Kurs:Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2016-2017)/Teil I/Vorlesung 19
- Kommutative Ringe
Wir erfassen die in der letzten Vorlesung etablierten algebraischen Eigenschaften der ganzen Zahlen mit einem neuen Begriff.
Eine Menge heißt ein Ring, wenn es zwei Verknüpfungen (genannt Addition und Multiplikation)
und (nicht notwendigerweise verschiedene) Elemente gibt, die die folgenden Eigenschaften erfüllen.
- Axiome der Addition
- Assoziativgesetz: Für alle gilt .
- Kommutativgesetz: Für alle gilt .
- ist das neutrale Element der Addition, d.h. für alle ist .
- Existenz des Negativen: Zu jedem gibt es ein Element mit .
- Axiome der Multiplikation
- Assoziativgesetz: Für alle gilt .
- ist das neutrale Element der Multiplikation, d.h. für alle ist .
- Distributivgesetz: Für alle gilt und .
Ein Ring heißt kommutativ, wenn die Multiplikation kommutativ ist.
Ein kommutativer Ring ist insbesondere ein kommutativer Halbring, alle für Halbringe geltenden Eigenschaften wie beispielsweise die allgemeine binomische Formel gelten insbesondere auch für kommutative Ringe. Der wesentliche Unterschied liegt in der zusätzlichen Bedingung (1d), der Existenz des Negativen. Dieses Negative ist eindeutig bestimmt: Wenn nämlich sowohl als auch die Eigenschaft haben, dass ihre Addition zu den Wert ergibt, so erhält man direkt
Für das zu jedem eindeutig bestimmte Negative schreiben wir . Wegen
ist auch das Negative zu , also . Bei stimmt diese Definition mit der in der letzten Vorlesung gemachten Definition überein, wie der Beweis der Existenz des Negativen in Lemma 18.8 zeigt.
Mit diesem neuen Begriff können wir festhalten.
Die ganzen Zahlen
bilden einen kommutativen Ring.
Dies folgt unmittelbar aus Lemma 18.8.
In einem kommutativen Ring und Elemente verwendet man
als abkürzende Schreibweise. Man spricht von der Subtraktion bzw. der Differenz. Die Subtraktion ist also die Addition von mit dem Negativen (also ) von . Bei natürlichen Zahlen mit stimmt die innerhalb der natürlichen Zahlen genommenen Differenz (siehe die zehnte Vorlesung) mit der hier in über das Negative genommenen Differenz überein. Dies beruht darauf, dass es sich jeweils um eine Lösung der Gleichung
handelt und diese Gleichung eine eindeutige Lösung besitzt.
Es sei ein kommutativer Ring und seien Elemente aus .
Dann gelten folgende Aussagen.
-
(Annullationsregel),
-
(Vorzeichenregel),
- Es ist . Durch beidseitiges Abziehen (also Addition mit ) von ergibt sich die Behauptung.
-
nach Teil (1). Daher ist das (eindeutig bestimmte) Negative von .
- Nach (2) ist und wegen folgt die Behauptung.
- Dies folgt auch aus dem bisher Bewiesenen.
Wie in jedem kommutativen Halbring kann man in jedem kommutativen Ring Ausdrücke der Form mit und sinnvoll interpretieren, und zwar ist die -fache Summe von mit sich selbst. Auch die Potenzschreibweise wird wieder verwendet. Darüber hinaus kann man auch für negative Zahlen den Ausdruck interpretieren, nämlich als
Insbesondere ist
in jedem kommutativen Ring sinnvoll interpretierbar. Dabei gelten naheliegende Rechengesetze, siehe Aufgabe 19.10.
- Gruppen
Wir schauen uns kurz die Addition in einem kommutativen Ring genauer an. Hier begegnen wir einer Struktur, die später bei Körpern wieder auftaucht. Mit dieser Struktur kann man viele strukturelle Gemeinsamkeiten zwischen der Addition (in ) und der Multiplikation (beispielsweise in oder in ) erfassen.
