da prim ist, muss ein Vielfaches von sein und .
Wir betrachten die Kurve, die durch die Parametrisierung
gegeben ist. Es ist und . Eine einfache Addition ergibt
Daher können wir
schreiben. Ausmultiplizieren ergibt insgesamt die Gleichung
Wir betrachten die durch
gegebene Abbildung
Für die beiden Punkte ergibt sich der Wert . Für alle anderen Stellen kann man
schreiben. D.h. dass aus den Bildwerten rekonstruierbar ist, und das bedeutet, dass die Abbildung dort injektiv ist. Die Bildkurve ist also eine Kurve, die sich an genau einer Stelle überschneidet.
Wir bestimmen die Kurvengleichung, und schreiben und . Es ist und
Das beschreibende Polynom ist also
Wir betrachten die durch
gegebene Fläche im . Diese Fläche wird auch auf der Seite des Osnabrücker Fachbereiches gezeigt, siehe [1]. Wenn man mit einer durch gegebenen Ebene (also einer Ebene, die durch eine Grundgerade in der -Ebene durch den Nullpunkt gegeben ist) schneidet, so erhält man immer eine Gleichung der Form , siehe Beispiel *****. Die Fläche entsteht, wenn man diese Kurve um die -Achse dreht.
- Rationale Parametrisierungen
Betrachten wir eine rationale Funktion
mit Polynomen in einer Variablen. Hier hat man in natürlicher Weise sofort eine neue Form der Parametrisierung, indem man die Abbildung
betrachtet. Dabei ist der Definitionsbereich der Abbildung, und zwar besteht aus allen Punkten, wo das Nennerpolynom nicht null ist. Offenbar kann man mit dieser Abbildung wieder alle Punkte des Graphen der rationalen Funktion erfassen, d.h. sie leistet ebenso wie eine polynomiale Parametrisierung eine explizite Beschreibung der Kurve. Es ist also zur Beschreibung von Kurven sinnvoll, auch Parametrisierungen zuzulassen, bei denen die Komponentenfunktionen rational sind.
Zwei rationale Funktionen und mit , , heißen eine rationale Parametrisierung einer algebraischen Kurve ( nicht konstant), wenn
ist und nicht konstant ist.
Man beachte, dass die Gleichheit in der vorstehenden Definition im rationalen Funktionenkörper zu verstehen ist, also in . Bei unendlichem ist dies äquivalent damit, dass diese Gleichheit gilt für alle Werte , für die die Nennerpolynome definiert sind.
Eine ebene algebraische Kurve heißt rational, wenn sie irreduzibel ist und es eine rationale Parametrisierung für sie gibt.
Das folgende einfache Beispiel zeigt, dass man mit rationalen Funktionen mehr Kurven parametrisieren kann, als wenn man nur mit Polynomen arbeitet. Es sei aber schon hier erwähnt, dass dieser Unterschied im Kontext der projektiven Geometrie wieder verschwindet.
Wir betrachten die Hyperbel und behaupten, dass es keine polynomiale Parametrisierung davon gibt. Dies folgt einfach daraus, dass zu zwei Polynomen und die Bedingung, für jedes auf zu liegen, gerade
bedeutet, bzw., dass im Polynomring ist (was im Fall eines unendlichen Körpers äquivalent ist; bei einem endlichen Körper ist die zweite Identität die „richtige“ Bedingung). Das bedeutet aber, dass diese Polynome invers zueinander sind und daher Einheiten sind. Im Polynomring sind aber lediglich die Konstanten Einheiten. Also sind beide Polynome konstant und damit ist die dadurch definierte Abbildung konstant, und es liegt keine polynomiale Parametrisierung vor. Dagegen ist
eine rationale Parametrisierung der Hyperbel.
Wir wollen zeigen, dass das Bild einer nicht-konstanten rationalen Abbildung stets eine algebraische Gleichung erfüllt, also stets eine rationale Parametrisierung einer algebraischen Kurve liefert. Im polynomialen Fall ergab sich eine algebraische Gleichung aus einem Abzählargument (es musste eine Gleichung geben, da die Anzahl der Monome in zwei Variablen „schneller mit dem Grad wächst“ als die in einer Variablen). Wir werden ein ähnliches Argument verwenden, allerdings in Kombination mit einem weiteren Trick, der „Homogenisierung“. Bei diesem Trick wird unter Hinzunahme einer weiteren Variablen (das ist der Preis, den man dabei zahlen muss) eine nicht-homogene Situation homogen gemacht. Diesen Prozess verwenden wir hier rein algebraisch, dahinter steht aber das Zusammenspiel zwischen affiner und projektiver Geometrie.
Sei , , ein Polynom in Variablen mit der homogenen Zerlegung
und sei eine weitere Variable. Dann nennt man das homogene Polynom
vom Grad die Homogenisierung von .
Aus der Homogenisierung kann man das ursprüngliche Polynom zurückgewinnen, wenn man die zusätzliche Variable gleich setzt. Man spricht von dehomogenisieren.
Wir betrachten die Abbildung
die durch homogene Polynome (sogar durch Monome) gegeben ist. Es ist einfach, eine algebraische Relation für das Bild zu finden, es ist nämlich
d.h. das Bild der Abbildung liegt in . Siehe auch Aufgabe 6.3.
Es seien zwei rationale Funktionen und mit , , gegeben, die nicht beide konstant seien.
Dann gibt es ein nichtkonstantes Polynom mit
Das bedeutet, dass und eine rationale Parametrisierung definieren.
Wir können durch Übergang zu einem Hauptnenner annehmen, dass die rationale Abbildung durch
mit , gegeben ist. Es seien die Homogenisierungen von diesen Polynomen mit der neuen Variablen und es sei der größte Grad dieser Polynome. Wir setzen . Die haben dann alle den Grad und ihre Dehomogenisierungen () sind nach wie vor . Nach Lemma 6.9 gibt es ein homogenes Polynom , , vom Grad (bezüglich ) mit
Wir betrachten
welches ein Polynom in den beiden rationalen Funktionen ist. Für diesen Übergang ist es wichtig, dass homogen ist. Einsetzen der homogenen Polynome in diese Gleichung ergibt
Dies ist eine Gleichheit im Quotientenkörper von . Wenn man darin setzt (also dehomogenisiert), so erhält man
also eine Gleichung für die ursprünglichen rationalen Funktionen.
Bemerkung
Man kann einen Schritt weiter gehen und sich fragen, ob es noch andere Möglichkeiten gibt, eine algebraische Kurve durch eine Abbildung zu beschreiben, wo aus einer größeren Funktionenklasse sein darf. Ein wichtiger Satz ist hier der Satz über implizite Funktionen, der für oder besagt, dass falls die partiellen Ableitung von an einem Punkt der Kurve nicht beide null sind, dass es dann eine (unendlich oft und sogar analytisch) differenzierbare Abbildung gibt, die die Kurve in einer gewissen kleinen offenen Umgebung des Punktes beschreibt. Eine algebraische Version des Satzes über implizite Funktionen findet sich im Potenzreihenansatz wieder, den wir später behandeln werden.