Kurs:Algebraische Zahlentheorie (Osnabrück 2020-2021)/Vorlesung 6
Die Körpererweiterung
kann man genauso gut als
schreiben, einen Isomorphismus erhält man, indem man schickt. Es liegen einfach zwei Beschreibungen des gleichen Körpers vor, wobei die erste etwas einfacher aussieht. Dagegen sind die beiden Restklassenringe und nicht zueinander isomorph. Durch wird ein Ringhomomorphismus des zweiten Ringes in den ersten Ring festgelegt, der injektiv, aber nicht surjektiv ist, da nicht im Bild liegt. Die Frage ist, wie man bei einer gegebenen endlichen Körpererweiterung einen „passenden“ Unterring finden kann. Jede Gleichungsbeschreibung mit einem ganzzahligen Polynom führt zu einem Kandidaten . Es gibt aber im Allgemeinen keine beste beschreibende Gleichung. Stattdessen muss man mit dem Konzept der Ganzheit arbeiten, um die beste passende Ringerweiterung zu finden. Das entscheidende Argument für diesen Weg ist, dass man dabei die eindeutig bestimmte minimale singularitätenfreien Ringerweiterung von in mit Quotientenkörper erhält.
- Ganzheit
Es seien und kommutative Ringe und sei eine Ringerweiterung. Für ein Element heißt eine Gleichung der Form
wobei die Koeffizienten , zu gehören, eine Ganzheitsgleichung für .
Es seien und kommutative Ringe und eine Ringerweiterung. Ein Element heißt ganz (über ), wenn eine Ganzheitsgleichung mit Koeffizienten aus erfüllt.
Wenn
ein Körper und eine -Algebra ist, so ist algebraisch über genau dann, wenn es ganz über ist. Dies stimmt aber im Allgemeinen nicht, siehe Aufgabe 6.2.
Die einfachsten Ganzheitsgleichungen haben die Form mit bzw. . Wenn also ein Element einer Ringerweiterung eine Wurzel eines Elementes aus ist, so ist diese Wurzel ganz über dem Grundring. Trivialerweise sind die Elemente aus ganz über .
In der Ringerweiterung ist ganz über , wie die Ganzheitsgleichung
zeigt. Auch für ein beliebiges Element kann man direkt eine Ganzheitsgleichung angeben, nämlich
Es sei ein kommutativer Ring und
ein normiertes Polynom über . Dann ist in der Ringerweiterung
die Restklasse von im Restklassenring ganz über , da ja unmittelbar die Ganzheitsgleichung
liefert.
Es seien und kommutative Ringe und eine Ringerweiterung. Dann nennt man die Menge der Elemente , die ganz über sind, den ganzen Abschluss von in .
Es seien und kommutative Ringe und sei eine Ringerweiterung. Dann heißt ganz über , wenn jedes Element ganz über ist.
ist genau dann ganz über , wenn der ganze Abschluss von in gleich ist.
Wir wollen zeigen, dass die Summe und das Produkt von zwei ganzen Elementen wieder ganz ist. Der vermutlich erste Gedanke, die jeweiligen Ganzheitsgleichungen miteinander „geschickt“ zu kombinieren, führt nicht zum Ziel. Stattdessen braucht man das folgende Kriterium für die Ganzheit.
Es seien und kommutative Ringe und eine Ringerweiterung. Für ein Element sind folgende Aussagen äquivalent.
- ist ganz über .
- Es gibt eine -Unteralgebra von mit und die ein endlicher -Modul ist.
- Es gibt einen endlichen -Untermodul von , der einen Nichtnullteiler aus enthält, mit .
(1) (2). Wir betrachten die von den Potenzen von erzeugte -Unteralgebra von , die aus allen polynomialen Ausdrücken in mit Koeffizienten aus besteht. Aus einer Ganzheitsgleichung
ergibt sich
Man kann also durch einen polynomialen Ausdruck von einem kleineren Grad ausdrücken. Durch Multiplikation dieser letzten Gleichung mit kann man jede Potenz von mit einem Exponenten durch einen polynomialen Ausdruck von einem kleineren Grad ersetzen. Insgesamt kann man dann aber all diese Potenzen durch polynomiale Ausdrücke vom Grad ersetzen. Damit ist
und die Potenzen bilden ein endliches Erzeugendensystem von .
(2) (3). Sei , eine -Unteralgebra, die als -Modul endlich erzeugt sei. Dann ist , und enthält den Nichtnullteiler .
(3) (1). Sei ein endlich erzeugter -Untermodul mit . Es seien erzeugende Elemente von . Dann ist insbesondere für jedes eine -Linearkombination der . Dies bedeutet
mit , oder, als Matrix geschrieben,
Dies schreiben wir als
Nennen wir diese Matrix (die Einträge sind aus ), und sei die adjungierte Matrix. Dann gilt ( bezeichne den Vektor ) und nach der Cramerschen Regel ist , also gilt . Es ist also für alle und damit
für alle . Da nach Voraussetzung einen Nichtnullteiler enthält, muss sein. Die Determinante ist aber ein normierter polynomialer Ausdruck in vom Grad , sodass eine Ganzheitsgleichung vorliegt.
