Kurs:Algebraische Zahlentheorie (Osnabrück 2020-2021)/Vorlesung 14/kontrolle
- Die Divisorenklassengruppe
In vielen Gebieten der Mathematik spielen homologische Methoden eine wichtige Rolle. Dabei wird den mathematischen Objekten eine Gruppe als Invariante zugeordnet, die relevante Information über das ursprüngliche Objekt beinhaltet aber zugleich deutlich einfacher strukturiert ist. Beispiele hierfür sind die Fundamentalgruppe in der Topologie, Homotopie- und Homologiegruppen in der algebraischen Topologie, Kohomologiegruppen zu Garben in der algebraischen Geometrie, ... . Das Verschwinden dieser Gruppen charakterisiert dabei wichtige geometrische Eigenschaften. Die Konstruktion dieser Gruppen ist im Allgemeinen aufwändig und geht dabei häufig über den Weg von „sehr großen“ Gruppen modulo sehr großen Untergruppen (Normalteilern), wobei die Restklassengruppen dann „ziemlich klein“ sind. In diesen Zusammenhang fügt sich auch die Divisorenklassengruppe für algebraische Zahlbereiche ein.
Es sei ein Dedekindbereich. Es sei die Gruppe der Divisoren und sei die Untergruppe der Hauptdivisoren. Dann nennt man die Restklassengruppe
die Divisorenklassengruppe von .
Die Divisorenklassengruppe wird häufig auch als Idealklassengruppe oder einfach als Klassengruppe bezeichnet. Sie ist kommutativ und wird additiv geschrieben. Ihre Elemente sind Äquivalenzklassen und werden durch Divisoren repräsentiert, wobei zwei Divisoren genau dann die gleiche Klasse repräsentieren, wenn ihre Differenz ein Hauptdivisor ist. Sie heißen Divisorklassen oder Idealklassen. Wegen Satz 13.16 kann man die Divisorenklasse auch als die Restklassengruppe zur Gruppe der gebrochenen Ideale modulo der Untergruppe der gebrochenen Hauptideale erhalten. Ein späteres Hauptresultat, das aber einige Vorbereitungen braucht, wird sein, dass die Klassengruppe von Zahlbereichen endlich ist, siehe Satz 26.6. Sie ist eine wesentliche (ko)-homologische Invariante eines Zahlbereichs und enthält wesentliche Informationen über diesen. Generell lässt sich sagen, dass ihre Größe zum Ausdruck bringt, wie weit ein Zahlbereich von der Faktorialität entfernt ist. Der nächste Satz charakterisiert die Faktorialität dadurch, dass die Klassengruppe trivial ist.
Es sei ein Dedekindbereich und es bezeichne die Divisorenklassengruppe von . Dann sind folgende Aussagen äquivalent.
- ist ein Hauptidealbereich.
- ist faktoriell.
- Es ist .
Die Implikation folgt aus [[Hauptidealbereich/Ist faktoriell (ohne Begriff)/Fakt|Satz 2.19 ]].
. Es sei also faktoriell, und sei ein Primideal . Sei , , mit Primfaktorzerlegung . Da ein Primideal ist, muss einer der Primfaktoren zu gehören, sagen wir . Dann ist . Das von erzeugte Ideal ist ein Primideal, und in einem Dedekindbereich ist nach Definition jedes von verschiedene Primideal maximal, sodass hier gelten muss. Auf der Seite der Divisoren gilt aufgrund von Satz 11.13 , sodass ein Hauptdivisor vorliegt. Also sind alle Erzeuger der Divisorengruppe Hauptdivisoren und somit ist überhaupt
und die Divisorenklassengruppe ist trivial.
. Es sei nun vorausgesetzt. Wir zeigen zunächst, dass jedes Primideal ein Hauptideal ist. Nach Voraussetzung ist der Divisor ein Hauptdivisor, sodass mit einem gilt. Aufgrund von Satz 11.13 entspricht dies auf der Idealseite der Gleichung , sodass jedes Primideal ein Hauptideal ist. Für ein beliebiges Ideal , , ist nach Satz 12.2
Dies bedeutet aber, mit , dass ein Hauptideal ist, das von erzeugt wird. Also liegt ein Hauptidealbereich vor.
