Kurs:Kommutative Algebra/Teil I/Vorlesung 2



Ein Element eines kommutativen Ringes heißt idempotent, wenn gilt.




Polynomringe in einer Variablen

Zu einem kommutativen Ausgangsring wie oder und einer fixierten Variablen kann man sich fragen, welche Terme man mit dieser Variablen über diesem Ring „basteln“ kann. Dazu gehören

wobei wir Potenzschreibweise verwendet und einige Klammern weggelassen haben. Als Terme sind und verschieden. Bei jeder Interpretation von in einem Ring sind diese Ausdrücke aber gleich. Der Polynomring besteht aus genau diesen Termen, wobei allerdings Terme miteinander identifiziert werden, wenn dies in jedem kommutativen Ring gilt (die Menge aller Terme ist kein Ring)!


Der Polynomring über einem kommutativen Ring besteht aus allen Polynomen

mit ,

und mit komponentenweiser Addition und einer Multiplikation, die durch distributive Fortsetzung der Regel

definiert ist.

Ein Polynom

ist formal gesehen nichts anderes als das Tupel , die die Koeffizienten des Polynoms heißen. Der Ring heißt in diesem Zusammenhang der Grundring des Polynomrings. Aufgrund der komponentenweisen Definition der Addition liegt unmittelbar eine Gruppe vor, mit dem Nullpolynom (bei dem alle Koeffizienten null sind) als neutralem Element. Zwei Polynome sind genau dann gleich, wenn sie in allen ihren Koeffizienten übereinstimmen. Die Polynome mit für alle heißen konstante Polynome, man schreibt sie einfach als . Ein von verschiedenes Polynom kann man als mit schreiben. Der Koeffizient heißt dann der Leitkoeffizient des Polynoms.

Die für ein einfaches Tupel zunächst ungewöhnliche Schreibweise deutet in suggestiver Weise an, wie die Multiplikation aussehen soll, das Produkt ist nämlich durch die Addition der Exponenten gegeben. Dabei nennt man die Variable des Polynomrings. Für beliebige Polynome ergibt sich die Multiplikation aus dieser einfachen Multiplikationsbedingung durch distributive Fortsetzung gemäß der Vorschrift, „alles mit allem“ zu multiplizieren. Die Multiplikation ist also explizit durch folgende Regel gegeben:

Beispielsweise ist


Es sei ein kommutativer Ring und sei der Polynomring über . Dann gelten folgende Aussagen.

  1. ist ein Unterring von .
  2. ist genau dann ein Integritätsbereich, wenn ein Integritätsbereich ist.
  1. Ein Element wird als konstantes Polynom aufgefasst, wobei es egal ist, ob man Addition und Multiplikation in oder in ausführt.
  2. Wenn integer ist, so überträgt sich dies sofort auf den Unterring . Es sei also ein Integritätsbereich und seien und zwei von null verschiedene Polynome. Wir können annehmen, dass und von null verschieden sind. Dann ist und dies ist der Leitkoeffizient des Produktes , das damit nicht null sein kann.



Es sei ein kommutativer Ring und sei ein Unterring.

Dann ist auch ein Unterring von .

Beweis

Siehe Aufgabe 2.1.

Die vorstehende Aussage bedeutet einfach, dass man ein Polynom mit Koeffizienten aus direkt auch als Polynom mit Koeffizienten aus auffassen kann. So ist ein Polynom mit ganzzahligen Koeffizienten insbesondere auch ein Polynom mit rationalen Koeffizienten und mit reellen Koeffizienten. Die Addition und die Multiplikation von zwei Polynomen hängt nicht davon ab, ob man sie über einem kleineren oder einem größeren Grundring ausrechnet, so lange dieser nur alle beteiligten Koeffizienten enthält. Es gibt aber auch viele wichtige Eigenschaften, die vom Grundring abhängen, wie beispielsweise die Eigenschaft, irreduzibel zu sein, siehe Beispiel 2.10.

In ein Polynom kann man ein Element einsetzen. Dabei ersetzt man überall die Variable durch und rechnet das Ergebnis in aus. Dieses Ergebnis wird mit bezeichnet. Ein fixiertes Element definiert dann eine Abbildung (die Auswertungsabbildung zu )

Andererseits definiert ein fixiertes Polynom die zugehörige Polynomfunktion, die durch

Diese wird insbesondere bei einem Körper studiert, siehe weiter unten.



Der Grad eines Polynoms

Der Grad eines von verschiedenen Polynoms

mit ist .

