Kurs:Algebraische Zahlentheorie (Osnabrück 2020-2021)/Vorlesung 4

In diesem Kurs beweisen wir zwei Versionen zur eindeutigen Primfaktorzerlegung in Zahlbereichen, die beide Abschwächungen zur eindeutigen Primfaktorzerlegung in sind. Die eine besagt, dass für einen Zahlbereich die eindeutige Primfaktorzerlegung von Elementen „lokal“ gilt (Satz 10.17 und Bemerkung 10.9). Die zweite Version besagt, dass man auf der Ebene der Ideale eine eindeutige Faktorzerlegung in Primideale erhält (Satz 12.2). Für die erste Version benötigen wir die Begriffe Nenneraufnahme, Lokalisierung und diskreter Bewertungsring.



Multiplikative Systeme

Es sei ein kommutativer Ring. Eine Teilmenge heißt multiplikatives System, wenn die beiden Eigenschaften

  1. ,
  2. Wenn , dann ist auch ,

gelten.

Es handelt sich also einfach um ein Untermonoid des multiplikativen Monoids eines Ringes. Wir erwähnen einige Beispiele von multiplikativen Systemen. Zunächst ist natürlich der Gesamtring, die Menge , die Menge und die Einheitengruppe ein multiplikatives System. Darüber hinaus erwähnen wir die folgenden Beispiele.


Es sei ein kommutativer Ring und ein Element. Dann bilden die Potenzen , , ein multiplikatives System.



Es sei ein Integritätsbereich. Dann bilden alle von verschiedenen Elemente in ein multiplikatives System, das mit bezeichnet wird.



Die Nichtnullteiler bilden ein multiplikatives System in einem kommutativen Ring. Die ist wie jede Einheit ein Nichtnullteiler, und wenn und Nichtnullteiler sind, so ist auch deren Produkt ein Nichtnullteiler, da aus zunächst und daraus folgt.



Es sei ein faktorieller Bereich und sei eine Menge von Primelementen. Dann ist die Menge aller Elemente aus , in deren Primfaktorzerlegung ausschließlich Primelemente aus vorkommen, ein multiplikatives System . Es ist also



Es sei ein kommutativer Ring und ein Primideal. Dann ist das Komplement ein multiplikatives System. Dies folgt unmittelbar aus der Definition.




Nenneraufnahme

Die Idee für die Nenneraufnahme zu einem multiplikativen System ist es, die Elemente aus zu Einheiten, zu Nennern, zu machen. Dabei soll natürlich wieder ein sinnvoller Ring entstehen. Von den rationalen Zahlen kennt man die Eigenschaft, dass genau dann gilt, wenn gilt, wodurch dir Gleichheit von Brüchen auf die Gleicheit innerhalb der ganzen Zahlen zurückgeführt wird. Diesen Ansatz muss man wegen möglicher Nullteiler etwas modifizieren.


Es sei ein kommutativer Ring und ein multiplikatives System. Auf der Produktmenge nennt man die durch

falls es ein mit gibt, die durch das multiplikative System gegebene Überkreuzrelation.

Wenn nur aus Nichtnullteilern besteht, so braucht man den zusätzlichen Faktor nicht.



Es sei ein kommutativer Ring und ein multiplikatives System.

Dann ist die Überkreuzrelation auf der Produktmenge eine Äquivalenzrelation. Für die Äquivalenzklassen ist durch

eine wohldefinierte Addition und durch

eine wohldefinierte Multiplikation gegeben, derart, dass die Quotientenmenge ein kommutativer Ring wird.

Beweis

Siehe Aufgabe 4.9.



Es sei ein kommutativer Ring und ein multiplikatives System. Dann versteht man unter der Nenneraufnahme zu die Quotientenmenge zur Überkreuzrelation auf mit den in Lemma 4.8 beschriebenen Verknüpfungen. Die Nenneraufnahme wird mit bezeichnet.

Es gibt einen natürlichen Ringhomomorphismus

Die Elemente aus dem multiplikativen System werden in zu Einheiten, und zwar ist das Inverse zu . Wenn nur aus Nuchtnullteilern besteht, so ist diese kanonische Abbildung injektiv. Wenn hingegen die zu gehört, so wird die Nenneraufnahme zum Nullring. Für die Nenneraufnahme an dem von einem Element erzeugten multiplikativen System schreibt man einfach statt . Die Nenneraufnahme an in einem Integritätsbereich spielt eine besondere Rolle. Dort werden sämtliche Elemente zu Einheiten und es entsteht ein Körper.