Insofern ist die erste wichtige Frage bei einem Dedekindbereich, ob seine Klassengruppe gleich ist oder nicht.
Wir behaupten, dass im quadratischen Zahlbereich das Ideal
kein Hauptideal ist, was in Beispiel 10.7 gezeigt wurde, aber die Eigenschaft besitzt, dass das Quadrat davon ein Hauptideal ist. Insbesondere definiert die zugehörige Idealklasse ein von verschiedenes Element in der Divsorenklassengruppe mit der Eigenschaft, dass das Doppelte davon trivial ist. Es ist
Dabei ist die Inklusion klar und die umgekehrte Inklusion ergibt sich aus
Wir betrachten nun das Ideal
Der Restklassenring ist
sodass ein Primideal mit der Norm vorliegt, das kein Hauptideal ist, da es kein Element mit Norm gibt. Die beiden Ideale und definieren die gleiche Idealklasse. Dazu betrachten wir die Multiplikation
Wegen
und
induziert dies einen injektiven - Modulhomomorphismus
der wegen
auch surjektiv ist. Somit ist
In Beispiel 24.11 wird darüber hinaus gezeigt, dass die Klassengruppe von gleich ist.
- Die Divisorenklassengruppe unter Homomorphismen
Ein wichtiger Aspekt von homologischen Invarianten ist, dass sie nicht nur den Objekten Gruppen zuordnen, sondern auch den richtigen Abbildungen zwischen den Objekten Gruppenhomomorphismen. Wir besprechen zuerst den Fall einer Nenneraufnahme zu einem multiplikativen System in einem Dedekindbereich. Nach Proposition 5.4 (2) entsprechen die Primideale von den Primidealen von , die mit einen leeren Schnitt haben. Bei gegebenem kann man also die Primideale von dahingehend aufteilen, ob sie einen leeren oder einen nichtleeren Durchschnitt mit haben.
Es sei ein Dedekindbereich und es sei , , ein multiplikatives System mit der Nenneraufnahme .
Dann liegt eine exakter Komplex
vor.
Dabei ordnet die dritte Abbildung einer Einheit die Einschränkung des Hauptdivisors auf die angegebene Primidealmenge zu. Die vierte Abbildung ordnet einen Divisor auf die zugehörige Klasse in zu.
Die Injektivität links ist klar. Die Einheiten aus haben überhaupt an jedem Primideal die Ordnung , deshalb ist an der nächsten Stelle die Zusammensetzung die triviale Abbildung. Sei derart, dass es unter der folgenden Abbildung auf geht. Das bedeutet, das es an allen Primidealen, die nicht zu gehören, die Ordnung besitzt. Da es eine Einheit in ist, hat es auch an allen Primidealen, die zu gehören, und damit überhaupt an jedem Primideal von die Ordnung und ist somit eine Einheit in .
Die dritte Abbildung ist einfach die Hauptdivisorabbildung, da in den Primidealen, die zu disjunkt sind, die Ordnung einer Einheit aus stets ist und sich der relevante Teil des Hauptdivisors in den angegebenen Primidealen abspielt. Die zusammengesetzte Abbildung ist daher die Nullabbildung, da in der Klassengruppe die Hauptdivisoren zu gemacht werden. Wenn ein Divisor in der Klassengruppe von zu wird, so bedeutet dies die Existenz eines mit
Dabei sind dann insbesondere die Ordnungen von an den Primidealen, die mit einen leeren Durchschnitt haben, gleich , und dann gehört zu und ist dort eine Einheit.
Ein Divisor mit der angegebenen Trägermenge wird in der Klassengruppe von zu , da diese Primideale in der Nenneraufnahme nicht überleben. Es sei eine Divisorklasse, repräsentiert durch , die in der Divisorenklassengruppe von zu wird. Wir schreiben . Unter der Abbildung wird dies nach abgebildet. Aus
in der Divisorengruppe zu folgt, dass die Differenz zwischen und in der Divisorengruppe zu mit Primidealen geschrieben werden kann, die zu einen nichtleeren Durchschnitt haben. Diese Differenz kommt also von rechts. Die Surjektivität an der letzten Stelle ist klar.
