Kurs:Funktionentheorie (Osnabrück 2023-2024)/Vorlesung 2/kontrolle



Biholomorphe Funktionen

Es sei offen und zusammenhängend und eine differenzierbare Funktion. Im reellen Fall ist dann einfach ein offenes Intervall, und diese sind alle untereinander homöomorph. Dagegen gibt es im komplexen Fall eine Vielzahl an offenen Mengen, und es ist ein Bestreben der Funktionentheorie zu verstehen, wann diese zueinander homöomorph (bzw. diffeomorph oder biholomorph) sind. Es gibt eine erstaunliche enge Beziehung zwischen offenen Mengen in und den auf ihr definierten komplex-differenzierbaren Funktionen. Dabei kann man sich stets auf den zusammenhängenden Fall zurückziehen, weshalb der folgende Begriff verwendet wird.


Eine zusammenhängende offene Teilmenge heißt Gebiet.


Eine holomorphe Funktion zwischen offenen Mengen heißt biholomorph, wenn sie bijektiv und ihre Umkehrabbildung ebenfalls holomorph ist.

Zwei offene Mengen heißen biholomorph, wenn es eine biholomorphe Abbildung zwischen ihnen gibt. Eine biholomorphe Abbildung von auf sich selbst nennt man auch einen (biholomorphen) Automorphismus.


Zu komplexen Zahlen mit ist die affin-lineare Abbildung

biholomorph. Die Ableitung ist konstant gleich , die Umkehrabbildung ist ebenfalls affin-linear, das gilt ja für jeden Körper.


Es gilt sogar, dass diese affin-linearen Abbildungen die einzigen biholomorphen Abbildungen von in sich sind, siehe Satz 18.8.



Gebrochen-lineare Funktionen

Zu komplexen Zahlen mit

nennt man die Abbildung

eine gebrochen-lineare Funktion.

Es handelt sich um eine rationale Funktion, bei der Zähler und Nenner affin-lineare Polynome sind. Bei ist sie auf ganz definiert, andernfalls ist sie im einzigen Punkt nicht definiert. Man spricht auch von einer Möbius-Transformation, wobei dies hauptsächlich dann verwenden wird, wenn man die Abbildung auf die riemannsche Zahlenkugel fortsetzt. Die Bedingung bedeutet, dass die Determinante der Matrix nicht ist, was nach Fakt ***** dazu äquivalent ist, dass die Matrix invertierbar ist. Dies sichert, dass eine nicht konstante Funktion vorliegt. Eine solche invertierbare Matrix definiert also die gebrochen-lineare Funktion . Wir wollen die Beziehung zwischen diesen Matrizen und den zugehörigen gebrochen-linearen Funktionen verstehen. Eine Matrix der Form geht dabei auf die affin-lineare Abbildung , insbesondere geht eine Matrix der Form auf die komplexe Multiplikation mit , und eine Matrix der Form auf die Verschiebung , und die Matrix geht auf die komplexe Invertierung .



Lemma  Lemma 2.5 ändern

Die Abbildung

die einer invertierbaren Matrix die zugehörige gebrochen-lineare Funktion zuordnet,

ist ein Gruppenhomomorphismus, dessen Bild die Gruppe der gebrochen-linearen Abbildungen ist und dessen Kern aus den Streckungsmatrizen mit besteht.

Es sei eine zweite Matrix, die zugehörigen linear-gebrochen Funktionen seien und . Dann ist

Dies ist die gebrochen-lineare Funktion, die zur Produktmatrix

gehört.

Zu einer Streckungsmatrix gehört die gebrochen-lineare Funktion , also die Identität. Es sei eine invertierbare Matrix derart, dass die zugehörige gebrochen-lineare Funktion die Identität ist. Dann ist insbesondere

woraus folgt. Aus

und

folgt und dann auch .



