Kurs:Algebraische Kurven (Osnabrück 2017-2018)/Vorlesung 25/kontrolle



Lösung in Potenzreihen für algebraische Kurven

Sei ein Polynom, das die ebene algebraische Kurve beschreibe, und sei vorausgesetzt (was keine Einschränkung ist, und durch Verschiebung immer erreicht werden kann). Wie kann man die Kurve im Nullpunkt mittels Potenzreihen beschreiben, wann gibt es also einen durch nichtkonstante Potenzreihen und mit konstantem Term definierten Ringhomomorphismen

mit (also einen Ringhomomorphismus ). Es geht also um Lösungen der Gleichung

in Potenzreihen, die das Verhalten der Kurve um die Punktlösung herum genauer beschreiben.

Der grundsätzliche Ansatz ist hier ein Potenzreihenansatz, wie er beispielsweise auch in der Theorie der Differentialgleichungen verwendet wird. Man setzt

mit zunächst unbestimmten Koeffizienten und an. Das direkte Einsetzen in die beschreibende Gleichung und Ausmultiplizieren ergibt dann einen prinzipiell unendlichen Ausdruck. Allerdings ist für jedes der zugehörige Ausdruck für den Koeffizienten nur durch endlich viele Daten bestimmt, und zwar sind dafür nur die Koeffizenten von und unterhalb des Grades relevant. Da sein soll, müssen die Koeffizienten von so sein, dass sich als Koeffizient zu stets ergibt.

Man sucht dann nach Bedingungen, wann es dafür Lösungen gibt, wie sie aussehen und ob sie eindeutig sind. Die Bedingung ist dabei eine Anfangsbedingung, die wiedergibt, dass die Potenzreihenlösung durch den Nullpunkt gehen soll.

Es ergibt sich schnell eine Bedingung an die linearen Terme der Potenzreihen (also an und ), die man als eine weitere Rechtfertigung dafür ansehen kann, dass wir die Linearfaktoren des ersten homogenen Bestandteiles in der homogenen Zerlegung von als Tangentengleichungen interpretiert haben.


Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und sei ein Polynom mit homogener Zerlegung mit und . Es sei

die Faktorzerlegung in Linearfaktoren (diese Linearfaktoren definieren also die Tangenten von an ). Es seien

Potenzreihen, die eine Lösung der Kurvengleichung durch den Nullpunkt beschreiben (d.h. ).

Dann ist für ein , d.h. der lineare Term der Potenzreihen ist durch eine der Tangenten vorgegeben.

Wir setzen

in ein. In einem homogenen Bestandteil , der ja eine Summe von Ausdrücken der Form mit ist, kann man sofort ausklammern, und zwar ergibt sich ein Ausdruck der Form

In den Koeffizient von gehen also in einer übersichtlichen Form über ein, aber auch kompliziertere Terme, die von , herrühren. Auf angewandt, wo ja keine kleineren homogenen Komponenten mitberücksichtigt werden müssen, heißt dies, dass

die entscheidende Gleichung für und ist. Dies ist aber nichts anderes als die Bedingung

Da ein Produkt von Linearfaktoren ist, muss einen der Linearfaktoren annullieren, was die behauptete Aussage ist.


Man beachte, dass im vorstehenden Lemma die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist. In der Tat gibt es nur unter zusätzlichen Bedingungen eine Realisierung einer Kurve mittels Potenzreihen entlang einer vorgegebenen Tangente, siehe Satz 25.2 und die Beispiele weiter unten.

Der Rechenaufwand zur Bestimmung einer Potenzreihenlösung lässt sich wesentlich verringern, wenn man sich auf „Graphenlösungen“ beschränkt, wo die eine Potenzreihe einfach ein lineares Polynom ist (und zwar eines, das durch eine Tangente gegeben ist), und die zweite eine zu bestimmende Potenzreihe. Das ist häufig keine wesentliche Einschränkung, wie aus Lemma 24.10 folgt. Mit diesem Lemma können wir nämlich die Potenzreihen einfach transformieren, wenn nicht beide linearen Terme verschwinden. Sei hierzu , angenommen. Mit einer geeigneten Potenzreihe ist und . Man schaltet also einen Potenzreihenautomorphismus dahinter, damit die Hintereinanderschaltung

die besonders einfache Gestalt , bekommt. Dies bedeutet, dass man die Kurve als Graph zu einer formalen Funktion in einer Variablen realisieren möchte.



Satz  Satz 25.2 ändern

Es sei ein Körper und sei ein Polynom mit und sei die homogene Zerlegung von mit und mit . Es sei ein einfacher Linearfaktor von (also ein lineares Polynom, das eine Tangente mit Multiplizität definiert).

Dann gibt es Potenzreihen

mit

und mit konstantem Term und mit .

Dabei kann eine der Potenzreihen als ein lineares Polynom gewählt werden.

Durch eine lineare Variablentransformation können wir annehmen, dass ist. Wir zeigen, dass es dann eine Potenzreihenlösung mit und mit (zu konstruierendem) gibt. Wegen und erfüllt das die angegebene lineare (Tangenten-)Bedingung.

Sei . Es ist , da andernfalls kein Linearfaktor von sein könnte, und es ist , da sonst ein Linearfaktor mit einer Multiplizität wäre.

