Kurs:Algebraische Kurven (Osnabrück 2017-2018)/Vorlesung 12
- Das -Spektrum
Wie hängen affin-algebraische Mengen und deren Koordinatenringe zusammen? Hier kann man nur für nicht-endliche Grundkörper gehaltvolle Antworten erwarten, da es im endlichen Fall zu wenige Punkte gibt. Eine befriedigende Theorie erfordert sogar, dass man sich auf algebraisch abgeschlossene Körper beschränkt, oder aber
- das ist der Standpunkt der von Alexander Grothendieck entwickelten Schematheorie -
nicht nur -Punkte betrachtet, sondern generell maximale Ideale und Primideale als Punkte mitberücksichtigt.
Eine erste wichtige Frage ist folgende: Eine -Algebra von endlichem Typ hat mehrere, in aller Regel gleichberechtigte Darstellungen als Restklassenring einer Polynomalgebra, sagen wir
Dazu gehören die beiden Nullstellengebilde und . Wie hängen diese beiden Nullstellengebilde zusammen?
Wir betrachten den Polynomring in einer Variablen . Ihm entspricht zunächst die affine Gerade . Man kann aber auch auf ganz verschiedene Arten als Restklassenring einer Polynomalgebra in mehreren Variablen erhalten. Es sei beispielsweise , , und betrachte den Restklassenring . Dieser Ring ist (als -Algebra) isomorph zu , wie die Abbildung
zeigt. Das zugehörige Nullstellengebilde ist einfach die Gerade in der affinen Ebene, die durch die Gleichung beschrieben wird.
Eine weitere Möglichkeit, den Polynomring in einer Variablen als Restklassenring darzustellen, ist durch gegeben, wobei ein beliebiges Polynom in der einen Variablen ist. Der Ringhomomorphismus
zeigt, dass wieder ein Isomorphismus zum Polynomring in einer Variablen vorliegt. Das zugehörige Nullstellengebilde ist einfach der Graph des Polynoms .
Der Punkt an diesem Beispiel ist, dass alle drei geometrischen Objekte die Nullstellenmengen zu verschiedenen Restklassendarstellungen von sind. Vom Standpunkt der algebraischen Geometrie sind das drei gleichberechtigte Darstellungen der affinen Geraden, auch wenn sie unterschiedlich „aussehen“. In der algebraischen Geometrie muss man so hinschauen, dass sie gleich aussehen. Was man sieht sind nur verschiedene Einbettungen des „eigentlichen und wahren“ geometrischen Objektes, das zu einer -Algebra intrinsisch gehört, nämlich das -Spektrum.
Zu einer kommutativen - Algebra von endlichem Typ bezeichnet man die Menge der - Algebrahomomorphismen
als das Spektrum von . Es wird mit bezeichnet.
Die Elemente in einem -Spektrum betrachten wir als Punkte und bezeichnen sie üblicherweise mit , obwohl es definitionsgemäß Abbildungen sind, nämlich -Algebrahomomorphismen von nach . Für ein Ringelement schreiben wir dann auch einfach (statt ) für den Wert von unter dem mit bezeichneten Ringhomomorphismus (es ist nicht unüblich, einen Punkt als eine Auswertung von Funktionen anzusehen, die in einer gewissen Umgebung des Punktes definiert sind).
Das -Spektrum wird wieder mit einer Zariski-Topologie versehen, wobei zu einem Ideal (oder zu einer beliebigen Teilmenge aus ) die Teilmenge
als abgeschlossen erklärt wird. In der Tat wird dadurch eine Topologie definiert, siehe Aufgabe 12.6. Die komplementären offenen Mengen werden mit bezeichnet.
Es sei ein Körper und sei der Polynomring in Variablen.
Dann stehen die - Algebrahomomorphismen von nach in natürlicher Weise in Bijektion mit den Punkten aus dem affinen Raum ,
und zwar entspricht dem Punkt der Einsetzungshomomorphismus . Mit anderen Worten,
Ein -Algebrahomomorphismus ist stets durch ein -Algebra-Erzeugendensystem festgelegt. D.h. die Werte an den Variablen legen einen -Algebrahomomorphismus von nach fest. Ein solcher Einsetzungshomomorphismus ist durch definiert. Zugleich ist hier jede Vorgabe von Werten erlaubt.
Das -Spektrum zur -Algebra besteht einfach aus einem Punkt, und zwar ist die Identität der einzige -Algebrahomomorphismus von nach . Es gibt im Allgemeinen weitere Körperautomorphismen auf , doch diese sind keine -Algebrahomomorphismen.
Entscheidend ist nun der folgende Satz, der eine bijektive Beziehung zwischen dem -Spektrum von und dem Nullstellengebilde stiftet, das von einer Restklassendarstellung von herrührt.
Es sei ein Körper und sei eine endlich erzeugte kommutative - Algebra mit - Spektrum . Es sei eine Restklassendarstellung von mit dem zugehörigen Restklassenhomomorphismus
und dem Nullstellengebilde .
Dann stiftet die Abbildung
eine Bijektion zwischen und , die bezüglich der Zariski-Topologie ein Homöomorphismus ist.
Zunächst ist die angegebene Abbildung wohldefiniert, da die Hintereinanderschaltung
einen -Algebrahomomorphismus vom Polynomring nach definiert, der nach Lemma 12.3 der Einsetzungshomomorphismus zu ist und mit dem entsprechenden Punkt des affinen Raumes identifiziert werden kann (und zwar ist ).
Da der Homomorphismus durch faktorisiert, wird das Ideal auf abgebildet. D.h. der Bildpunkt liegt in , und es liegt eine Abbildung
vor, die wir als bijektiv nachweisen müssen.