Zu einem Integritätsbereich ist der Quotientenkörper als die Menge der formalen Brüche

mit natürlichen Identifizierungen und Operationen definiert.



Es seien und kommutative Ringe und sei ein multiplikatives System. Es sei

ein Ringhomomorphismus derart, dass eine Einheit in für alle ist.

Dann gibt es einen eindeutig bestimmten Ringhomomorphismus

der fortsetzt.

Damit die Ringhomomorphismen kommutieren muss für und damit sein. Es kann also maximal einen solchen Ringhomomorphismus geben, der durch die letzte Gleichung definiert sein muss.

Es ist zu zeigen, dass dadurch ein wohldefinierter Ringhomomorphismus gegeben ist. Zum Nachweis der Wohldefiniertheit sei mit . Dies bedeutet, dass es ein mit gibt. Dann ist auch

und durch Multiplizieren mit der Einheit folgt

Wir zeigen exemplarisch für die Addition, dass ein Ringhomomorphismus vorliegt. Es ist




Lokale Ringe und Lokalisierung

Ein kommutativer Ring heißt lokal, wenn genau ein maximales Ideal besitzt.

Jeder Körper ist ein lokaler Ring mit dem Nullideal als eindeutigem maximalen Ideal. Ein kommutativer Ring ist genau dann lokal, wenn seine Nichteinheiten ein Ideal bilden, das dann das einzige maximale Ideal ist.


Zu einem kommutativen lokalen Ring nennt man den Restklassenkörper zum einzigen maximalen Ideal von den Restekörper von .


Es sei ein kommutativer Ring und sei ein Primideal. Dann nennt man die Nenneraufnahme an die Lokalisierung von an . Man schreibt dafür . Es ist also

Für eine Primzahl besteht aus allen rationalen Zahlen, die man ohne im Nenner schreiben kann.

Der folgende Satz zeigt, dass diese Namensgebung Sinn ergibt.



Es sei ein kommutativer Ring und sei ein Primideal in .

Dann ist die Lokalisierung ein lokaler Ring mit maximalem Ideal

Die angegebene Menge ist in der Tat ein Ideal in der Lokalisierung

Wir zeigen, dass das Komplement von nur aus Einheiten besteht, sodass es sich um ein maximales Ideal handeln muss. Es sei also , aber nicht in . Dann sind und somit gehört der inverse Bruch ebenfalls zur Lokalisierung.


Das Ideal ist dabei das Erweiterungsideal zu unter dem Ringhomomorphismus .



Es sei ein Integritätsbereich mit Quotientenkörper .

Dann gilt

wobei der Durchschnitt über alle maximale Ideale läuft und in genommen wird.

Die Inklusion ist klar. Es sei also und sei angenommen, gehöre zum Durchschnitt rechts. Für jedes maximale Ideal ist also , d.h. es gibt und mit . Wir betrachten das Ideal

Dieses Ideal ist in keinem maximalen Ideal enthalten, also muss es nach dem Lemma von Zorn das Einheitsideal sein. Es gibt also endlich viele maximale Ideale , und mit

wobei gesetzt wurde. Damit ist

Wir schreiben

Also gehört zu .



Es sei ein kommutativer Ring und sei ein Primideal.

Dann ist der Quotientenkörper des Restklassenringes in natürlicher Weise isomorph zum Restekörper der Lokalisierung .

Es ist also

Wir betrachten das kommutative Diagramm

von Ringhomomorphismen, wobei und zu konstruieren sind. Unter dem Ringhomomorphismus

wird das Primideal auf abgebildet, der Ringhomomorphismus ergibt sich als induzierter Homomorphismus. Unter werden Elemente , , die also durch repräsentiert werden, auf Einheiten abgebildet. Somit gibt es nach Lemma 4.11 eine Fortsetzung auf den Quotientenkörper

Diese ist als Ringhomomorphismus zwischen Körpern injektiv. Ein Element des Restekörpers, das in der Lokalisierung durch mit repräsentiert wird, wird unter durch das Element getroffen (beachte ).


Der Restekörper zu einem Primideal wird mit bezeichnet. Wenn ein maximales Ideal ist, so ist insbesondere der Restklassenkörper gleich dem Restklassenkörper der Lokalisierung .


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