Kurs:Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2011)/Vorlesung 20/kontrolle
In den nächsten drei Vorlesungen möchten wir auflösbare Körpererweiterungen galoistheoretisch charakterisieren und insbesondere zeigen, dass nicht jede Körpererweiterung auflösbar ist, also sich nicht jedes Polynom durch (sukzessive) Radikale (auf)lösen lässt. In dieser Vorlesung bereiten wir dazu das gruppentheoretische Fundament.
- Auflösbare Gruppen
Eine Gruppe heißt auflösbar, wenn es eine Filtrierung
derart gibt, dass ein Normalteiler in ist und die Restklassengruppe abelsch ist (für jedes ).
Die in dieser Definition auftretende Filtrierung nennt man auch eine auflösende Filtrierung. Eine kommutative Gruppe ist natürlich auflösbar, wie die triviale Filtrierung zeigt. Die Permutationsgruppe ist auflösbar, wie die Untergruppe mit der Restklassengruppe zeigt.
Es sei eine auflösbare Gruppe.
Dann ist auch jede Untergruppe auflösbar.
Wir gehen von einer auflösenden Filtrierung
aus, d.h., dass die Normalteiler in und die Restklassengruppen kommutativ sind. Die Untergruppe besitzt durch eine induzierte Filtrierung. Dabei liegt das kommutative Diagramm
vor. Wir betrachten den Homomorphismus
Der Kern von ist offenbar . Daher ist nach Lemma 5.6 ein Normalteiler in , und der Quotient ist nach Satz 5.12 eine Untergruppe von und damit kommutativ. Also bilden die eine auflösende Filtrierung von .
Es sei eine Gruppe, ein Normalteiler und die zugehörige Restklassengruppe.
Dann ist genau dann auflösbar, wenn dies für und gilt.
Es sei zunächst
auflösbar.
Nach
Lemma 20.2
ist
auflösbar.
Betrachten wir also die Restklassengruppe
und fixieren wir eine
auflösende Filtrierung
Es sei
der Restklassenhomomorphismus. Wir setzen , dies ist eine Filtrierung von mit Untergruppen. Wir betrachten das kommutative Diagramm
wobei die vertikalen Homomorphismen surjektiv sind. Wir behaupten, dass ein Normalteiler in ist, und ziehen dazu Lemma 5.4 heran. Es sei also und , die wir durch bzw. repräsentieren. Dann ist und wegen der Normalität von in ist und somit . Wir betrachten die zusammengesetzte surjektive Abbildung
Da zum Kern dieser Abbildung gehört, gibt es aufgrund von Satz 5.10 eine surjektive Abbildung
weshalb ebenfalls kommutativ ist.
Es seien nun und auflösbar, sei der Restklassenhomomorphismus und seien
und
auflösende Filtrierungen. Wir ergänzen die Filtrierung von durch die Urbilder zu einer Filtrierung von . Die surjektive Abbildung
besitzt den Kern und zeigt, dass ein Normalteiler in mit kommutativer Restklassengruppe ist.
Die Definition einer auflösbaren Gruppe legt nicht nahe, wie man eine solche Filtrierung finden könnte. Ein systematischer Weg, eine solche Filtrierung zu finden, falls es denn eine gibt, wird durch iterierte Kommutatorgruppen gegeben. Ein Kommutator ist ein Element der Form .
Zu einer Gruppe heißt die von allen Kommutatoren , , erzeugte Untergruppe die Kommutatorgruppe von . Sie wird mit bezeichnet.
Es sei eine Gruppe und ihre Kommutatorgruppe. Dann gelten folgende Aussagen.
- ist ein Normalteiler in .
- Die Restklassengruppe ist abelsch.
- Die Gruppe ist genau dann abelsch, wenn trivial ist.
(1). Es ist zu zeigen, dass für jedes der Automorphismus
die Untergruppe in sich selbst überführt. Für einen Kommutator ist
wieder ein Kommutator. Daher wird auch jedes Produkt von Kommutatoren auf ein Produkt von Kommutatoren abgebildet und somit ist
.
(2). In der Restklassengruppe ist
(3). Eine Gruppe ist genau dann abelsch, wenn sämtliche Kommutatoren trivial sind.
Die erste Kommutatorgruppe ist einfach die Kommutatorgruppe, die zweite Kommutatorgruppe ist die Kommutatorgruppe der Kommutatorgruppe, u.s.w. Dies ergibt insgesamt eine absteigende Filtrierung
Diese Filtrierung kann unendlich absteigend sein oder aber stationär werden, d.h. es kann gelten. Die Auflösbarkeit einer Gruppe kann mit dieser Filtrierung folgendermaßen charakterisiert werden.
Wenn die Filtrierung der iterierten Kommutatorgruppen trivial wird, sagen wir
so liegt unmittelbar eine auflösende Filtrierung vor, da ja
nach
Lemma 20.5
ein
Normalteiler
ist mit einer
abelschen
Restklassengruppe.
Es sei nun
auflösbar.
Wir zeigen durch Induktion über die Anzahl der beteiligten Untergruppen in einer auflösenden Filtrierung von , dass die Filtrierung der iterierten Kommutatorgruppen trivial wird. Dabei sind die Fälle
klar. Wir betrachten die Untergruppe
in der Filtrierung. Da die Restklassengruppe kommutativ ist, wird die Kommutatorgruppe unter der Restklassenabbildung auf abgebildet und daher ist
.
Dabei besitzt natürlich eine auflösende Filtrierung mit Untergruppen, und der Beweis zu
Lemma 20.2
zeigt, dass dies auch für die Untergruppe gilt. Nach Induktionsvoraussetzung wird also die Filtrierung von durch die iterierten Kommutatorgruppen trivial.
Für
sind die Permutationsgruppen nicht auflösbar.
Wir betrachten eine Filtrierung
derart, dass die Normalteiler sind mit kommutativen Restklassengruppen. Wir werden zeigen, dass jedes sämtliche Dreierzykel (also Permutationen, bei denen drei Elemente zyklisch vertauscht werden, und alle übrigen festgelassen werden), enthält. Daher kann diese Filtrierung nicht bei der trivialen Gruppe enden, also ist . Die Aussage über die Dreierzykel beweisen wir durch absteigende Induktion, wobei der Fall klar ist. Es sei also vorausgesetzt, dass alle Dreierzykel enthält. Es sei ein Dreierzyklus (mit verschiedenen Elementen .) Wegen gibt es noch zwei weitere Elemente , die von und untereinander verschieden sind. Nach Induktionsvoraussetzung gehören die Dreierzykel
zu . Eine elementare Überlegung zeigt
Dieses Element wird unter der Restklassenabbildung
auf das neutrale Element abgebildet, da ja die Restklassengruppe kommutativ ist. Also ist .
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