Es seien und kommutative Ringe und sei eine Ringerweiterung.
Dann ist der ganze Abschluss von in eine -Unteralgebra von .
Die Ganzheitsgleichungen , zeigen, dass jedes Element aus ganz über ist. Seien und ganz über . Nach der Charakterisierung der Ganzheit gibt es endliche -Unteralgebren mit und . Es sei ein -Erzeugendensystem von und ein -Erzeugendensystem von . Wir können annehmen, dass ist. Betrachte den endlich erzeugten -Modul
der offensichtlich und (und ) enthält. Dieser -Modul ist auch wieder eine -Algebra, da für zwei beliebige Elemente gilt
und für die Produkte gilt und , sodass diese Linearkombination zu gehört. Dies zeigt, dass die Summe und das Produkt von zwei ganzen Elementen wieder ganz ist. Deshalb ist der ganze Abschluss ein Unterring von , der enthält. Also liegt eine -Unteralgebra vor.
- Normale Integritätsbereiche
Es seien und kommutative Ringe und eine Ringerweiterung. Man nennt ganz-abgeschlossen in , wenn der ganze Abschluss von in gleich ist.
Ein Integritätsbereich heißt normal, wenn er ganz-abgeschlossen in seinem Quotientenkörper ist.
Es sei ein Integritätsbereich und sein Quotientenkörper. Dann nennt man den ganzen Abschluss von in die Normalisierung von .
Wichtige Beispiele für normale Ringe werden durch faktorielle Ringe geliefert.
Es sei ein faktorieller Integritätsbereich.
Dann ist normal.
Sei der Quotientenkörper von und ein Element, das die Ganzheitsgleichung
mit erfüllt. Wir schreiben mit , , wobei wir annehmen können, dass die Darstellung gekürzt ist, dass also und keinen gemeinsamen Primteiler besitzen. Wir haben zu zeigen, dass eine Einheit in ist, da dann zu gehört.
Wir multiplizieren die obige Ganzheitsgleichung mit und erhalten in
Wenn keine Einheit ist, dann gibt es einen Primteiler von . Dieser teilt alle Summanden für und daher auch den ersten, also . Das bedeutet aber, dass selbst ein Vielfaches von ist im Widerspruch zur vorausgesetzten Teilerfremdheit.
Es sei ein normaler Integritätsbereich und . Wenn es ein Element mit gibt, so ist bereits .
Die Voraussetzung bedeutet, dass ganz über ist, da es die Ganzheitsgleichung
erfüllt. Also ist wegen der Normalität.
Die einfachsten Beispiele für irrationale reelle Zahlen sind u.s.w. Diese Beobachtung wird durch die folgende Aussage wesentlich verallgemeinert.
Es sei die kanonische Primfaktorzerlegung der natürlichen Zahl . Es sei eine positive natürliche Zahl und sei vorausgesetzt, dass nicht alle Exponenten ein Vielfaches von sind. Dann ist die reelle Zahl
irrational.
Die Zahl kann nach Voraussetzung keine -te Wurzel in besitzen, da in einer -ten Potenz alle Exponenten zu Primzahlen Vielfache von sind. Wegen der Faktorialität von und der daraus nach Satz 6.12 resultierenden Normalität kann es auch kein mit geben. Daher ist die reelle Zahl irrational.
Es sei ein normaler Integritätsbereich und sei ein multiplikatives System.
Dann ist auch die Nenneraufnahme normal.
Beweis
- Der ganze Abschluss in Erweiterungskörpern
Es sei ein Integritätsbereich mit Quotientenkörper und sei eine endliche Körpererweiterung. Der ganze Abschluss von in sei mit bezeichnet.
Dann ist der Quotientenkörper von .
Sei . Nach Voraussetzung ist endlich über . Daher erfüllt eine Ganzheitsgleichung der Form
mit . Sei ein gemeinsames Vielfaches der Nenner aller , . Multiplikation mit ergibt dann
Dies ist eine Ganzheitsgleichung für , da die Koeffizienten nach Wahl von alle zu gehören. Damit ist , da der ganze Abschluss ist. Somit zeigt , dass als ein Bruch mit einem Zähler aus und einem Nenner aus darstellbar ist, also im Quotientenkörper liegt.
Insbesondere zeigt die vorstehende Aussage, dass bei einer echten Körpererweiterung
auch der ganze Abschluss von echt größer als ist. Für uns steht die Situation, wo
eine endliche Körpererweiterung der rationalen Zahlen und der ganze Abschluss von in ist, im Mittelpunkt.
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