Kurs:Invariantentheorie (Osnabrück 2012-2013)/Vorlesung 12
Wir kommen nun zu wichtigen Folgerungen der in den letzten beiden Vorlesungen entwickelten Begriffe für die Invariantentheorie.
- Ganzheit und Invariantenringe
Es sei ein kommutativer Ring, auf dem eine endliche Gruppe durch Ringautomorphismen operiere.
Dann ist eine ganze Erweiterung.
Zu betrachten wir das Produkt
Die Koeffizienten dieses Polynoms gehören zum Invariantenring . Ferner ist normiert und es ist (da ja ein Linearfaktor ist). Somit liefert eine Ganzheitsgleichung für über und daher ist ganz.
Es sei ein normaler Integritätsbereich und eine Gruppe, die auf als Gruppe von Ringautomorphismen operiere.
Dann ist auch der Invariantenring normal.
Es sei und erfülle eine Ganzheitsgleichung über . Wegen ist auch ganz über und wegen der Normalität von muss gelten. Wegen
Es ist eine wichtige Frage, welche weiteren Eigenschaften eines Ringes sich
- unter welchen Bedingungen -
auf einen Invariantenring übertragen. Für die endliche Erzeugtheit werden wir das im Folgenden behandeln, für die Faktorialität weiter unten. Die Eigenschaft, dass der Invariantenring bei einer linearen Operation ein Polynomring
(also „regulär“)
ist, werden wir später ausführlich behandeln.
- Der Satz von Noether
Der folgende Satz heißt Satz von Noether.
Es sei ein Körper, eine endlich erzeugte kommutative - Algebra, auf der eine endliche Gruppe durch - Algebraautomorphismen operiere.
Dann ist der Invariantenring eine endlich erzeugte -Algebra.
Es sei
Nach Lemma 12.1 ist eine ganze Erweiterung. Zu jedem gibt es daher eine Ganzheitsgleichung
mit . Wir betrachten die von den Koeffizienten erzeugte - Unteralgebra von , also
Dabei ist endlich erzeugt, und sämtliche Ganzheitsgleichungen sind über formulierbar, d.h. nach Korollar 11.6, dass auch über ganz ist. Da über endlich erzeugt ist, ist insbesondere über endlich erzeugt, sodass nach Satz 11.10 sogar endlich ist. Da noethersch ist, muss nach Satz 10.13 auch die -Unteralgebra ein endlicher -Modul sein. Damit ist insgesamt eine endlich erzeugte -Algebra.
Aus Lemma 12.1 und Satz 12.3 folgt in Zusammenhang mit Satz 11.10, dass eine endliche Abbildung ist.
Das 14. Hilbertsche Problem ist die Frage, ob für jede Gruppenoperation auf einer endlich erzeugten -Algebra auch der Invariantenring endlich erzeugt ist. Es wurde von Hilbert 1900 auf dem internationalen Mathematikerkongress in Paris als eines seiner 23 mathematischen Probleme vorgestellt und in den späten Fünfzigern durch ein Gegenbeispiel von Masayoshi Nagata negativ beantwortet.
- Der Satz von Hilbert
Wir geben einen weiteren Beweis für den Endlichkeitssatz unter der Voraussetzung, dass der Invariantenring ein direkter Summand ist. Die dabei operierende Gruppe muss nicht endlich sein. Die Voraussetzung, dass es einen Reynolds-Operator gibt, ist für endliche Gruppen erfüllt, wenn ihre Ordnung kein Vielfaches der Charakteristik ist. Sie ist ferner für die sogenannten linear-reduktiven Gruppen in Charakteristik erfüllt, also beispielsweise für die allgemeine lineare Gruppe, was wir später zeigen werden.
Es sei ein Körper. Eine - graduierte kommutative - Algebra heißt positiv-graduiert, wenn für und ist.
Insbesondere kann man den Polynomring positiv graduieren, wenn man jeder Variablen einen positiven Grad zuweist.
Es sei eine Gruppe, die auf dem positiv graduierten Polynomring als Gruppe von homogenen Ringautomorphismen operiere. Es sei das von allen homogenen Invarianten positiven Grades erzeugte Ideal in und es sei ein homogenes Idealerzeugendensystem dieses Ideals. Es sei vorausgesetzt, dass der Invariantenring ein homogener direkter Summand des Polynomringes ist.