Eine Menge mit einem ausgezeichneten Element und mit einer Verknüpfung
heißt Gruppe, wenn folgende Eigenschaften erfüllt sind.
- Die Verknüpfung ist assoziativ, d.h. für alle
gilt
- Das Element ist ein neutrales Element, d.h. für alle
gilt
- Zu jedem
gibt es ein inverses Element, d.h. es gibt ein
mit
Eine Gruppe heißt kommutativ (oder abelsch), wenn die Verknüpfung kommutativ ist, wenn also für alle gilt.
Es sei
und
Dann ist
Ein kommutativer Ring ist bezüglich der Addition insbesondere eine kommutative Gruppe. Insbesondere bilden die ganzen Zahlen eine kommutative Gruppe, das inverse Element zu ist das negative Element . Allgemein gilt in Gruppen die eindeutige Lösbarkeit von mit der Verknüpfung formulierten Gleichungen.
Es sei eine Gruppe.
Dann besitzen zu je zwei Gruppenelementen die beiden Gleichungen
eindeutige Lösungen .
Wir betrachten die linke Gleichung. Aus beidseitiger Multiplikation mit (bzw. mit ) von links folgt, dass nur
als Lösung in Frage kommt. Wenn man dies einsetzt, so sieht man, dass es sich in der Tat um eine Lösung handelt.
- Die Ordnung auf den ganzen Zahlen
Wir erweitern die Größergleichrelation auf den natürlichen Zahlen zu einer Ordnung auf den ganzen Zahlen.
Auf den ganzen Zahlen definieren wir folgendermaßen die Größergleichrelation . Wir sagen
wenn es eine natürliche Zahl mit
gibt.
Damit gilt bei der Interpretation an der Zahlengeraden wieder, dass
bedeutet, dass rechts von liegt.
- Wenn
ist, so ist
einfach die Ordnung auf , wie unmittelbar aus Lemma 10.2 folgt.
- Wenn
ist und negativ, so ist
da ja dann
mit ist, da ja sowohl als auch natürliche Zahlen sind.
- Wenn
und
beide negativ sind, so ist
genau dann, wenn (innerhalb der natürlichen Zahlen)
gilt. Die Beziehung mit einer natürlichen Zahl ist ja zu äquivalent, was man als schreiben kann.
Die Größergleichrelation auf den ganzen Zahlen erfüllt die folgenden Eigenschaften.
- Es liegt eine totale Ordnung vor.
- Aus folgt für beliebige ,
- Aus und folgt für beliebige .
Damit bilden die ganzen Zahlen einen angeordneten Ring im Sinne der folgenden Definition.
Ein kommutativer Ring heißt angeordnet, wenn es eine totale Ordnung auf gibt, die die beiden Eigenschaften
- Aus folgt für beliebige ,
- Aus und folgt für beliebige ,
erfüllt.
Die erste Eigenschaft nennt man Verträglichkeit mit der Addition, die zweite Verträglichkeit mit der Multiplikation. Neben den ganzen Zahlen werden wir später zwei weitere angeordnete Ringe kennenlernen, nämlich den Körper der rationalen Zahlen und den Körper der reellen Zahlen. Für all diese Ringe bzw. Körper gelten die folgenden Eigenschaften. Man überlege sich für den Fall der ganzen Zahlen, ob und inwiefern sich die Beweise der folgenden Aussagen vereinfachen.
In einem angeordneten Ring gelten die folgenden Eigenschaften.
- .
- Es ist genau dann, wenn ist.
- Es ist genau dann, wenn ist.
- Es ist genau dann, wenn ist.
- Aus und folgt .
- Aus und folgt .
- Aus und folgt .
- Aus und folgt .
- Aus und folgt .
- Aus und folgt .
- Nehmen wir an, dass
nicht gilt. Da eine totale Ordnung vorliegt, muss
gelten, Dies müssen wir zum Widerspruch führen. Nehmen wir an. Aufgrund der Verträglichkeit mit der Addition kann man beidseitig addieren und erhält
Aufgrund der Verträglichkeit mit der Multiplikation mit positiven Elementen kann man diese Abschätzung quadrieren und erhält
also ist zugleich , ein Widerspruch.