Die Abbildung
fügt sich in das kommutative Diagramm
ein, wobei die obere horizontale Abbildung einen Divisor von einfach auf denjenigen Divisor von abbildet, bei dem die Primideale mit ignoriert („vergessen“) werden. Dies entspricht der Abbildung, bei der ein gebrochenes Ideal auf das Erweiterungsideal abgebildet wird.
Wir gehen von der Zuordnung aus, die jedem von verschiedenen Ideal von das Erweiterungsideal zuordnet, das ebenfalls von verschieden ist. Diese Zuordnung ist mit dem Produkt von Idealen verträglich. Deshalb liegt ein Monoidhomomorphismus vor. Ein gebrochenes Ideal kann man nach Aufgabe 13.31 in der Form mit Idealen schreiben und diesem das gebrochene Ideal zuordnen. Dies ist wohldefiniert und so erhält man einen Gruppenhomomorphismus von der Gruppe der gebrochenen Ideale von in die Gruppe der gebrochenen Ideale von . Das Erweiterungsideal eines Hauptideals ist wieder ein Hauptideal, und deshalb werden gebrochene Hauptideale auf gebrochene Hauptideale abgebildet. Der Satz vom induzierten Homomorphismus ergibt somit einen Gruppenhomomorphismus
Insgesamt liegt das kommutative Diagramm
vor. Auf der Divisorebene wird dabei einem Primdivisor der Divisor zum Ideal zugeordnet. Das Erweiterungsideal zu beschreibt dabei die Faser der Spektrumsabbildung über . Dies ist insbesondere bei endlichen Erweiterungen von Dedekindbereichen relevant. Man kann sich fragen, ob die Abbildung zwischen den Klassengruppen stets injektiv ist, oder ob umgekehrt ein nichttriviales Ideal zu einem Hauptideal werden kann. Dies ist in der Tat der Fall.
Wir betrachten im quadratischen Zahlbereich zu das Ideal , das nach Beispiel 10.7 kein Hauptideal ist. Es sei der ganze Abschluss von (oder von ) im Erweiterungskörper vom Grad vier über . Wir haben also eine Kette
von Zahlbereichen. Wir behaupten, dass das Erweiterungsideal
ein Hauptideal in ist, und zwar behaupten wir, dass ein Idealerzeuger davon ist. Dazu betrachten wir zunächst das rationale Element . Wegen
erfüllt eine Ganzheitsgleichung über und gehört somit zu (ebenso, wenn im Zähler ein Minuszeichen steht). Die Gleichheit
folgt einerseits aus
und
und andererseits aus
Es gilt sogar, dass man im zahlentheoretischen Kontext jede Klasse trivialisieren kann. Dies bedeutet aber nicht, dass es zu jedem Zahlbereich eine faktorielle Erweiterung gibt, da durch die Trivialisierung typischerweise „an anderer Stelle“ nichttriviale Klassen auftreten.
Wir betrachten den kommutativen Ring , der dem Einheitskreis in dem Sinne entspricht, dass die Primideale der Form darin den reellen Punkten des Kreis entsprechen. Dies ist ein Dedekindbereich, wobei die Normalität aus der Glattheit des Kreises folgt.
Das Ideal ist ein Primideal darin, das kein Hauptideal ist. Für das Produkt dieses Ideals mit sich selbst haben wir
wobei die Inklusion klar ist und sich die andere Inklusion aus
ergibt. Da in keine Quadratwurzel (und auch nicht multipliziert mit einer Einheit) besitzt, ist kein Hauptideal. Dieses Ideal ist eine algebraische Realisierung des Möbiusbandes (ein Ideal definiert eine invertierbare Garbe und ein Geradenbündel; das Möbiusband ist das nichttriviale Geradenbündel auf dem Einheitskreis).
Wir betrachten den Ringhomomorphismus
des Ringes in sich (wir schreiben rechts , um die unterschiedlichen Rollen zu betonen). Wegen
ist dies wohldefiniert (es handelt sich um die komplexe Quadrierung eingeschränkt auf den Einheitskreis). Es handelt sich um eine ganze Ringerweiterung. Das Erweiterungsideal zu ist
also ein Hauptideal. Dies beruht auf
und