Kurs:Funktionentheorie (Osnabrück 2023-2024)/Vorlesung 7/kontrolle
- Potenzreihen
Es sei eine Folge von komplexen Zahlen und eine weitere komplexe Zahl. Dann heißt die Reihe
die Potenzreihe in zu den Koeffizienten .
Durch Wahl geeigneter Koeffizienten kann man jede Reihe als Potenzreihe zu einer fixierten Zahl , , ansehen. Bei Potenzreihen ist es aber wichtig, dass man variieren lässt und dann die Potenzreihe im Konvergenzbereich eine Funktion in darstellt.
Genauer spricht man von einer Potenzreihe mit Entwicklungspunkt . Eine Potenzreihe mit Entwicklungspunkt ist ein Ausdruck der Form
Dies bedeutet, dass die geometrische Reihe auf dem beschriebenen Konvergenzbereich eine rationale Funktion darstellt und damit insbesondere nach
Lemma 1.17
komplex-differenzierbar ist. Dieser letzte Sachverhalt gilt für jede Potenzreihe, siehe
Satz 8.12.
Es seien
zwei absolut konvergente Potenzreihen in .
Dann ist das Cauchy-Produkt der beiden Reihen durch
gegeben.
Beweis
Insbesondere ist das Cauchyprodukt von zwei Potenzreihen wieder eine Potenzreihe.
- Die Exponentialreihe und die komplexe Exponentialfunktion
Eine weitere besonders wichtige Potenzreihe ist die Exponentialreihe, die für jede komplexe Zahl konvergiert und zur komplexen Exponentialfunktion führt.
Dies ist also die Reihe
Aufgrund dieser Eigenschaft können wir die komplexe Exponentialfunktion definieren.
Die folgende Aussage nennt man die Funktionalgleichung für die Exponentialfunktion.
- Die trigonometrischen Reihen
Für heißt
die Kosinusreihe und
die Sinusreihe zu .
Durch Vergleich mit der Exponentialreihe ergibt sich sofort, dass diese beiden Reihen für jedes absolut konvergieren. Die zugehörigen Funktionen
heißen Kosinus und Sinus. Beide Funktionen stehen unmittelbar in Zusammenhang mit der Exponentialfunktion, wobei man allerdings die komplexen Zahlen braucht, um diesen Zusammenhang zu erkennen.
Die Funktionen
und
besitzen für folgende Eigenschaften.
- Für
ist
Speziell gilt die eulersche Formel
- Es ist und .
- Es ist und .
- Es ist
und
- Es gelten die Additionstheoreme
und
- Es gilt
Beweis
Für reelle sind
und
wieder reell, wie unmittelbar aus der Potenzreihendarstellung folgt. Die letzte Aussage im vorstehenden Satz besagt, dass für reelles das Paar ein Punkt auf dem Einheitskreis ist. Wir werden später sehen, dass sich jeder Punkt des Einheitskreises als schreiben lässt, wobei man als Winkel
(im Bogenmaß)
interpretieren kann. Dabei tritt die Periode auf, wobei die Kreiszahl als das Doppelte der kleinsten positiven reellen Nullstelle des Kosinus eingeführt wird, siehe
Lemma 21.1 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)).
Mit dieser Zahl kann man die folgenden Periodizitätseigenschaften der trigonometrischen Funktionen formulieren.
Die Sinusfunktion und die Kosinusfunktion erfüllen in folgende Periodizitätseigenschaften.
- Es ist und für alle .
- Es ist und für alle .
- Es ist und für alle .
- Es ist , , und . Die Nullstellen des Kosinus sind von der Form , .
- Es ist , , , und . Die Nullstellen des Sinus sind von der Form , .
Beweis
- Funktionenfolgen
Wir haben gesehen, dass die Exponentialreihe für jedes konvergiert. Für jedes stellt also die Polynomfunktion
eine „approximierende Funktion“ für die Exponentialfunktion dar. Dabei ist allerdings die Güte der Approximation abhängig von (bei fixiertem ). Wir werden verschiedene Konzepte vorstellen, wie man eine Funktion als Grenzfunktion einer Funktionenfolge auffassen kann. Eine unmittelbare Anwendung wird sein, dass die Exponentialfunktion und andere durch eine Potenzreihe gegebene FUnktionen stetig sind.
Es sei eine Menge und
() eine Folge von Funktionen. Man sagt, dass die Funktionenfolge punktweise konvergiert, wenn für jedes die Folge
(in ) konvergiert.
Wenn eine punktweise konvergente Funktionenfolge vorliegt, so wird durch
eine sogenannte Grenzfunktion definiert.
Die Funktionenfolge konvergiert punktweise, die Grenzfunktion ist die Exponentialfunktion. Selbst wenn (bei ) sämtliche Funktionen stetig sind, muss diese Grenzfunktion nicht stetig sein.
Man braucht einen stärkeren Konvergenzbegriff, um die Stetigkeit der Grenzfunktion zu sichern.
Es sei eine Menge und
() eine Folge von Funktionen. Man sagt, dass die Funktionenfolge gleichmäßig konvergiert, wenn es eine Funktion
derart gibt, dass es zu jedem ein mit
gibt.
Bei gleichmäßiger Konvergenz liegt insbesondere punktweise Konvergenz vor und die Funktion aus der vorstehenden Definition ist die Grenzfunktion.
Es sei
eine Teilmenge und es seieine Folge von stetigen Funktionen, die gleichmäßig gegen die Funktion konvergiert.
Dann ist stetig.
Beweis
- Das Konvergenzkriterium von Weierstraß
Es sei eine Menge und
eine Funktion. Dann nennt man
das Supremum (oder die Supremumsnorm) von . Es ist eine nichtnegative reelle Zahl oder .
Die folgende Aussage heißt das Konvergenzkriterium von Weierstraß. Es geht darin um Funktionenfolgen , die als Partialsummen von Funktionen gegeben sind, wie dies auch bei Potenzreihen der Fall ist.
Es sei eine Menge und sei
Dann konvergiert die Reihe (also die Funktionenfolge ) gleichmäßig und punktweise absolut gegen eine Funktion
Sei
.
Wegen
ist aufgrund des
Majorantenkriteriums
die
Reihe
absolut konvergent,
und das bedeutet, dass die Funktionenreihe punktweise absolut konvergiert.
Wir setzen
und
Wir wollen zeigen, dass die Funktionenfolge gleichmäßig gegen konvergiert. Dazu sei vorgegeben. Aufgrund des Cauchy-Kriteriums für Reihen gibt es ein mit
für alle . Damit haben wir für und jedes insgesamt die Abschätzung