Kurs:Algebraische Zahlentheorie (Osnabrück 2020-2021)/Vorlesung 5



Das Spektrum unter Ringhomomorphismen

Wir untersuchen, wie sich das Spektrum eines kommutativen Ringes unter einem Ringhomomorphismus verhält.


Es sei ein Ringhomomorphismus zwischen kommutativen Ringen.

Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Die Zuordnung

    ist (wohldefiniert und) stetig.

  2. Es ist für jedes Ideal .
  3. Für einen weiteren Ringhomomorphismus

    gilt .

Die Abbildung ist nach Aufgabe 5.1 wohldefiniert. Zur Stetigkeit ist die Aussage (2) zu zeigen. Wir argumentieren mit den abgeschlossenen Mengen. Für ein Primideal ist genau dann, wenn ist. Dies ist äquivalent zu und ebenso zu . (3) ist klar.


Die in der vorstehenden Aussage eingeführte stetige Abbildung heißt Spektrumsabbildung (zu dem gegebenen Ringhomomorphismus). Bei einem Unterring

geht es einfach um die Zuordnung . In diesem Fall spricht man auch von „Runterschneiden“.



Sieht aus wie die Wurzel, soll aber die Quadrierung sein. Die Quadratabbildung sieht man, wenn man ausgehend von der hier vertikalen x-Achse horizontal auf den Graphen geht und dann nach unten projiziert. Diese Sichtweise betont, wie die Fasern zu variierendem aussieht.

Es sei ein Körper und ein Polynom in einer Variablen. Wir betrachten den zugehörigen Ringhomomorphismus

Das Urbild zu einem linearen Primideal ist das Primideal . Dies sieht man am einfachsten, wenn man die Hintereinanderschaltung

betrachtet, die die Evaluation an ist, und die Kerne beachtet. Deshalb liegt das kommutatives Diagramm

vor, wobei in den Horizontalen die Zuordnungen bzw. stehen und rechts die Spektrumsabbildung steht. Die Spektrumsabbildung ist also eine natürliche Erweiterung der durch das Polynom direkt definierten Abbildung von nach , die zusätzlich noch alle Primideale berücksichtigt.


Im zahlentheoretischen Kontext betrachtet man meist eine Ringerweiterung , ein Primideal aus wird dabei unter der Spektrumsabbildung entweder auf das Nullideal abgebildet oder aber auf ein Primhauptideal zu einer Primzahl . Diese Abbildung kann man auf zwei Arten versuchen zu verstehen, erstens, indem man die Primideale von versucht zu verstehen und dann zu bestimmen, wohin diese abgebildet werden, oder aber zweitens, und dies ist im zahlentheoretischen Kontext produktiver, dadurch, dass man versucht zu verstehen, welche Primideale oberhalb von liegen. Diese Frage hängt unmittelbar mit der Frage zusammen, was mit der Primzahl in der Ringerweiterung geschieht, ob es eine Primzahl bleibt oder ob und wie es zerfällt. Die Faser über ist direkt (siehe unten) die Menge der Primideale des Restklassenringes , und dies ist bei einer ganzen Erweiterung ein endlicher Ring.


Zur Erweiterung stellt man sich die Spekrumsabbildung so vor, dass man zu einer Primzahl versucht zu verstehen, welche Primideale in die Zahl enthalten. Dabei entsteht das Bild rechts.




Es sei ein kommutativer Ring. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Zu einem Ideal und der Restklassenabbildung

    ist die Spektrumsabbildung

    eine abgeschlossene Einbettung, deren Bild ist.

  2. Zu einem multiplikativen System ist die zur kanonischen Abbildung

    gehörige Abbildung

    injektiv, und das Bild besteht aus der Menge der Primideale von , die zu disjunkt sind.

  3. Zu ist die zur kanonischen Abbildung

    gehörige Abbildung

    eine offene Einbettung, deren Bild gleich ist.

(1) folgt aus Aufgabe 3.16: Die Primideale in entsprechen über den Primidealen von , die enthalten. Die angegebene Abbildung ist also bijektiv und hat das beschriebene Bild. Zu einem Ideal und einem Primideal ist genau dann , wenn

gilt. Also ist das Bild von gleich und damit abgeschlossen.
Für (2) siehe Aufgabe 4.18.
(3). Da für ein Primideal und ein Element die Beziehung genau dann gilt, wenn zum multiplikativen System disjunkt ist, folgt aus Teil (2), dass die Abbildung injektiv ist und dass ihr Bild gleich ist. Das gleiche Argument, angewendet auf bzw. zeigt, dass das Bild von gleich und damit offen ist.



