Glatte projektive Kurve/Geschlecht/Textabschnitt


Zu einer glatten projektiven Kurve über einem algebraisch abgeschlossenen Körper nennt man

das Geschlecht der Kurve.

Die Dimension von ist nach Fakt endlich, das Geschlecht einer Kurve ist also eine natürliche Zahl.


Das Geschlecht der projektiven Geraden

ist nach Fakt gleich .



Eine glatte projektive Kurve über einem algebraisch abgeschlossenen Körper vom Geschlecht nennt man elliptische Kurve.

Wählt man die komplexen Zahlen als Grundkörper, so besitzt das Geschlecht einer glatten projektiven Kurve eine einfache topologische Interpretation. Eine solche Kurve kann man als eine kompakte eindimensionale komplexe Mannigfaltigkeit (Riemannsche Fläche) und als eine reell zweidimensionale kompakte orientierte Mannigfaltigkeit auffassen. Letztere lassen sich topologisch einfach klassifizieren, und zwar ist eine solche Mannigfaltigkeit homöomorph zu einer Kugeloberfläche, an die Henkel angeklebt werden. Diese Zahl nennt man das (topologische) Geschlecht der reellen Fläche und damit auch der Kurve. Man kann zeigen, dass das algebraisch über die erste Kohomologie der Strukturgarbe definierte Geschlecht mit diesem topologischen Geschlecht übereinstimmt. Die komplex-projektive Gerade ist eine zweidimensionale Sphäre und hat keinen Henkel, ihr topologisches Geschlecht ist also . Eine Fläche vom Geschlecht ist ein Torus (ein Autoreifen) der homöomorph zu ist. Projektive Kurven vom Geschlecht , also elliptische Kurven, haben diese topologische Gestalt.




Es sei eine ebene projektive Kurve über einem algebraisch abgeschlossenen Körper vom Grad .

Dann ist

Wir betrachten die kurze exakte Sequenz (vergleiche Aufgabe)

von kohärenten Garben auf der projektiven Ebene. Die Strukturgarbe der Kurve wird dabei als Garbe auf der projektiven Ebene aufgefasst, ihr Träger ist . Wir betrachten den folgenden Ausschnitt der langen exakten Kohomologiesequenz

wobei die Gleichung links und rechts auf Fakt beruht. Der Raum besitzt, ebenfalls wegen Fakt, eine Basis, die aus sämtlichen Monomen besteht, deren Exponenten alle negativ sind und die Bedingung erfüllen. Somit geht es um die Anzahl der Tupel vom Grad . Nach Aufgabe ist diese Anzahl gleich . Nach Fakt ist

was die Behauptung ergibt.


Im glatten Fall liefert der vorstehende Satz eine Formel zur Berechnung des Geschlechts von ebenen Kurven. Es ist

Für liegt eine projektive Gerade mit Geschlecht vor, für eine ebene projektive Quadrik (ein Kegelschnitt), die ebenfalls Geschlecht besitzt und in der Tat isomorph zur projektiven Gerade ist. Für ist das Geschlecht , es handelt sich also um eine elliptische Kurve. Man kann zeigen, dass sich jede elliptische Kurve als eine ebene kubische Kurve realisieren lässt. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass es glatte projektive Kurven zu jedem Geschlecht gibt. Aufgrund von Fakt lassen sich nicht alle als ebene Kurve realisieren.

Das kohomologisch definierte Geschlecht einer glatten projektiven Kurve über stimmt mit der Vektorraumdimension der kanonischen Garbe überein. Die kanonische Garbe ist im eindimensionalen Fall einfach die Garbe der Kähler-Differentiale , also die Kotangentialgarbe, also die duale Garbe zur Tangentialgarbe. Es gilt also

Im ebenen Fall ergibt sich dies direkt: Wegen Fakt ist das Geschlecht gleich . Aufgrund von Fakt ist und nach Aufgabe ist die Dimension von ebenfalls gleich .

Im allgemeinen Fall gilt die Serre-Dualität, die unter Anderem besagt, dass für eine lokal freie Garbe auf einer glatten projektiven Kurve die Kohomologiegruppe ein eindimensionaler Vektorraum über ist und dass die natürliche Abbildung

eine vollständige Dualität liefert. D.h. die Vektorräume und sind dual zueinander und haben insbesondere die gleiche Dimension. Für die Strukturgarbe ergibt sich wegen (nach Fakt) die Dualität zwischen und .