Jede gebrochen-lineare Funktion mit

definiert eine biholomorphe Funktion

Die inverse Matrix zu ist , nach Lemma 2.5 ist die Umkehrabbildung zur durch die Matrix gegebene gebrochen-lineare Funktion gleich der gebrochen-linearen Funktion zur inverse Matrix. Insbesondere gibt es also eine Umkehrabbildung von der gleichen Bauart, wobei die inverse Abbildung in nicht definiert ist. Allerdings müssen wir noch begründen, dass dieser Punkt nicht getroffen wird, damit die beiden Abbildungen außerhalb des jeweils einen Punktes zusammenpassen. Betrachten wir also die Gleichung

die zu

bzw. zu

äquivalent ist, die keine Lösung besitzt.



Jede gebrochen-lineare Funktion

kann man als eine Hintereinanderschaltung einer Multiplikation mit einer komplexen Zahl , einer Verschiebung mit einer komplexen Zahl und der Invertierungsfunktion schreiben.

Wegen Lemma 2.5 folgt dies aus der Faktorisierung einer invertierbaren Matrix in eine Matrix der Form und in Elementarmatrizen.



Es seien verschiedene komplexe Zahlen.

Dann bildet die durch die Matrix gegebene gebrochen-lineare Funktion den Punkt auf und den Punkt auf ab und ist im Punkt nicht definiert.

Die zu zugehörige gebrochen-lineare Funktion ist durch

gegeben. Dies ist offenbar im Punkt nicht definiert. Ferner ist

und



Halbebene und Kreisscheibe

Unter der oberen Halbebene in versteht man


Die offene Kreisscheibe mit Mittelpunkt und Radius bezeichnen wir mit . Speziell ist die offene Einheitskreisscheibe.


Lemma  Lemma 2.10 ändern

Die Abbildungen

und

sind zueinander inverse biholomorphe Abbildungen zwischen der oberen Halbebene und der offenen Einheitskreisscheibe .

ist wegen auf definiert. Wir zeigen

was zu

äquivalent ist. Mit ist dies äquivalent zu

was wiederum äquivalent zu

ist, was wegen stimmt.

Für ist direkt , daher ist definiert. Sei mit . Dann ist

Da der Nenner eine positive reelle Zahl ist, ist der Imaginärteil dieser Zahl wegen

positiv, also liegt das Bild von in .

Wir berechnen nun die Hintereinanderschaltungen. Es ist

und



Die Abbildung

ist eine biholomorphe Abbildung zwischen der oberen Halbebene und der längs der negativen reellen Achse geschlitzten komplexen Ebene.

Beweis

Siehe Aufgabe 2.19.




Kreisringe



Es sei und reelle Zahlen. Unter dem offenen Kreisring versteht man die Menge

Es wird also aus einer größeren offenen Kreisscheibe eine kleinere konzentrische abgeschlossene Kreisscheibe herausgenommen. Die Offenheit beruht auf der Beschreibung

Statt Kreisring sagt man auch Annulus. Die reellen Zahlen und heißen die Radien des Kreisringes, oft erlaubt man für den oberen Radius auch . Der Fall ist ausdrücklich erlaubt, dann wird nur der eine Punkt herausgenommen. Häufig nimmt man als Mittelpunkt, dann schreibt man einfach .


Es sei und eine reelle Zahl. Unter der punktierten Kreisscheibe (mit Mittelpunkt und Radius ) versteht man die Menge

Die punktierte Kreisscheibe ist ein spezieller offener Kreisring, wobei der kleinere Radius gleich ist.



Jeder offene Kreisring , ,

ist biholomorph zu einem Kreisring der Form mit

Durch eine Verschiebung erhält man den offenen Kreisring . Durch Multiplikation mit geht dieser in den Kreisring über.


Der nach außen unbeschränkte Kreisring ist zur punktierten Kreisscheibe biholomorph, siehe Aufgabe 2.21.



Es sei der offene Kreisring zu den Radien um den Nullpunkt.

Dann induziert die komplexe Invertierung eine biholomorphe Abbildung

Beweis

Siehe Aufgabe 2.22.