Lineare gewöhnliche Differentialgleichungen/1/Inhomogen/Textabschnitt
Eine Differentialgleichung der Form
mit zwei auf einem Intervall definierten Funktionen und heißt inhomogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung.
Die folgende Aussage zeigt, dass solche Differentialgleichungen durch Integration gelöst werden können.
Es sei
eine inhomogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung mit stetigen Funktionen . Es sei eine Stammfunktion von und es sei
eine Lösung der zugehörigen homogenen linearen Differentialgleichung.
Dann sind die Lösungen (auf ) der inhomogenen Differentialgleichung genau die Funktionen
wobei eine Stammfunktion zu ist.
(mit ) besitzt eine eindeutige Lösung.
Da keine Nullstelle besitzt, kann man jede (differenzierbare) Funktion
als
mit einer unbekannten (differenzierbaren) Funktion ansetzen. Dabei ist (für eine differenzierbare Funktion )
Daher kann man die Lösungsbedingung
als
schreiben, und diese gilt wegen genau dann, wenn
bzw.
gilt. D.h. muss eine Stammfunktion zu sein. Es sei nun noch die Anfangsbedingung vorgegeben. Mit ist auch für jedes eine Stammfunktion zu . Die Bedingung
legt dann eindeutig fest.
Die in diesem Satz verwendete Methode heißt Variation der Konstanten. Man ersetzt dabei die Lösungsfunktionen der zugehörigen homogenen Gleichung, also mit konstantem
,
durch eine variable Funktion .
Wir betrachten die inhomogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung
mit Konstanten . Die Funktion
ist eine Lösung der zugehörigen homogenen Differentialgleichung. Nach Fakt müssen wir daher eine Stammfunktion zu bestimmen. Diese sind durch gegeben. Also haben die Lösungen der inhomogenen Differentialgleichung die Form
Eine solche Differentialgleichung tritt bei Abkühlungsprozessen auf. Wenn ein (heißer) Körper (beispielsweise eine Tasse Kaffee) sich in einem umgebenden Medium (beispielsweise in einem Straßencafé) mit konstanter Außentemperatur befindet, so wird die Temperaturentwicklung des Körpers nach dem Newtonschen Abkühlungsgesetz durch die Differentialgleichung
beschrieben. Dieses Gesetz besagt, dass die Abkühlung proportional zur Differenz zwischen Außentemperatur und Körpertemperatur ist (der Proportionalitätsfaktor hängt von der Wärmeleitfähigkeit des Körpers ab). Die Lösungen sind
Dabei ist das durch eine Anfangsbedingung bestimmt, also typischerweise durch die Anfangstemperatur des Körpers zum Zeitpunkt . Für nimmt der Körper die Außentemperatur an.
Wir betrachten die inhomogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung
mit der Anfangsbedingung . Die Exponentialfunktion ist eine Lösung der zugehörigen homogenen Differentialgleichung. Nach Fakt müssen wir daher eine Stammfunktion zu
finden. Mit zweifacher partieller Integration findet man die Stammfunktion
Also haben die Lösungen der inhomogenen Differentialgleichung die Form
Wenn wir noch die Anfangsbedingung berücksichtigen, so ergibt sich die Bedingung
also . Die Lösung des Anfangswertproblems ist also
Wir betrachten für die inhomogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung
mit der Anfangsbedingung . Hier ist also die Störfunktion und
ist die zugehörige homogene lineare Differentialgleichung. Eine Stammfunktion von ist
Daher ist nach Fakt (bzw. nach Beispiel)
eine Lösung zur homogenen Differentialgleichung. Zur Lösung der inhomogenen Differentialgleichung brauchen wir eine Stammfunktion zu
Eine Stammfunktion dazu ist
Die Lösungen der inhomogenen Differentialgleichung haben also die Gestalt
Die Anfangsbedingung führt zu
Also ist
und die Lösung des Anfangswertproblems ist
Das folgende Beispiel zeigt, dass man schon bei recht einfach aussehenden linearen Differentialgleichungen schnell an die Integrationsgrenzen kommt.
Wir betrachten die inhomogene lineare gewöhnliche Differentialgleichung
Die zugehörige homogene Differentialgleichung hat die Lösung
somit sind nach Fakt die Lösungen der inhomogenen Gleichung gleich , wobei eine Stammfunktion von ist. Diese Funktion ist aber nicht elementar integrierbar (diese Funktion kommt auch beim sogenannten Fehlerintegral vor).