Kurs:Diskrete Mathematik (Osnabrück 2020)/Vorlesung 5/kontrolle
- Gruppen
Wir besprechen Gruppen. Mit dieser Struktur kann man viele strukturelle Gemeinsamkeiten zwischen der Menge der bijektiven Abbildungen auf einer Menge oder der Addition in einem kommutativen Ring wie oder der Multiplikation in einem Körper, wenn man die herausnimmt (wie in oder in ), erfassen.
Eine Menge mit einem ausgezeichneten Element und mit einer Verknüpfung
heißt Gruppe, wenn folgende Eigenschaften erfüllt sind.
- Die Verknüpfung ist assoziativ, d.h. für alle
gilt
- Das Element ist ein neutrales Element, d.h. für alle
gilt
- Zu jedem
gibt es ein inverses Element, d.h. es gibt ein
mit
Eine Gruppe ist also ein Monoid, in dem jedes Element ein inverses Element besitzt.
Eine Gruppe heißt kommutativ (oder abelsch), wenn die Verknüpfung kommutativ ist, wenn also für alle gilt.
Es sei
und
Dann ist
Allgemeiner gilt in Gruppen die eindeutige Lösbarkeit von mit der Verknüpfung formulierten Gleichungen.
Es sei eine Gruppe.
Dann besitzen zu je zwei Gruppenelementen die beiden Gleichungen
eindeutige Lösungen .
Wir betrachten die linke Gleichung. Aus beidseitiger Multiplikation mit (bzw. mit ) von links folgt, dass nur
als Lösung in Frage kommt. Wenn man dies einsetzt, so sieht man, dass es sich in der Tat um eine Lösung handelt.
In einer (multiplikativ geschriebenen) Gruppe kann man Potenzen allgemeiner als in einem Monoid definieren, nämlich auch für negative ganze Zahlen im Exponenten. Wie in jedem Monoid bezeichnet zu und der Ausdruck das -fache Produkt von mit sich selbst, was einschließt. Die Schreibweise für das inverse Element zu reiht sich in die neue Potenzschreibweise ein. Für eine negative ganze Zahl mit und setzt man
Dass dies die richtige Definition ist, zeigt sich darin, dass sich die Potenzgesetze aus Lemma 4.8 in die neue Situation übertragen.
Es sei eine Gruppe und seien . Dann gelten die folgenden Potenzgesetze für .
- Es ist
- Es ist das inverse Element zu .
(1) folgt aus Aufgabe 5.2, da eine Gruppe ist. (2). Bei ist die linke Gleichheit eine Definition und die Behauptung folgt aus
Daraus folgt auch die Aussage für negatives . Für (3), (4) siehe Aufgabe 5.9.
In einer kommutativen Gruppe gilt für
und
wieder die Gleichheit
siehe Aufgabe 5.10.
Es sei eine Gruppe. Eine Teilmenge heißt Untergruppe von wenn folgendes gilt.
- .
- Mit ist auch .
- Mit ist auch .
In einer Untergruppe kann man also die Verknüpfung der Gruppe ausführen, man kann das Inverse nehmen und das neutrale Element gehört dazu. In additiver Schreibweise, bedeuten die Bedingungen einfach
- .
- Mit ist auch .
- Mit ist auch das Negative .
Beispielsweise bilden alle Vielfachen der innerhalb der ganzen Zahlen eine Untergruppe, die wir mit bezeichnen. Es ist ja
wenn und sind, so ist
nach dem Distributivgesetz und mit ist . Wir werden in Satz 8.4, dass jede Untergruppe von diese Bauart hat.
- Kommutative Ringe
Eine Menge heißt ein Ring, wenn es zwei Verknüpfungen (genannt Addition und Multiplikation)
und (nicht notwendigerweise verschiedene) Elemente gibt, die die folgenden Eigenschaften erfüllen.
- Axiome der Addition
- Assoziativgesetz: Für alle gilt .
- Kommutativgesetz: Für alle gilt .
- ist das neutrale Element der Addition, d.h. für alle ist .
- Existenz des Negativen: Zu jedem gibt es ein Element mit .
- Axiome der Multiplikation
- Assoziativgesetz: Für alle gilt .
- ist das neutrale Element der Multiplikation, d.h. für alle ist .
- Distributivgesetz: Für alle gilt und .
Ein Ring heißt kommutativ, wenn die Multiplikation kommutativ ist.
Ein kommutativer Ring ist insbesondere ein kommutativer Halbring, alle für Halbringe geltenden Eigenschaften wie beispielsweise die allgemeine binomische Formel gelten insbesondere auch für kommutative Ringe. Der wesentliche Unterschied liegt in der zusätzlichen Bedingung (1.4), der Existenz des Negativen. Dies bedeutet, dass in einem Ring das additive Monoid eine (kommutative) Gruppe ist. Dieses Negative ist nach Lemma 5.3 eindeutig bestimmt. Für das zu jedem eindeutig bestimmte Negative schreiben wir . Wegen
ist auch das Negative zu , also .