- Folgt unmittelbar aus der Verträglichkeit mit der Addition.
- Folgt unmittelbar aus der Verträglichkeit mit der Addition.
- Folgt unmittelbar aus der Verträglichkeit mit der Addition.
- Zweimalige Anwendung der Verträglichkeit mit der Addition liefert
- Aus
ergibt sich
nach (3). Aus der Verträglichkeit mit der Multiplikation ergibt sich
Addition mit ergibt .
- Siehe Aufgabe 19.17.
- Zweimalige Anwendung von (6) liefert
- Nach (2) ist
,
also
was wiederum bedeutet.
- Folgt aus (2) und aus .
Die Eigenschaft (2) kann man so verstehen, dass das Negative eines positiven Elementes negativ ist. Allerdings tritt dabei negativ in zwei verschiedenen Bedeutungen auf!
- Die Teilbarkeitsbeziehung für ganze Zahlen
Wir wollen die Teilbarkeitsbeziehung von auf erweitern.
Man sagt, dass die ganze Zahl die ganze Zahl teilt (oder dass von geteilt wird, oder dass ein Vielfaches von ist), wenn es eine ganze Zahl derart gibt, dass ist. Man schreibt dafür auch .
Für natürliche Zahlen gilt in genau dann, wenn in gilt. Die folgende Aussage ist eine direkte Verallgemeinerung von Lemma 12.3, sie beruht ausschließlich auf Eigenschaften eines kommutativen Ringes.
In gelten folgende Teilbarkeitsbeziehungen.
- Für jede ganze Zahl gilt und .
- Für jede ganze Zahl gilt .
- Gilt und , so gilt auch .
- Gilt und , so gilt auch .
- Gilt , so gilt auch für jede ganze Zahl .
- Gilt und , so gilt auch für beliebige ganze Zahlen .
Beweis
- Die Zifferndarstellung für ganze Zahlen
Die Zifferndarstellung von natürlichen Zahlen überträgt sich direkt auf ganze Zahlen, wobei die Zifferndarstellung einer negativen Zahl
einfach die Zifferndarstellung von (also der im Betrag genommenen Zahl) mit einem Minuszeichen davor ist. Für die schriftliche Durchführung des Addierens, des Multiplizierens und des Subtrahierens geht man abhängig davon vor, ob die beteiligten Zahlen beide positiv, beide negativ oder ob eine positiv, eine negativ ist. Wenn beide positiv sind werden die Verfahren für natürliche Zahlen direkt angewendet. Die Korrektheit der folgenden Regeln beruht auf Lemma 19.4 und der Korrektheit der schriftlichen Operationen innerhalb der natürlichen Zahlen.
Zur Addition
- Wenn beide Zahlen negativ sind, so nimmt man den Betrag der beiden Zahlen, addiert diese und nimmt davon das Negative.
- Wenn eine Zahl positiv ist und eine negativ ist, so zieht man von der betragsmäßig größeren Zahl die betragsmäßig kleinere Zahl ab. Wenn die positive Zahl betragsmäßig größer ist, so hat man die Lösung, wenn die negative Zahl betragsmäßig größer ist, so muss man das Errechnete negieren.
Zur Multiplikation
- Wenn beide Zahlen negativ sind, so multipliziert man einfach die Beträge der beiden Zahlen miteinander.
- Wenn eine Zahl positiv ist und eine negativ ist, so multipliziert man ebenfalls die Beträge miteinander und nimmt dieses Ergebnis negativ.
Die Subtraktion fasst man als Addition mit eventuell negativen Zahlen auf.
Wenn eine ganze Zahl in der Form
gegeben ist, wobei die beliebige ganze Zahlen sind, so kann man nicht unmittelbar die zugehörige Dezimalentwicklung ablesen, da dies wesentlich davon abhängt, ob die Zahl positiv oder negativ ist.
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