Kurs:Invariantentheorie (Osnabrück 2012-2013)/Vorlesung 11



Ganzheit

In der nächsten Vorlesung werden wir sehen, dass bei einer endlichen Gruppe, die auf einem kommutativen Ring als Gruppe von Ringautomorphismen operiert, der Ring ganz über seinem Invariantenring ist, wodurch eine enge Beziehung zwischen diesen beiden Ringen gestiftet wird. Hier führen wir die Ganzheit und verwandte Begriffe ein.


Definition  

Es seien und kommutative Ringe und sei eine Ringerweiterung. Für ein Element heißt eine Gleichung der Form

wobei die Koeffizienten , zu gehören, eine Ganzheitsgleichung für .


Definition  

Es seien und kommutative Ringe und eine Ringerweiterung. Ein Element heißt ganz (über ), wenn eine Ganzheitsgleichung mit Koeffizienten aus erfüllt.


Definition  

Es seien und kommutative Ringe und eine Ringerweiterung. Dann nennt man die Menge der Elemente , die ganz über sind, den ganzen Abschluss von in .


Definition  

Es seien und kommutative Ringe und sei eine Ringerweiterung. Dann heißt ganz über , wenn jedes Element ganz über ist.

ist genau dann ganz über , wenn der ganze Abschluss von in gleich ist.



Lemma  

Es seien und kommutative Ringe und eine Ringerweiterung. Für ein Element sind folgende Aussagen äquivalent.

  1. ist ganz über .
  2. Es gibt eine -Unteralgebra von mit und die ein endlicher -Modul ist.
  3. Es gibt einen endlichen -Untermodul von , der einen Nichtnullteiler aus enthält, mit .

Beweis  

(1) (2). Wir betrachten die von den Potenzen von erzeugte -Unteralgebra von , die aus allen polynomialen Ausdrücken in mit Koeffizienten aus besteht. Aus einer Ganzheitsgleichung

ergibt sich

Man kann also durch einen polynomialen Ausdruck von einem kleineren Grad ausdrücken. Durch Multiplikation dieser letzten Gleichung mit kann man jede Potenz von mit einem Exponenten durch einen polynomialen Ausdruck von einem kleineren Grad ersetzen. Insgesamt kann man dann aber all diese Potenzen durch polynomiale Ausdrücke vom Grad ersetzen. Damit ist

und die Potenzen bilden ein endliches Erzeugendensystem von .

(2) (3). Sei , eine -Unteralgebra, die als -Modul endlich erzeugt sei. Dann ist , und enthält den Nichtnullteiler .

(3) (1). Sei ein endlich erzeugter -Untermodul mit . Es seien erzeugende Elemente von . Dann ist insbesondere für jedes eine -Linearkombination der . Dies bedeutet

mit , oder, als Matrix geschrieben,

Dies schreiben wir als

Nennen wir diese Matrix (die Einträge sind aus ), und sei die adjungierte Matrix. Dann gilt ( bezeichne den Vektor ) und nach der Cramerschen Regel ist , also gilt . Es ist also für alle und damit

für alle . Da nach Voraussetzung einen Nichtnullteiler enthält, muss sein. Die Determinante ist aber ein normierter polynomialer Ausdruck in vom Grad , so dass eine Ganzheitsgleichung vorliegt.



Korollar  

Es seien und kommutative Ringe und sei eine Ringerweiterung.

Dann ist der ganze Abschluss von in eine -Unteralgebra von .

Beweis  

Die Ganzheitsgleichungen , zeigen, dass jedes Element aus ganz über ist. Seien und ganz über . Nach der Charakterisierung der Ganzheit gibt es endliche -Unteralgebren mit und . Es sei ein -Erzeugendensystem von und ein -Erzeugendensystem von . Wir können annehmen, dass ist. Betrachte den endlich erzeugten -Modul

der offensichtlich und (und ) enthält. Dieser -Modul ist auch wieder eine -Algebra, da für zwei beliebige Elemente gilt

und für die Produkte gilt und , so dass diese Linearkombination zu gehört. Dies zeigt, dass die Summe und das Produkt von zwei ganzen Elementen wieder ganz ist. Deshalb ist der ganze Abschluss ein Unterring von , der enthält. Also liegt eine -Unteralgebra vor.



Definition  

Es seien und kommutative Ringe und eine Ringerweiterung. Man nennt ganz-abgeschlossen in , wenn der ganze Abschluss von in gleich ist.



Ganzheit und Endlichkeit

Eng verwandt mit der Ganzheit ist die Endlichkeit der Algebra über , die einfach bedeutet, dass ein endlich erzeugter -Modul ist.



Lemma  

Es sei eine endliche -Algebra und ein endlich erzeugter -Modul.

Dann ist auch ein endlich erzeugter -Modul.