Wenn der Leitkoeffizient ist, so nennt man das Polynom normiert. Dem Nullpolynom wird im Allgemeinen kein Grad zugewiesen; manchmal sind gewisse Gleichungen oder Bedingungen aber auch so zu verstehen, dass dem Nullpolynom jeder Grad zugewiesen wird. Polynome vom Grad heißen konstante Polynome, Polynome vom Grad heißen lineare Polynome und Polynome vom Grad heißen quadratische Polynome.



Es sei ein kommutativer Ring und sei der Polynomring über . Dann gelten für den Grad folgende Aussagen.

  1. Wenn ein Integritätsbereich ist, so gilt in (2) die Gleichheit.

Beweis

Siehe Aufgabe 2.2.




Polynomringe in mehreren Variablen

Die Konstruktion von Polynomringen aus einem Grundring kann man iterieren. Aus kann man machen und daraus mit einer neuen Variablen den Ring bilden. Für diesen Ring schreibt man auch . Ein Element darin hat die Gestalt

wobei die Summe endlich ist. Ein Ausdruck der Form heißt Monom. Polynome kann man auf unterschiedliche Art sortieren. Man kann die Potenz einer Variablen (etwa ) herausnehmen und schauen, welche Polynome in sich darauf beziehen. Dann sieht ein Polynom folgendermaßen aus:

Oder man kann entlang dem Summengrad sortieren, dies ergibt

Polynomiale Identitäten haben viel mit allgemeingültigen Termidentitäten zu tun. In gilt beispielsweise

Diese Identität zwischen zwei Polynomen entspricht der allgemeinen binomischen Formel. Einerseits ist sie ein Spezialfall davon, da wir in dem kommutativen Ring sind und die speziellen Elemente und anschauen. Andererseits kann man aus dieser polynomialen Identität die allgemeine binomische Formel zurückgewinnen, da man für und beliebige Elemente und eines kommutativen Ringes einsetzen kann (und man weiß, wie man ganze Zahlen in jedem Ring interpretiert) und sich dabei die Identität erhält. Natürlich gibt es auch Polynomringe in beliebig vielen Variablen, dafür schreibt man .

Als echte Faktoren für ein Polynom kommen nur Polynome von kleinerem Grad in Frage. Insbesondere sind daher lineare Polynome, also Polynome von Typ , , stets irreduzibel. Ob ein lineares Polynom ein Faktor eines anderen Polynoms (und damit ein Primfaktor davon) ist, hängt direkt mit den Nullstellen des Polynoms zusammen.



Nullstellen von Polynomen



Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Es sei ein Polynom und .

Dann ist genau dann eine Nullstelle von , wenn ein Vielfaches des linearen Polynoms ist.

Wenn ein Vielfaches von ist, so kann man

mit einem weiteren Polynom schreiben. Einsetzen ergibt

Im Allgemeinen gibt es aufgrund der Division mit Rest eine Darstellung

wobei oder aber den Grad besitzt, also so oder so eine Konstante ist. Einsetzen ergibt

Wenn also ist, so muss der Rest sein, und das bedeutet, dass ist.



Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Dann ist ein Polynom vom Grad zwei oder drei genau dann irreduzibel,

wenn es keine Nullstelle in besitzt.

In einer echten Primfaktorzerlegung von , , muss ein Polynom vom Grad eins vorkommen, also ein lineares Polynom. Ein lineares Polynom teilt aber nach Lemma 2.7 das Polynom genau dann, wenn ist.



Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Es sei ein Polynom () vom Grad .

Dann besitzt maximal Nullstellen.

Wir beweisen die Aussage durch Induktion über . Für ist die Aussage offensichtlich richtig. Es sei also und die Aussage sei für kleinere Grade bereits bewiesen. Es sei eine Nullstelle von (falls keine Nullstelle besitzt, sind wir direkt fertig). Dann ist nach Lemma 2.7 und hat den Grad , sodass wir auf die Induktionsvoraussetzung anwenden können. Das Polynom hat also maximal Nullstellen. Für gilt . Dies kann nach Lemma 1.17 nur dann sein, wenn einer der Faktoren ist, sodass eine Nullstelle von gleich ist oder aber eine Nullstelle von ist. Es gibt also maximal Nullstellen von .



Die Irreduzibilität eines Polynoms hängt wesentlich vom Grundkörper ab. Zum Beispiel ist das reelle Polynom irreduzibel, dagegen zerfällt es als Polynom in als

Ebenso ist das Polynom irreduzibel, aber über hat es die Zerlegung

Übrigens kann die Zerlegung über einem größeren Körper manchmal dazu benutzt werden um zu zeigen, dass ein Polynom über dem gegebenen Körper irreduzibel ist.








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