Es sei ein Ringhomomorphismus zwischen zwei kommutativen Ringen und es sei

die zugehörige Spektrumsabbildung.

Dann ist die Faser über einem Primideal gleich .

D.h. die Faser besteht aus allen Primidealen mit und mit .

Aufgrund von Proposition 5.4 müssen wir nur die zweite Formulierung beweisen. Für ein Primideal gilt genau dann, wenn sowohl als auch gilt. Die erste Bedingung ist zu und die zweite Bedingung ist zu

äquivalent.


Insbesondere ist die Faser eines Spektrumsmorphismus über einem Punkt selbst wieder das Spektrum eines Ringes. Ein Spezialfall der vorstehenden Aussage ist, dass die Faser über einem maximalen Ideal gleich ist, da in diesem Fall aus sofort folgt und wegen der Maximalität Gleichheit gelten muss. Bei einem Integritätsbereich und dem Nullideal erübrigt es sich, das Erweiterungsideal zu betrachten, die Faser wird einfach durch beschrieben.


Zu einem Ringhomomorphismus zwischen kommutativen Ringen und einem Primideal nennt man den Faserring über .

Die Aussage Lemma 5.5 bedeutet also, dass die Faser der Spektrumsabbildung über gleich dem Spektrum des Faserringes ist. Der Faserring beinhaltet dabei eine genauere algebraische Information, aus der die topologische und mengentheoretische Information ablesbar ist. Wenn ein maximales Ideal von ist, so braucht man die Nenneraufnahme nicht, der Faserring ist dann einfach gleich . Den Faserring kann man allgemein auch als realisieren.

Wenn ein Ringhomomorphismus in der Form

vorliegt, so wird der Faserring über einem Primideal durch

beschrieben, wobei die Reduktion von modulo bezeichnet. Dies bedeutet einfach, dass man die Koeffizienten der Polynome modulo interpretiert.

Bei und und einem maximalen Ideal zu einer Primzahl ist der Faserring einfach . Dies ist also eine Algebra über dem endlichen Körper . Wenn ein normiertes Polynom vom Grad ist, so ist diese Algebra endlich mit Elementen, die man allein schon wegen der Endlichkeit explizit beschreiben kann. Wenn über irreduzibel ist, so muss aber nicht unbedingt irreduzibel sein. In der Tat ist es so, dass genau dann ein Primelement in bleibt, wenn irreduzibel in ist. Genau in diesem Fall ist der Faserring ein Körper.



Endliche Körpererweiterungen

Wir rekapitulieren nun die wichtigsten Ergebnisse der Körper- und Galoistheorie. In der Zahlentheorie geht man von einer endlichen Körpererweiterung aus, wobei typischerweise durch die Hinzunahme gewisser algebraischer Zahlen definiert ist, und überlegt dann, was dies für die „entsprechende“ Erweiterung für bedeutet. Dabei greift man immer wieder auf die Körpererweiterung zurück.


Es seien und kommutative Ringe und sei ein fixierter Ringhomomorphismus. Dann nennt man eine -Algebra.

Jeder Ring ist in eindeutiger Weise eine -Algebra. Der Polynomring ist eine -Algebra. Wenn ein Unterring vorliegt, so ist insbesondere eine -Algebra. Bei eine Unterringbeziehung zwischen Körpern spricht man von einem Unterkörper und einem Erweiterungskörper.


Es sei ein Körper und ein Unterkörper von . Dann heißt ein Erweiterungskörper (oder Oberkörper) von und die Inklusion heißt eine Körpererweiterung.

Bei einer -Algebra ist insbesondere ein - Modul, siehe Aufgabe 5.11. Speziell ist bei einer Körpererweiterung der Erweiterungskörper ein - Vektorraum. Dies erlaubt es, Begriffe aus der linearen Algebra in dieser Situation anzuwenden.


Eine Körpererweiterung heißt endlich, wenn ein endlichdimensionaler Vektorraum über ist.


Es sei eine endliche Körpererweiterung. Dann nennt man die - Vektorraumdimension von den Grad der Körpererweiterung.