Dann bilden die ein Algebraerzeugendensystem des Invariantenringes, d.h. es ist
Aufgrund der Homogenität der Operation ist der Invariantenring selbst positiv graduiert. Wir beweisen die Inklusion
von positivem Grad. Wegen kann man
mit homogenen Elementen von einem Grad schreiben. Der Reynolds-Operator
angewendet auf diese Gleichung, liefert
Dabei ist der Grad der gleich dem Grad der und somit kleiner als der Grad von und sie gehören zum Invariantenring, sodass die nach Induktionsvoraussetzung in der von den erzeugten Algebra liegen.
Es sei eine Gruppe, die auf dem positiv graduierten Polynomring als Gruppe von homogenen - Algebraautomorphismen operiere. Es sei vorausgesetzt, dass der Invariantenring ein homogener direkter Summand des Polynomringes ist.
Dann ist der Invariantenring eine endlich erzeugte - Algebra.
Es sei das von allen Invarianten positiven Grades erzeugte Ideal in . Aufgrund des Hilbertschen Basissatzes besitzt ein endliches Idealerzeugendensystem. Daher folgt die Aussage aus Lemma 12.6.
- Faktorialität der Invariantenringe
Während Invariantenringe unter schwachen Voraussetzungen normal sind, ist die Faktorialität eher eine seltene Eigenschaft. In Beispiel 7.13 haben wir eine lineare Operation einer zyklischen Gruppe auf kennengelernt, deren Invariantenring gleich ist. Die Gleichung zeigt, dass eine zwei wesentlich verschiedene Zerlegungen in irreduzible Elemente vorliegt. Dieser Invariantenring ist also nicht fakoriell.
Es sei ein faktorieller Bereich und es sei eine endliche Gruppe, die auf als Gruppe von Ringautomorphismen operiere. Die Charaktergruppe zu mit Werten in der Einheitengruppe sei trivial, d.h. es ist
Dann ist auch der Invariantenring faktoriell.
Wir zeigen, dass , , eine im Wesentlichen eindeutige Zerlegung in irreduzible Faktoren besitzt. Sei
die Zerlegung in in irreduzible Faktoren, wobei die paarweise nicht (in ) assoziiert seien. Für jedes ist dann auch
Wegen der Faktorialität von muss diese Zerlegung mit der ursprünglichen Faktorzerlegung übereinstimmen, d.h. zu jedem gibt es ein und eine Einheit mit
Es sei
und assoziiert sind. Wir setzen
Insbesondere ist dann
Es ist
mit einer (von abhängigen) Einheit
An dieser letzten Darstellung sieht man, dass die Zuordnung , , ein Charakter ist. Nach Voraussetzung ist dieser also trivial, und damit sind die invariant. Somit ist
sofort zu einer Zerlegung von in Teilprodukte führt, die aber wegend er Wahl der nicht invariant sein können. Wenn eine beliebige Zerlegung von in irreduzible Faktoren ist, so sind die , aufgefasst in , Produkte gewisser , und wegen der Wahl der wird sogar von einem (in und in ) geteilt. Es liegt also eine eindeutige Zerlegung in irreduzible Faktoren vor und damit ist nach Lemma 11.13 (2) faktoriell.
Es sei ein Körper und . Es sei eine endliche Gruppe, die auf als Gruppe von - Algebraautomorphismen operiere. Die Charaktergruppe sei trivial.
Dann ist auch der Invariantenring faktoriell.
Dies folgt aus Satz 12.8.
Das Beispiel der symmetrischen Gruppe zusammen mit dem nichttrivialen Signumscharakter, wo der Invariantenring ein Polynomring ist, zeigt, dass die Bedingung des vorstehenden Satzes nicht notwendig für die Faktorialität des Invariantenringes ist.
- Die Krulldimension
Es sei ein kommutativer Ring. Eine Kette aus Primidealen
nennt man Primidealkette der Länge (es wird also die Anzahl der Inklusionen gezählt, nicht die Anzahl der beteiligten Primideale). Die Dimension (oder Krulldimension) von ist das Supremum über alle Längen von Primidealketten. Sie wird mit bezeichnet.
Wir werden hier die Dimensionstheorie nicht systematisch entwickeln. Ohne Beweis teilen wir das folgende Ergebnis mit.
Es sei ein noetherscher Ring der Dimension .
Dann besitzt der Polynomring die Dimension .
Insbesondere ist die Dimension des Polynomringes über einem Körper gleich . Wir werden bald, ausgehend von der Ganzheit über dem Invariantenring, sehen, dass der Invariantenring dimensionsgleich zum Ausgangsring ist.
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