Kurs:Analysis (Osnabrück 2013-2015)/Teil I/Vorlesung 15



Cauchy-Produkt von Reihen

Zu Reihen und komplexer Zahlen heißt die Reihe

das Cauchy-Produkt der beiden Reihen.



Es seien

zwei absolut konvergente Reihen komplexer Zahlen.

Dann ist auch das Cauchy-Produkt absolut konvergent und für die Summe gilt

Wir müssen für die Partialsummen

zeigen, dass gegen den Limes der Folge konvergiert. Es ist

Da die beiden Reihen absolut konvergieren, und und nach Aufgabe 9.15 Nullfolgen sind, ist die rechte Seite insgesamt eine Nullfolge. Daher konvergiert die Folge nach Aufgabe ***** gegen das Produkt der Grenzwerte der beiden Reihen. Die absolute Konvergenz folgt aus dem bisher Bewiesenen mit dem Majorantenkriterium aus der Abschätzung .




Potenzreihen

Es sei eine Folge von komplexen Zahlen und eine weitere komplexe Zahl. Dann heißt die Reihe

die Potenzreihe in zu den Koeffizienten .

Durch Wahl geeigneter Koeffizienten kann man jede Reihe als Potenzreihe zu einer fixierten Zahl , , ansehen. Bei Potenzreihen ist es aber wichtig, dass man variieren lässt und dann die Potenzreihe im Konvergenzbereich eine Funktion in darstellt.

Genauer spricht man von einer Potenzreihe mit Entwicklungspunkt . Eine Potenzreihe mit Entwicklungspunkt ist ein Ausdruck der Form

Eine wichtige Potenzreihe haben wir schon in der neunten Vorlesung kennengelernt, nämlich die geometrische Reihe , die für konvergiert und dort die Funktion darstellt. Eine weitere besonders wichtige Potenzreihe ist die Exponentialreihe, die für jede komplexe Zahl konvergiert und zur komplexen Exponentialfunktion führt.



Die Exponentialreihe und die komplexe Exponentialfunktion

Für jedes heißt die Reihe

die Exponentialreihe in .

Dies ist also die Reihe



Für jedes ist die Exponentialreihe

absolut konvergent.

Für ist die Aussage richtig. Andernfalls betrachten wir den Quotienten

Dies ist für kleiner als . Aus dem Quotientenkriterium folgt daher die Konvergenz.


Aufgrund dieser Eigenschaft können wir die komplexe Exponentialfunktion definieren.

Der Graph der reellen Exponentialfunktion



Die Abbildung

heißt (komplexe) Exponentialfunktion.

 Wir werden später sehen, dass diese Funktion für reelle Argumente die Exponentialfunktion zur Basis

ist, und dass mit der früher eingeführten eulerschen Zahl übereinstimmt (Korollar 16.11

und Korollar 20.14).

Die folgende Aussage nennt man die Funktionalgleichung für die Exponentialfunktion.


Für komplexe Zahlen gilt

Das Cauchy-Produkt der beiden Exponentialreihen ist

mit . Diese Reihe ist nach Lemma 15.2 absolut konvergent und der Grenzwert ist das Produkt der beiden Grenzwerte. Andererseits ist der -te Summand der Exponentialreihe von nach der allgemeinen binomischen Formel gleich

sodass die beiden Seiten übereinstimmen.



Die Exponentialfunktion

besitzt folgende Eigenschaften.
  1. Es ist .
  2. Für jedes ist . Insbesondere ist .
  3. Für ganze Zahlen ist .
  4. Für reelles ist .
  5. Für reelle Zahlen ist und für ist .
  6. Die reelle Exponentialfunktion[1] ist streng wachsend.

(1) folgt direkt aus der Definition.
(2) folgt aus

aufgrund von Satz 15.7.
(3) folgt aus Satz 15.7 und (2).
(4). Der Wert der Exponentialreihe für eine reelle Zahl ist wieder reell, da die reellen Zahlen in abgeschlossen[2] sind. Die Nichtnegativität ergibt sich aus


(5). Für ist

da alle Summanden positiv sind. Wegen (4) ist , sodass der andere Faktor sein muss.
(6). Für reelle ist und daher nach (5) , also




Die trigonometrischen Reihen

Für heißt

die Kosinusreihe und

die Sinusreihe zu .

Durch Vergleich mit der Exponentialreihe ergibt sich sofort, dass diese beiden Reihen für jedes absolut konvergieren. Die zugehörigen Funktionen

heißen Kosinus und Sinus. Beide Funktionen stehen unmittelbar in Zusammenhang mit der Exponentialfunktion, wobei man allerdings die komplexen Zahlen braucht, um diesen Zusammenhang zu erkennen.



Die Funktionen

und

besitzen für folgende Eigenschaften.

  1. Für ist

    Speziell gilt die eulersche Formel

  2. Es ist und .
  3. Es ist{{ Zusatz/[3] |text=Die Kosinusfunktion ist also eine gerade Funktion und die Sinusfunktion ist eine ungerade Funktion | |ISZ=.|ESZ= }} und .
  4. Es ist

    und

  5. Es gelten die Additionstheoreme

    und

  6. Es gilt

(1). Aufgrund von Satz 15.7 gilt

sodass wir nur noch den hinteren Faktor betrachten müssen. Nach Aufgabe 15.8 und Lemma 9.4  (1) gilt


(2) und (3) folgen direkt aus der Definition der Reihen.
(4) folgt aus (1) und (3).
(5). Nach (4) ist

Das Additionstheorem für den Sinus folgt ähnlich.
(6). Aus dem Additionstheorem für den Kosinus angewendet auf und aufgrund von (2) ergibt sich



Für reelle sind und wieder reell, wie unmittelbar aus der Potenzreihendarstellung folgt. Die letzte Aussage im vorstehenden Satz besagt, dass für reelles das Paar ein Punkt auf dem Einheitskreis ist. Wir werden später sehen, dass sich jeder Punkt des Einheitskreises als schreiben lässt, wobei man als Winkel (im Bogenmaß) interpretieren kann. Dabei tritt die Periode auf, wobei wir die Kreiszahl eben über die trigonometrischen Funktionen einführen werden.



Fußnoten
  1. Unter der reellen Exponentialfunktion verstehen wir hier die Einschränkung der komplexen Exponentialfunktion auf die reellen Zahlen. Wir werden bald sehen, dass sie mit der Exponentialfunktion zur Basis übereinstimmt.
  2. Eine Teilmenge heißt abgeschlossen, wenn jede Folge in , die in konvergiert, schon in konvergiert. Eine reelle Folge, die aufgefasst als komplexe Folge konvergiert, konvergiert offenbar in .
  3. Dies werden wir in Vorlesung 17 ausführlich begründen. Hier fassen wir nur jeweils zwei aufeinander folgende Reihenglieder zusammen, was aufgrund von Aufgabe 15.8 möglich ist.


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