Der Grad einer endlichen Körpererweiterung wird mit

bezeichnet. Dass man hier von Grad spricht und nicht einfach von Dimension hat seinen Grund darin, dass dieser Grad mit dem Grad von gewissen Polynomen zusammenhängt, worauf wir ausführlich zu sprechen kommen werden. Da bei einer Körpererweiterung sofort eine -Vektorraumstruktur auf zur Verfügung steht, ist es naheliegend, für das Studium der Körpererweiterungen die lineare Algebra einzusetzen. Dies ist besonders bei endlichen Körpererweiterungen ein schlagkräftiges Mittel. Durch diesen Apparat wird unter Anderem die additive Struktur auf einfach beschreibbar, und man kann sich ganz auf die Multiplikation konzentrieren. Aber auch für diese ist die Vektorraumstruktur reich an Konsequenzen. Um ein typisches Beispiel für die lineare Argumentationsweise zu geben, betrachten wir eine endliche Körpererweiterung und ein beliebiges Element . Die Potenzen von , also

bilden eine unendliche Familie (auch wenn es unter den Potenzen Wiederholungen geben kann). Da diese Potenzen alle zu gehören und ein endlichdimensionaler -Vektorraum ist, kann diese unendliche Familie nicht linear unabhängig sein, sondern es muss eine Beziehung der Form

geben, bei der nicht alle Koeffizienten gleich sind. Diese Beobachtung führt zu den Begriffen algebraisches Element und Minimalpolynom.


Es sei ein Körper und eine kommutative - Algebra. Es sei ein Element. Dann heißt algebraisch über , wenn es ein von verschiedenes Polynom mit gibt.


Es sei ein Körper und eine - Algebra. Es sei ein über algebraisches Element. Dann heißt das normierte Polynom mit , welches von minimalem Grad mit dieser Eigenschaft ist, das Minimalpolynom von .



Galoiserweiterungen

Wir erwähnen hier ohne Beweis einige Hauptresultate über die Galoisgruppe und Galoiserweiterungen.


Es sei eine Körpererweiterung. Dann nennt man die Automorphismengruppe

die Galoisgruppe der Körpererweiterung.

Unter einem -Körperautomorphismus muss ein Element , dass Nullstelle eines Polynoms aus ist, auf eine Nullstelle dieses Polynoms abgebildet werden. Das schränkt die Möglichkeiten wesentlich ein.


Es ist eine grundlegende Frage, welche Eigenschaften eines Elementes unter einem -Algebraautomorphismus erhalten bleiben und welche nicht.


Es sei eine Körpererweiterung, , ein Polynom mit und sei .

Dann ist auch .


Es sei eine endliche Körpererweiterung.

Dann ist die Galoisgruppe endlich.

Aus dem Lemma von Dedekind ergibt sich eine direkte Abschätzung zwischen der Ordnung der Galoisgruppe und dem Grad einer endlichen Körpererweiterung.


Es sei eine endliche Körpererweiterung.

Dann ist

Eine wichtige Frage ist, wann in der vorstehenden Abschätzung Gleichheit vorliegt, wann es also so viele Automorphismen wie möglich gibt. Dies machen wir zur Grundlage der folgenden Definition. Es gibt eine Vielzahl an dazu äquivalenten Eigenschaften.


Es sei eine endliche Körpererweiterung. Sie heißt eine Galoiserweiterung, wenn

gilt.



Endliche Körper

Wir erwähnen eine wichtige Besonderheit für Ringe in positiver Charakteristik.


Es sei ein kommutativer Ring, der einen Körper der positiven Charakteristik enthalte. Der Frobeniushomomorphismus ist der Ringhomomorphismus

Wir fassen die wichtigsten Resultate über endliche Körper ohne Beweise zusammen. Für Beweise siehe den Kurs über Galoistheorie.


Es sei eine Primzahl und .

Dann gibt es bis auf Isomorphie genau einen Körper mit Elementen.

Es sei eine Primzahl und . Der aufgrund von Satz 5.20 bis auf Isomorphie eindeutig bestimmte endliche Körper mit Elementen wird mit

bezeichnet.



Es sei ein endlicher Körper der Charakteristik .

Dann ist der Frobeniushomomorphismus

ein Automorphismus, dessen Fixkörper ist.


Es sei eine Primzahl und , .

Dann ist die Körpererweiterung eine Galoiserweiterung mit einer zyklischen Galoisgruppe der Ordnung , die vom Frobeniushomomorphismus erzeugt wird.


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