Wir zeigen, dass es bei diesen Anfangsdaten eine eindeutig bestimmte Potenzreihe gibt. Einsetzen von und in ergibt für jedes eine Bedingung, da der resultierende Koeffizient zu gleich sein muss. Der -te Koeffizient ist eine Summe von Ausdrücken der Form

(diese Ausdrücke kommen mehrfach mit einem gewissen Multinomialkoeffizienten vor). Da ist, kommt für der Term nicht vor. Der Term kommt erstmals im -ten Koeffizienten vor, und zwar in der einzigen Weise

Ansonsten kommen in diesem Koeffizienten nur die und mit vor. Da nach Voraussetzung ist, ist dadurch der Wert von eindeutig festgelegt. Die Koeffizienten werden also induktiv konstruiert, wobei die Werte jeweils eindeutig durch die Bedingung an die Koeffizienten festgelegt sind.



Wir betrachten die ebene affine Kurve vom Grad drei, die durch die Gleichung gegeben ist. Die partiellen Ableitungen sind

Die zweite Ableitung ist nur bei gleich , dort hat aber den Wert , d.h. die Kurve ist glatt. Im Nullpunkt haben die partiellen Ableitungen den Wert . Die zugehörige Tangente ist also die -Achse, was dazu passt, dass der lineare Term der Kurvengleichung ist.

Wir berechnen die Potenzreihe , die die Kurve im Nullpunkt als Graphen beschreibt (es ist ). Die Anfangsbedingungen sind . Für die folgenden Koeffizienten von müssen wir aus der Gleichung

also

über die Koeffizienten der die Bedingungen an herauslesen.

. Der zweite Koeffizient liefert sofort .

. Der dritte Koeffizient liefert die Bedingung , woraus folgt.

Die folgenden Koeffizienten liefern die Bedingung , sodass also die folgenden abwechselnd und sind. Man hat also eine einfache Rekursionsformel und es ist

Die Umformung der Kurvengleichung in

zeigt, dass hier der Graph einer rationalen Funktion (mit einem Pol bei ) vorliegt. Die angegebene Potenzreihe beschreibt also den Graphen einer rationalen Funktion als Graphen einer formal-analytischen Funktion.



Wir betrachten das Kartesische Blatt, das durch gegeben ist, im Nullpunkt und bezüglich der durch gegebenen Tangente und wollen die Potenzreihe bestimmen, mit der sich der „Zweig“ der Kurve, der diese Tangente definiert, als Graph beschreiben lässt. Wir setzen also und an und haben diese Koeffizienten zu bestimmen (die Charakteristik von sei nicht ). Die Koeffizienten sind durch die Bedingung

festgelegt. Das Einsetzen bzw. Ausmultiplizieren dieser Potenzreihe liefert zum ersten Mal für eine Bedingung. Der Summand (bzw. ) muss überhaupt nur einmal berücksichtigt werden, nämlich für . Der Summand muss erst ab berücksichtigt werden, da ja ein Vielfaches von ist. Der Summand muss ab berücksichtigt werden.

. Hier hat man die Bedingung

woraus sich ergibt.

. Dies taucht erstmals in der Bedingung für den vierten Koeffizienten auf. Dort steht es aber isoliert, sodass sein muss.

. Aus dem gleichen Grund ist .

. Hierfür ist der sechste Koeffizient entscheidend, und dabei ist jetzt auch zu berücksichtigen. Es ergibt sich die Bedingung

also .

. Der Summand

leistet erstmals wieder für den neunten Koeffizienten einen Beitrag, und zwar ist dieser . Dies bedeutet, dass und isoliert stehen und daher null sein müssen. Für ergibt sich die Bedingung

und daher ist .

Die Anfangsglieder der Potenzreihe , die den einen Kurvenzweig im Nullpunkt als Graph beschreibt, ist also



Wir betrachten die durch definierte Neilsche Parabel. Hier ist der Nullpunkt singulär, und es gibt nur eine Tangente, nämlich , diese hat aber die Multiplizität zwei, d.h. Satz 25.2 ist hier nicht anwendbar. Wir werden zeigen, dass es überhaupt keine Potenzreihenlösung im Nullpunkt mit nicht verschwindendem linearen Term gibt.

Es seien dazu und Potenzreihen, die die Kurvengleichung erfüllen. Wir setzen in die Kurvengleichung ein und erhalten für den zweiten Koeffizient die Bedingung , woraus folgt. Für den dritten Koeffizienten ergibt sich hingegen , also wieder .


Dennoch gibt es Potenzreihenlösungen für die Neilsche Parabel durch den Nullpunkt. Hierzu kann man einfach die monomiale Lösung und nehmen (die ja sogar eine Bijektion zwischen der affinen Geraden und der Neilschen Parabel stiftet). Der lineare Term davon ist freilich gleich ..


Es sei oder und . Bei , wenn also ein regulärer Punkt der Funktion ist (oder, äquivalent, ein glatter Punkt von ), so sichert der Satz über implizite Funktionen, dass sich die Kurve in einer (metrischen) Umgebung des Punktes als Graph einer differenzierbaren Funktion darstellen lässt.