Beweis  

Es sei ein -Modul-Erzeugendensystem von und ein -Modul-Erzeugendensystem von . Dann bilden die Produkte , , , ein -Modul-Erzeugendensystem von .



Korollar  

Es sei eine endliche -Algebra und eine endliche -Algebra.

Dann ist eine endliche -Algebra.

Beweis  

Dies folgt direkt aus Lemma 11.8.



Satz  

Es sei ein ganzer Ringhomomorphismus von endlichem Typ.

Dann ist endlich über .

Beweis  

Es sei . Wir betrachten die Kette

von ganzen Ringhomomorphismen, die jeweils durch ein Element erzeugt werden. Nach Korollar 11.9 genügt es zu zeigen, dass

endlich ist, wenn eine Ganzheitsgleichung über erfüllt. Mit der Ganzheitsgleichung lässt sich aber eine Potenz (und damit alle höheren Potenzen) von als - Linearkombination der kleineren Potenzen ausdrücken, so dass ein endlich erzeugter -Modul vorliegt.



Normale und faktorielle Integritätsbereiche

Definition  

Ein Integritätsbereich heißt normal, wenn er ganz-abgeschlossen in seinem Quotientenkörper ist.

Wichtige Beispiele für normale Ringe werden durch faktorielle Ringe geliefert.


Definition  

Ein Integritätsbereich heißt faktorieller Bereich, wenn jede Nichteinheit sich als ein Produkt von Primelementen schreiben lässt.



Lemma  

Es sei ein Integritätsbereich. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.

  1. ist faktoriell.
  2. Jede Nichteinheit besitzt eine Faktorzerlegung in irreduzible Elemente, und diese Zerlegung ist bis auf Umordnung und Assoziiertheit eindeutig.
  3. Jede Nichteinheit besitzt eine Faktorzerlegung in irreduzible Elemente, und jedes irreduzible Element ist ein Primelement.

Beweis  

. Sei eine Nichteinheit. Die Faktorisierung in Primelemente ist insbesondere eine Zerlegung in irreduzible Elemente, so dass also lediglich die Eindeutigkeit zu zeigen ist. Dies geschieht durch Induktion über die minimale Anzahl der Primelemente in einer Faktorzerlegung. Wenn es eine Darstellung mit einem Primelement gibt, und eine weitere Zerlegung in irreduzible Faktoren ist, so teilt einen der Faktoren und nach Kürzen durch erhält man, dass das Produkt der übrigen Faktoren rechts eine Einheit sein muss. Das bedeutet aber, dass es keine weiteren Faktoren geben kann. Es sei nun und diese Aussage sei für Elemente mit kleineren Faktorisierungen in Primelemente bereits bewiesen. Es sei

eine weitere Zerlegung mit irreduziblen Elementen. Dann teilt wieder einen der Faktoren rechts, sagen wir . Dann muss eine Einheit sein und wir können durch kürzen, wobei wir mit verarbeiten können, was ein zu assoziiertes Element ergibt. Das gekürzte Element hat eine Faktorzerlegung mit Primelementen, so dass wir die Induktionsvoraussetzung anwenden können.
. Wir müssen zeigen, dass ein irreduzibles Element auch prim ist. Es sei also irreduzibel und es teile das Produkt , sagen wir

Für und gibt es Faktorzerlegungen in irreduzible Elemente, so dass sich insgesamt die Gleichung

ergibt. Es liegen also zwei Zerlegungen in irreduzible Element vor, die nach Voraussetzung im Wesentlichen übereinstimmen müssen. D.h. insbesondere, dass es auf der rechten Seite einen Faktor gibt, sagen wir , der assoziiert zu ist. Dann teilt auch den ursprünglichen Faktor .
. Das ist trivial.


Der Polynomring über einem Körper ist faktoriell, was wir aber nicht beweisen werden.



Satz  

Es sei ein faktorieller Integritätsbereich.

Dann ist normal.

Beweis  

Sei der Quotientenkörper von und ein Element, das die Ganzheitsgleichung

mit erfüllt. Wir schreiben  mit , , wobei wir annehmen können, dass die Darstellung gekürzt ist, dass also und keinen gemeinsamen Primteiler besitzen. Wir haben zu zeigen, dass eine Einheit in ist, da dann zu gehört.

Wir multiplizieren die obige Ganzheitsgleichung mit und erhalten in

Wenn keine Einheit ist, dann gibt es einen Primteiler von . Dieser teilt alle Summanden  für und daher auch den ersten, also . Das bedeutet aber, dass selbst ein Vielfaches von ist im Widerspruch zur vorausgesetzten Teilerfremdheit.



Definition  

Es sei ein Integritätsbereich und sein Quotientenkörper. Dann nennt man den ganzen Abschluss von in die Normalisierung von .



<< | Kurs:Invariantentheorie (Osnabrück 2012-2013) | >>

PDF-Version dieser Vorlesung

Arbeitsblatt zur Vorlesung (PDF)