Kurs:Zahlentheorie (Osnabrück 2008)/Vorlesung 10


Ein pythagoreisches Tripel ist eine ganzzahlige Lösung der diophantischen Gleichung

Es heißt primitiv, wenn keinen gemeinsamen Teiler besitzen.

Lösungstripel, bei denen (mindestens) ein Eintrag ist, heißen trivial. Nach der Umkehrung des Satzes des Pythagoras bildet ein solches Tripel die Seitenlängen eines rechtwinkligen Dreieckes. Es geht also um rechtwinklige Dreiecke mit der Eigenschaft, dass alle drei Seiten eine ganzzahlige Länge haben (dabei sind die Seitenlängen der Katheten und ist die Seitenlänge der Hypotenuse). Das bekannteste pythagoreische Tripel ist zweifellos . Wenn zwei Zahlen davon einen gemeinsamen Teiler haben, so hat natürlich auch die dritte diesen Teiler, und das Tripel ist nicht primitiv.


Ferner sind und nicht zugleich ungerade, siehe Aufgabe 10.1.

Die roten Punkte sind primitive pythagoreische Tripel, die blauen nicht-primitive


Wir wollen alle (primitiven) pythagoreischen Tripel finden. Man kann das Problem umformulieren, indem man durch teilt. Dann ist das Problem äquivalent zu:

Bestimme alle rationalen Lösungen für die Gleichung

Es geht also um alle Punkte auf dem Einheitskreis (in der Ebene mit Mittelpunkt und Radius , deren beide Koordinaten rationale Zahlen sind. Die trivialen Lösungen sind die komplexen Zahlen .

Der (Einheits-)Kreis ist ein eindimensionales Objekt und es gibt verschiedene (Teil-)Parametrisierungen für ihn, etwa durch

oder die trigonometrische Parametrisierung

Hier brauchen wir aber eine Parametrisierung, die rationale Zahlen in solche Punkte überführt, deren beide Koordinaten rational sind.

Wir betrachten hierzu die Abbildung, die einen Punkt auf der -Achse auf den Durchstoßungspunkt abbildet, den der Einheitskreis mit der durch und definierten Geraden bildet. Aufgrund des Strahlensatzes haben wir die Bedingung

bzw. . Setzt man diese Gleichung in die Gleichung des Einheitskreises ein, so erhält man

und damit

Da uns die erste Lösung nicht interessiert, betrachten wir den zweiten Faktor

die zu

führt. Die Abbildung

ist also eine rationale Parametrisierung des Einheitskreises.


Wir fassen zusammen:


Die Abbildung

von der Menge der rationalen Zahlen in die Menge der Punkte auf dem Einheitskreis mit rationalen Koordinaten ist injektiv, und mit der Ausnahme von liegt jeder Punkt im Bild.

Dies wurde bereits oben bewiesen, die Injektivität ist klar von der geometrischen Interpretation her und ist als Aufgabe ***** zu beweisen.



Die Menge der Punkte auf dem Einheitskreis mit rationalen Koordinaten bilden eine dichte Teilmenge.

Die Parametrisierung

ist stetig, da sie komponentenweise durch rationale Funktionen gegeben ist. Es sei ein Punkt des Einheitskreises. Der Punkt (der Punkt, der von der Parametrisierung nicht erfasst wird), ist selbst rational. Es sei also , und sei eine reelle Zahl mit . Es sei vorgegeben. Aufgrund der Stetigkeit gibt es dann auch ein derart, dass die Ballumgebung nach hinein abgebildet wird, also . Da die rationalen Zahlen innerhalb der reellen Zahlen dicht liegen, gibt es eine rationale Zahl . Dann ist ein Punkt auf dem Einheitskreis mit rationalen Koordinaten, der in der -Umgebung von liegt.



Es sei ein pythagoreisches Tripel mit gerade und mit .

Dann gibt es eindeutig bestimmte ganze teilerfremde Zahlen mit und und mit

Das pythagoreische Tripel ist primitiv genau dann, wenn eine Einheit ist und und nicht beide ungerade sind.

Es sei ein pythagoreisches Tripel. Der Fall ist ausgeschlossen. Dann ist ein Punkt auf dem Einheitskreis mit rationalen Koordinaten. Nach Satz 10.4 gibt es, da vorausgesetzt wurde, eine eindeutig bestimmte rationale Zahl mit

Dann gibt es eine rationale Zahl mit

Sei mit ganzen teilerfremden Zahlen , . Wir ersetzen durch

und haben dann

Da und teilerfremd sind, sind auch paarweise teilerfremd. Ein Primteiler des Nenners von teilt und . Daher kommt nur in Frage. In diesem Fall wären aber und gerade, und und wären beide ungerade. Dann wäre aber ungerade im Widerspruch zur Voraussetzung. Also ist eine ganze Zahl.

Wenn das pythagoreische Tripel primitiv ist, so muss in dieser Darstellung oder sein. Außerdem können dann und nicht beide ungerade sein, sonst wäre ein gemeinsamer Teiler des Tripels. Wenn umgekehrt diese Bedingungen erfüllt sind, so ist das Tripel primitiv.




Die diophantische Gleichung

hat keine ganzzahlige nichttriviale Lösung.

Es sei eine nichttriviale Lösung, d.h. alle Einträge sind . Wir können annehmen, dass alle Einträge sogar positiv sind. Wenn es eine solche Lösung gibt, dann gibt es auch eine nichttriviale Lösung mit minimalem positiven (unter allen nichttrivialen Lösungen). Wir zeigen, dass es dann eine Lösung mit kleinerem positiven gibt, was einen Widerspruch bedeutet.

Wegen der Minimalität ist primitiv, die Einträge sind also (sogar paarweise) teilerfremd. Wir können als ungerade annehmen. Es ist dann

ein primitives pythagoreisches Tripel. Daher gibt es nach Satz 10.6 teilerfremde natürliche Zahlen mit

und mit ungerade. Betrachtung der ersten Gleichung modulo zeigt, dass ungerade sein muss (und gerade). Die erste Gleichung

ist selbst ein primitives pythagoreisches Tripel. Es gibt als erneut teilerfremde natürliche Zahlen mit

( ist ungerade, gerade) mit ist ungerade. Somit sind paarweise teilerfremd. Aus

folgt

und aus der Teilerfremdheit der Faktoren folgt, dass die einzelnen Faktoren hier selbst Quadrate sind, also

Damit ist

eine neue nichttriviale Lösung der ursprünglichen Gleichung. Wegen

widerspricht dies der Minimalität von .



Die Fermat-Quartik

besitzt keine ganzzahlige nichttriviale Lösung.

Dies folgt sofort aus dem Satz von Euler.


Generell nennt man Gleichungen der Form

Fermat-Gleichungen. Die berühmte Vermutung von Fermat, der sogenannte „Große Fermat“, besagt, dass es für keine nicht-trivialen Lösungen gibt. Dies haben wir soeben für bewiesen. Der Fall (Fermat-Kubiken) lässt sich ebenfalls noch einigermaßen elementar bestätigen (Euler) und hat mit den Eisenstein-Zahlen zu tun. Nach rund 350 Jahren wurde der Große Fermat schließlich 1995 von Andrew Wiles bewiesen.



Die diophantische Gleichung

besitzt für kein eine ganzzahlige nichttriviale Lösung.

Der Beweis für diese Aussage geht bei Weitem über den Inhalt einer Vorlesung über elementare oder algebraische Zahlentheorie hinaus.



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