Kurs:Algebraische Kurven (Osnabrück 2012)/Vorlesung 30



Der Satz von Bezout

Wir werden in dieser Vorlesung den Satz von Bezout für die projektive Ebene beweisen, das ist die Aussage, dass für zwei projektive Kurven in der projektiven Ebene ohne gemeinsame Komponente vom Grad und die Summe über alle Schnittmultiplizitäten gleich ist. Unsere Darstellung folgt weitgehend dem Aufbau in Fulton.

Zu einem Polynomring und einer natürlichen Zahl bezeichnet im Folgenden die sogenannte -te Stufe, die aus allen homogenen Polynomen vom Grad besteht. Diese Bezeichnungsweise übernehmen wir auch für homogene Restklassenringe des Polynomrings (also einem Restklassenring des Polynomrings nach einem homogenen Ideal). Diese Stufen werden über dem Grundkörper von allen Monomen vom Grad erzeugt. Insbesondere handelt es sich um endlichdimensionale -Vektorräume.



Lemma  

Es sei ein Körper und seien zwei homogene Polynome vom Grad und ohne gemeinsamen nichtkonstanten Teiler.

Dann ist

Beweis  

Wir betrachten die exakte Sequenz

Dabei steht vorne die Abbildung , dann folgt die Abbildung und schließlich die Restklassenbildung. All diese Abbildungen sind - Modulhomomorphismen. Die Injektivität vorne ist klar, da ein Integritätsbereich ist. Die Exaktheit an den beiden hinteren Stellen ist klar, bleibt noch die Exaktheit an der zweiten Stelle zu zeigen. Dort ist klar, dass die Verknüpfung die Nullabbildung ist. Es sei also in . Da faktoriell ist und da und teilerfremd sind folgt aber, dass ein Vielfaches von sein muss. Dann kann man durch teilen und erhält, dass ein Vielfaches von sein muss (mit dem gleichen Faktor). Also kommt von links.

Da und homogen mit fixierten Graden sind, kann man diese Sequenz einschränken auf homogene Stufen, und zwar ergibt sich dabei die exakte Sequenz

(dabei sind die Stufen für negativen Index gleich ). Die Exaktheit bleibt erhalten, da bei einem homogenen Homomorphismus die Stufen unabhängig voneinander sind. Alle beteiligten Stufen sind nun endlichdimensionale Vektorräume. Für sind alle Indizes nichtnegativ und daher gilt . Wegen der Additivität der Vektorraumdimension bei exakten Komplexen (siehe Aufgabe *****) ergibt sich



Lemma  

Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und seien homogene Polynome ohne gemeinsame (projektive) Nullstelle auf . Es sei der zugehörige Restklassenring.

Dann ist die Abbildung

injektiv.

Beweis  

Es sei und vorausgesetzt, das unter der angegebenen Abbildung auf geht. Das bedeutet, dass eine Gleichung

mit vorliegt. Wir ersetzen in dieser Gleichung die Variable durch und erhalten die Gleichung

in . Nach der Voraussetzung, dass es keine gemeinsame projektive Nullstelle auf gibt, besitzen und in nur den Nullpunkt als gemeinsame Nullstelle. Daher sind diese Polynome in teilerfremd. Das bedeutet, dass es ein Polynom mit

gibt. Dies wiederum heißt zurückübersetzt nach , dass dort

gilt. Mit und ergibt sich aus der Ausgangsgleichung

Aus dieser Gleichung können wir herauskürzen und erhalten eine Darstellung für als Linearkombination aus und . Damit ist die Restklasse von in ebenfalls .



Wir kommen nun zum Satz von Bezout.


Satz  

Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und seien homogene Polynome vom Grad und ohne gemeinsame Komponente mit zugehörigen Kurven .

Dann gilt

Beweis  

Der Durchschnitt besteht nur aus endlich vielen Punkten. Wir können daher nach Aufgabe ***** annehmen, dass alle Schnittpunkte in liegen. Es seien und die inhomogenen Polynome aus , die die affinen Kurven und beschreiben. Damit ist

Dabei beruht die letzte Gleichung auf Satz 26.11. Wir wollen die -Dimension dieses inhomogenen Restklassenrings mit der Dimension einer Stufe des homogenen Restklassenrings in Verbindung bringen. Von letzterer wissen wir aufgrund von Lemma 30.1, dass sie für hinreichend groß gleich ist.

Wir wählen eine Basis von ( hinreichend groß und fixiert) und behaupten, dass die Dehomogenisierungen eine Basis von bilden. Dazu sei beliebig vorgegeben mit Homogenisierung vom Grad . Es sei so gewählt, dass ist. Aufgrund von Lemma 30.2 sind die Abbildungen ()

injektiv und daher auch bijektiv, da die Dimensionen übereinstimmen. Insbesondere bilden die , , eine Basis von . Es gibt dann also eine Darstellung . Durch Dehomogenisieren ergibt sich daraus sofort eine Darstellung für .

Zum Nachweis der linearen Unabhängigkeit sei

angenommen, so dass in eine Gleichung

vorliegt. Dabei setzen wir als Dehomogenisierung von zwei homogenen Polynomen an. Somit liegen zwei homogene Ausdrücke - nämlich und - vor, deren Dehomogenisierungen übereinstimmen. Durch geeignete Wahl von können wir annehmen, dass und (homogen sind und) den gleichen Grad besitzen. Nach Aufgabe 6.10 ist dann bereits

Diese Gleichung bedeutet in , woraus sich ergibt.



Korollar  

Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und seien zwei ebene projektive Kurven.

Dann ist der Durchschnitt nicht leer.

Beweis  

Die Aussage stimmt, wenn und eine gemeinsame Komponente besitzen. Andernfalls folgt sie aus Satz 30.3.



Korollar  

Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und seien zwei homogene Polynome vom Grad und ohne gemeinsame Komponente mit zugehörigen Kurven .

Dann gibt es maximal Schnittpunkte von und .

Beweis  

Dies folgt direkt aus Satz 30.3, da jeder Schnittpunkt zumindest mit Schnittmultiplizität in die Summe eingeht.


Beispiel  

Wir betrachten die Neilsche Parabel und den Kreis mit Mittelpunkt , also . Nach dem Satz von Bezout erwarten wir eine Gesamtschnittzahl von . Wir berechnen die Schnittpunkte. Für folgt aus der ersten Gleichung und dann aus der zweiten , so dass es keinen Schnittpunkt auf der projektiven Geraden gibt. Wir betrachten daher die affinen Gleichungen und . Wir berechnen die Schnittpunkte, indem wir in die erste Gleichung einsetzen. Dies ergibt

Dies führt zu den Schnittpunkten

Die beiden letzten Punkte zeigen auch, dass der Satz nur über einem algebraisch abgeschlossenen Körper gilt. Es gibt also nur Schnittpunkte. Da die Neilsche Parabel im Nullpunkt eine Singularität besitzt und dieser ein Schnittpunkt ist, so muss dort die Schnittmultiplizität größer als sein. Um dies zu bestätigen betrachten wir

Dabei haben wir die Einsetzungsrechnung von oben wiederholt und dann ausgenutzt, dass und Einheiten im lokalen Ring sind. Die Dimension ist also und damit muss die Schnittmultiplizität an allen anderen Schnittpunkten sein, was man auch direkt bestätigen kann.



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