Mit diesem Begriff können wir festhalten.
Die ganzen Zahlen
bilden einen kommutativen Ring.
Die einelementige Menge kann man zu einem Ring machen, indem man sowohl die Addition als auch die Multiplikation auf die einzig mögliche Weise erklärt, nämlich durch und . In diesem Fall ist , dies ist also ausdrücklich erlaubt. Diesen Ring nennt man den Nullring.
Einen weiteren endlichen Ring (und zwar einen Körper) haben wir bereits in Beispiel 4.12 kennengelernt. In der zwölften Vorlesung werden wir einer Vielzahl von weiteren endlichen Ringen begegnen.
In einem kommutativen Ring und Elemente verwendet man
als abkürzende Schreibweise. Man spricht von der Subtraktion bzw. der Differenz. Die Subtraktion ist also die Addition von mit dem Negativen (also ) von .
Es sei ein kommutativer Ring und seien Elemente aus .
Dann gelten folgende Aussagen.
-
(Annullationsregel),
-
(Vorzeichenregel),
- Es ist . Durch beidseitiges Abziehen (also Addition mit ) von ergibt sich die Behauptung.
-
nach Teil (1). Daher ist das (eindeutig bestimmte) Negative von .
- Nach (2) ist und wegen folgt die Behauptung.
- Dies folgt auch aus dem bisher Bewiesenen.
Wie in jedem kommutativen Halbring kann man in jedem kommutativen Ring Ausdrücke der Form mit
und
sinnvoll interpretieren, und zwar ist die -fache Summe von mit sich selbst. Auch die Potenzschreibweise wird wieder verwendet und es gelten insbesondere die in
Lemma 4.8
formulierten Potenzgesetze. Darüber hinaus kann man auch für negative Zahlen den Ausdruck interpretieren, nämlich als
Insbesondere ist
in jedem kommutativen Ring sinnvoll interpretierbar. Dabei gelten naheliegende Rechengesetze, siehe Aufgabe 5.22.
- Körper
Ein kommutativer Ring heißt Körper, wenn ist und wenn jedes von verschiedene Element ein multiplikatives Inverses besitzt.
Ein Körper ist also insbesondere ein kommutativer Ring. Jede Eigenschaft, die in einem kommutativen Ring gilt, gilt auch in einem Körper (aber nicht umgekehrt).
Die wichtigsten Körper sind für uns der Körper der rationalen Zahlen, der Körper der reellen Zahlen und der Körper der komplexen Zahlen. Der Körper mit zwei Elementen wurde in Beispiel 4.12 besprochen. Wir werden weitere endliche Körper in der zwölften Vorlesung konstruieren. Zu einem Element bezeichnet man, wie in jedem kommutativen Ring, dasjenige Element, das mit addiert die ergibt, als das Negative von , geschrieben . Zu einem Element , , bezeichnet man dasjenige Element, das mit multipliziert die ergibt, als das Inverse von (oder den Kehrwert von oder die zu reziproke Zahl), geschrieben . Auch dieses ist eindeutig bestimmt.
In einem Körper wird für beliebige Elemente mit , die Bruchschreibweise
verwendet. Es handelt sich also um eine Abkürzung für das Produkt von mit dem inversen Element von . Die Zahl ist das eindeutig bestimmte Element, das mit multipliziert das Element ergibt. Diese Schreibweise passt mit der Bruchschreibweise für rationale Zahlen zusammen, da ja
ist.
Die Berechnung von
nennt man Division, wobei der Dividend und der Divisor der Division heißt, das Ergebnis heißt Quotient.
In einem Körper ist wie in jedem kommutativen Ring die additive Struktur eine kommutative Gruppe. Insbesondere besitzt in jedem Körper eine Gleichung der Form
mit eine eindeutige Lösung, nämlich
wie sich direkt aus Lemma 5.4 ergibt. Darüber hinaus ist zu jedem Körper die multiplikative Struktur, wenn man die herausnimmt, also eine kommutative Gruppe. Dies bedeutet wiederum, dass eine Gleichung der Form
mit eine eindeutige Lösung in besitzt, nämlich
Die folgende Eigenschaft heißt die Nichtnullteilereigenschaft eines Körpers. Sie gilt auch für , im Allgemeinen aber nicht für jeden kommutativen Ring, siehe Aufgabe 5.5.
In einem Körper kann man die Potenzschreibweise erweitern, da ja eine Gruppe ist und man daher zu
,
und
der Ausdruck wohldefiniert ist. Wie bei jeder Gruppe ist zu einer natürlichen Zahl
das -fache Produkt von mit sich selbst
( Faktoren),
was den Fall
miteinschließt. Für negatives
schreibt man
mit
und setzt
Für diese Potenzen gelten insbesondere die in Lemma 5.5 formulierten Potenzgesetze, die die Potenzgesetze für positive Exponenten (siehe Lemma 4.8), die in jedem kommutativen Halbring gelten, wesentlich erweitern.