Es seien dazu zwei verschiedene Punkte. Es liegen also zwei verschiedene -Algebrahomomorphismen vor, und da ein -Algebrahomomorphismus auf einem -Algebra-Erzeugendensystem festgelegt ist, müssen sich die beiden auf mindestens einer Variablen unterscheiden. Dann ist aber auch der Wert der zugehörigen Koordinate verschieden, d.h. , und die Abbildung ist injektiv.
Zur Surjektivität sei ein Punkt vorgegeben. Der zugehörige -Algebrahomomorphismus
annulliert daher jedes , sodass dieser Ringhomomorphismus durch faktorisiert. Dieser Ringhomomorphismus ist das gesuchte Urbild aus .
Zur Topologie muss man einfach nur beachten, dass für und ein Urbild und einen Punkt mit Bildpunkt gilt:
sodass auch die Nullstellen übereinstimmen.
Dieser Satz besagt also, dass man jedes -Spektrum einer endlich erzeugten -Algebra mit einer Zariski-abgeschlossenen Menge eines identifizieren kann. Man spricht von einer abgeschlossenen Einbettung.
Es sei ein Körper und eine endlich erzeugte kommutative - Algebra mit zwei Restklassendarstellungen
mit zugehörigen Nullstellengebilden und .
Dann sind die beiden Nullstellengebilde und mit ihrer induzierten Zariski-Topologie homöomorph zueinander.
Nach Satz 12.5 sind beide Nullstellengebilde homöomorph zu , sodass sie auch untereinander homöomorph sein müssen.
Wenn der Nullring ist, so ist das -Spektrum davon leer. Wenn nicht algebraisch abgeschlossen ist, so kann das Spektrum auch zu anderen Ringen leer sein. Wenn aber ein algebraisch abgeschlossener Körper ist, so ist bei das Spektrum auch nicht leer. In der Tat gilt unter dieser Voraussetzung wieder ein Hilbertscher Nullstellensatz, siehe Aufgabe 12.8.
- Das K-Spektrum als Funktor
Es sei ein Körper und seien und kommutative - Algebren von endlichem Typ. Es sei ein - Algebrahomomorphismus.
Dann induziert dies eine Abbildung
Diese Abbildung ist stetig bezüglich der Zariski-Topologie.
Die Existenz der Abbildung ist klar, dem -Algebrahomomorphismus
wird einfach die Hintereinanderschaltung
zugeordnet. Das Urbild der offenen Menge ist dabei
Daher sind generell Urbilder von offenen Mengen wieder offen und die Abbildung ist stetig.
Die in
Satz 12.7
eingeführte Abbildung nennt man die Spektrumsabbildung zu .
Es sei ein Körper und zu einem - Algebrahomomorphismus zwischen - Algebren von endlichem Typ sei die zugehörige Spektrumsabbildung. Dann gelten folgende Aussagen.
- Zu einem -Algebrahomomorphismus ist die induzierte Spektrumsabbildung einfach die Abbildung, die dem einzigen Punkt den Punkt zuordnet.
- Der durch ein Element definierte
Einsetzungshomomorphismus
induziert die Spektrumsabbildung
- Zu einer
surjektiven
Abbildung
von -Algebren von endlichem Typ ist die zugehörige Spektrumsabbildung
eine abgeschlossene Einbettung, und zwar ist das Bild gleich .
- Die zu einer surjektiven Abbildung gehörende Spektrumsabbildung
stimmt mit der in Satz 12.5 definierten Abbildung überein.
- Es seien für und es sei
der zugehörige Einsetzungshomomorphismus. Dann stimmt die Spektrumsabbildung
(über die Identifizierung aus Lemma 12.3) mit der direkten polynomialen Abbildung
überein.
(1) Dies folgt aus .
(2) Unter der hintereinandergeschalteten Abbildung
wird auf geschickt.
(3) beruht auf ähnlichen Betrachtungen, wie sie im Beweis zu Satz 12.5 durchgeführt wurden. Das zeigt auch (4). Zu (5) siehe Aufgabe 12.16.
Die unter (2) formulierte Aussage besagt insbesondere, dass man die Elemente des Ringes als Funktionen auf dem -Spektrum nach auffassen kann. Wir haben also ein geometrisches Objekt eingeführt, mit dem man Ringelemente als Funktionen realisieren kann.
- Weitere Eigenschaften des K-Spektrums
Es sei ein Körper und eine endlich erzeugte kommutative -Algebra.
Dann ist
Ein -Algebrahomomorphismus induziert einen -Algebrahomomorphismus , und zugleich wird auf ein bestimmtes Element abgebildet. Diese Daten definieren aber auch einen eindeutig bestimmten -Algebrahomomorphismus .
Achtung: Die vorstehende Aussage liefert nur eine natürliche Bijektion auf der Punktebene. Würde man die Produktmenge rechts mit der Produkttopologie versehen, so würde hier keine Homöomorphie mit der Zariski-Topologie links vorliegen. Insbesondere ist
,
aber die Zariski-Topologie der affinen Ebene ist nicht die Produkt-Topologie der affinen Geraden mit sich selbst.
Bemerkung
Sind und , so lässt sich die Produktmenge ebenfalls als -Spektrum einer -Algebra darstellen, und zwar ist
wobei das Tensorprodukt bezeichnet. Wir werden darauf nicht im Einzelnen eingehen. Um aber doch ein Gefühl dafür zu geben betrachten wir und . Dann ist
(bei dieser ad hoc Definition ist nicht klar, dass sie unabhängig von den Darstellungen als Restklassenring ist).