Kurs:Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)/Vorlesung 25/kontrolle



Die Quadratur des Rechtecks
Die Spirale des Theodorus. In dieser Weise kann man alle Quadratwurzeln von natürlichen Zahlen konstruieren.



Es sei ein Rechteck in der Ebene gegeben.

Dann lässt sich mit Zirkel und Lineal ein flächengleiches Quadrat konstruieren.

Die Längen der Rechteckseiten seien und . Wir wählen einen Eckpunkt des Rechtecks als Nullpunkt und verwenden die Geraden durch die anliegenden Rechteckseiten als Koordinatenachsen. Wir wählen willkürlich einen Punkt () auf einer der Achsen und schlagen einen Kreis um den Nullpunkt durch den Eckpunkt auf der anderen Achse, sodass beide Seitenlängen auf der mit und markierten Achse liegen. Darauf führen wir die Multiplikation nach Lemma 24.8 durch. Aus diesem Produkt zieht man nun gemäß Lemma 24.10 die Quadratwurzel und erhält somit . Mit dieser Streckenlänge konstruiert man ein Quadrat, dessen Flächeninhalt gleich dem Flächeninhalt des vorgegebenen Rechtecks ist.


Man beachte, dass im Beweis der vorstehenden Aussage die Zahl (also der Punkt auf der Achse) von der Wahl der abhängt, nicht aber und damit natürlich auch nicht die Seitenlänge des konstruierten Quadrats.



Konstruierbare und algebraische Zahlen

Wir wollen nun die konstruierbaren Zahlen algebraisch mittels quadratischer Körpererweiterungen charakterisieren. Unter einer reell-quadratischen Körpererweiterung eines Körpers verstehen wir eine quadratische Körpererweiterung mit , die sich also innerhalb der reellen Zahlen abspielt. Eine solche Körpererweiterung ist immer durch die Adjunktion einer Quadratwurzel einer positiven reellen Zahl  mit , gegeben. Es gilt die Isomorphie



Lemma  Lemma 25.2 ändern

Es sei ein Körper. Es sei ein Punkt, der sich aus in einem Schritt konstruieren lässt.

Dann liegen die Koordinaten von in einer reell-quadratischen Körpererweiterung von .

Wir gehen die drei Möglichkeiten durch, einen Punkt aus in einem Schritt zu konstruieren. Es sei der Schnittpunkt von zwei verschiedenen Geraden und , die über definiert sind. Es sei also und mit . Dann gehört der Schnittpunkt zu und seine Koordinaten gehören zu .
Es sei eine über definierte Gerade und ein über definierter Kreis. Dann ist und mit . Wir können annehmen, dass ist, sodass die Geradengleichung auf die Form gebracht werden kann. Einsetzen von dieser Gleichung in die Kreisgleichung ergibt eine quadratische Gleichung für über . Die reellen Koordinaten der (eventuell komplexen) Lösungen davon liegen in einer quadratischen Erweiterung von . Das gilt dann auch für die zugehörigen Lösungen für .
Es seien nun und zwei über definierte verschiedene Kreise. Es seien und die Kreisgleichungen. Ein Schnittpunkt der beiden Kreise muss auch jede Linearkombination der beiden Gleichungen erfüllen. Wir betrachten die Differenz der beiden Gleichungen, die die Gestalt

besitzt. D.h. dies ist eine Geradengleichung, und die Schnittpunkte der beiden Kreise stimmen mit den Schnittpunkten eines Kreises mit dieser Geraden überein. Wir sind also wieder im zweiten Fall.




Wir betrachten die beiden Kreise mit den Kreisgleichungen

Die Differenz der beiden Gleichungen ist

bzw.

Die Schnittpunkte der beiden Kreise müssen also auch auf der durch gegebenen Geraden liegen. Setzt man diese Geradenbedingung in die erste Kreisgleichung ein, so erhält man

also




Satz  Satz 25.4 ändern

Es sei eine komplexe Zahl. Dann ist eine konstruierbare Zahl genau dann,

wenn es eine Kette von reell-quadratischen Körpererweiterungen

derart ist, dass die Koordinaten von zu gehören.

Es sei eine konstruierbare komplexe Zahl. D.h. es gibt eine Folge von Punkten derart, dass aus den Vorgängerpunkten in einem Schritt konstruierbar ist. Es sei und es sei

der von den Koordinaten der Punkte erzeugte Unterkörper von . Nach Lemma 25.2 liegt in einer reell-quadratischen Körpererweiterung von (und zwar ist oder ist eine reell-quadratische Körpererweiterung von ). Die Koordinaten von liegen also in , und ist das Endglied in einer Folge von quadratischen Körpererweiterungen von .
Es sei umgekehrt angenommen, dass die Koordinaten eines Punktes in einer Kette von reell-quadratischen Körpererweiterungen von liegen. Wir zeigen durch Induktion über die Länge der Körperkette, dass die Zahlen in einer solchen Kette aus quadratischen Körpererweiterungen konstruierbar sind. Bei ist , und diese Zahlen sind konstruierbar. Es sei also schon gezeigt, dass alle Zahlen aus konstruierbar sind, und sei eine reell-quadratische Körpererweiterung. Nach Lemma 2.7 ist mit einer positiven reellen Zahl . Nach Induktionsvoraussetzung ist konstruierbar und nach Lemma 24.10 ist konstruierbar. Daher ist auch jede Zahl  mit , konstruierbar. Damit sind die Koordinaten von konstruierbar und somit ist nach Lemma 24.7 auch selbst konstruierbar.

Wir werden in der nächsten Vorlesung zeigen, dass eine komplex-algebraische Zahl genau dann konstruierbar ist, wenn der Grad des Zerfällungskörpers des Minimalpolynoms von eine Potenz von ist. Für viele Anwendungen sind allerdings schon die oben vorgestellte Charakterisierung und die folgenden Korollare ausreichend.



Korollar  Korollar 25.5 ändern

Eine mit Zirkel und Lineal konstruierbare Zahl

ist algebraisch.

Dies folgt direkt aus Satz 25.4, aus Satz 2.8 und aus Satz 10.4.



Korollar  Korollar 25.6 ändern

Es sei eine konstruierbare Zahl.

Dann ist der Grad des Minimalpolynoms von eine Potenz von zwei.

Die Koordinaten der konstruierbaren Zahl liegen nach Satz 25.4 in einer Folge von reell-quadratischen Körpererweiterungen

Diese Kette kann man um die komplex-quadratische Körpererweiterung ergänzen mit . Nach der Gradformel ist der Grad von über gleich . Dabei ist ein Unterkörper und daher ist, wieder nach der Gradformel, der Grad von über ein Teiler von , also selbst eine Potenz von .




Das Delische Problem
Die Bewohner der Insel Delos befragten während einer Pestepidemie 430 v. Chr. das Orakel von Delphi. Sie wurden aufgefordert, den würfelförmigen Altar des Apollon zu verdoppeln.

Wir kommen zur ersten Konsequenz von unserer systematischen Untersuchung der konstruierbaren Zahlen für die klassischen Konstruktionsprobleme.


Die Würfelverdopplung mit Zirkel und Lineal ist nicht möglich.

Wir betrachten einen Würfel mit der Kantenlänge und dem Volumen . Die Konstruktion eines Würfels mit dem doppelten Volumen würde bedeuten, dass man die neue Kantenlänge, also mit Zirkel und Lineal konstruieren könnte. Das Minimalpolynom von ist , da dieses offenbar annulliert und nach Satz 17.9 irreduzibel ist. Nach Korollar 25.6 ist nicht konstruierbar, da keine Zweierpotenz ist.




Die Quadratur des Kreises



Es ist nicht möglich, zu einem vorgegebenen Kreis ein flächengleiches Quadrat mit Zirkel und Lineal zu konstruieren.

Wenn es ein Konstruktionsverfahren gäbe, so könnte man insbesondere den Einheitskreis mit dem Radius quadrieren, d.h. man könnte ein Quadrat mit der Seitenlänge mit Zirkel und Lineal konstruieren. Nach Korollar 25.5 muss aber eine konstruierbare Zahl algebraisch sein. Nach dem Satz von Lindemann ist aber und damit auch transzendent.


Es gibt natürlich einige geometrische Methoden die Zahl zu erhalten, z.B. die Abrollmethode und die Schwimmbadmethode.


Die einfachste Art, die Zahl geometrisch zu konstruieren, ist die Abrollmethode, bei der man einen Kreis mit Durchmesser einmal exakt abrollt. Die zurückgeführte Entfernung ist genau der Kreisumfang, also .




Man kann die Zahl auch mit Hilfe von Schwimmbecken und einer idealen Flüssigkeit erhalten.