Kurs:Bündel, Garben und Kohomologie (Osnabrück 2019-2020)/Vorlesung 11

Ein Schema hat, verglichen mit einem metrischen Raum, topologisch eher ungewöhnliche Eigenschaften, die wir hier vorstellen wollen. Wir beginnen mit der Irreduzibilität.



Irreduzible Räume

Ein topologischer Raum heißt irreduzibel, wenn ist und es keine Zerlegung mit abgeschlossenen Mengen gibt.



Ein topologischer Raum ist genau dann irreduzibel,

wenn für nichtleere offene Teilmengen auch der Durchschnitt nicht leer ist.

Dies folgt unmittelbar aus der Definition, da für die abgeschlossenen Teilmengen und die Beziehung genau dann gilt, wenn ist.


Eine Teilmenge eines topologischen Raumes heißt irreduzibel, wenn sie als topologischer Raum mit der induzierten Topologie irreduzibel ist.



Es sei ein kommutativer Ring und ein Ideal.

Dann ist die abgeschlossene Teilmenge

genau dann irreduzibel, wenn das Radikal zu ein Primideal ist.

Wir können direkt annehmen, dass ein Radikal ist. Ferner ist es nicht das Einheitsideal. Wenn nicht irreduzibel ist, so gibt es eine nichttriviale Zerlegung

wobei wir als Radikale ansetzen können. Das bedeutet . Wegen ist nach Proposition 8.4  (5)

Somit gibt es , und . Daher ist

und ist kein Primideal.

Wenn umgekehrt kein Primideal ist, so gibt es Elemente und . Dann ist und somit

Da ein Radikal ist, ist für alle . Nach Aufgabe 8.5 gibt es ein Primideal mit und . Also ist

und entsprechend für . Nach Lemma 11.2 ist nicht irreduzibel.


Es liegt also durch eine Korrespondenz zwischen den Primidealen und den abgeschlossenen irreduziblen Teilmengen des Spektrums vor. Die maximalen Ideale entsprechen den einzelnen abgeschlossenen Punkten, die minimalen Primideale entsprechen den sogenannten irreduziblen Komponenten des Spektrums, siehe weiter unten.


Zu einem topologischen Raum und einer abgeschlossenen irreduziblen Teilmenge nennt man einen Punkt mit der Eigenschaft, dass für jede offene Menge die Beziehung genau dann gilt, wenn ist, den generischen Punkt von .



In einem Schema besitzt jede abgeschlossene irreduzible Teilmenge

einen eindeutig bestimmten generischen Punkt.

Nach Voraussetzung ist nicht leer. Sei ein Punkt und eine offene affine Umgebung. Es ist dann

eine abgeschlossene irreduzible Teilmenge in einem affinen Schema. Nach Lemma 11.3 ist mit einem Primideal . Wir behaupten, dass der generische Punkt von ist. Wenn offen und nicht leer ist, so ist auch wegen der Irreduzibilität von nicht leer und daher . Der generische Punkt ist eindeutig bestimmt, da er als Punkt im affinen Schema eindeutig bestimmt ist.




Die Krulldimension

Zu einem topologischen Raum nennt man die maximale Länge von abgeschlossenen irreduziblen Teilmengen

in die Krulldimension des Raumes.



Die Krulldimension eines kommutativen Ringes

stimmt mit der Krulldimension seines Spektrums überein.

Dies folgt aus Lemma 11.3 und Proposition 8.4  (5).




Noethersche Räume

Ein topologischer Raum heißt noethersch, wenn in ihm jede aufsteigende Kette

von offenen Mengen stationär wird, d.h. es gibt ein mit



Ein topologischer Raum

ist genau dann noethersch, wenn in ihm jede offene Teilmenge quasikompakt ist.

Zunächst ist in einem noetherschen Raum jede offene Teilmenge selbst noethersch. Für die Hinrichtung genügt es also zu zeigen, dass quasikompakt ist. Sei eine offene Überdeckung und angenommen, es gäbe keine endliche Teilüberdeckung. Dann kann man eine echt aufsteigende unendliche Kette von offenen Teilmengen der Form

mit endlich konstruieren. Es sei umgekehrt jede offene Teilmenge quasikompakt und eine aufsteigende Kette gegeben. Dann ist

offen und quasikompakt und daher gibt es eine endliche Teilüberdeckung. Dies bedeutet, dass es einen Index mit für alle gibt.


Für einen noetherschen Raum gilt: jede nichtleere Teilmenge von offenen Mengen (abgeschlossenen Mengen) besitzt ein maximales (minimales) Element. Dies kann man vorteilhaft als Beweisprinzip einsetzen (Beweis durch noethersche Induktion): Man möchte zeigen, dass eine gewisse Eigenschaft für alle abgeschlossenen Teilmengen gilt, und man betrachtet die Menge derjenigen abgeschlossenen Teilmengen, die nicht erfüllen. Man möchte zeigen, dass die Menge leer ist, und nimmt an, dass sie nicht leer ist. Dann besitzt sie auch ein minimales Element, und dies muss man dann zum Widerspruch führen. Die Gültigkeit dieses Beweisprinzips beruht darauf, dass man in einer nichtleeren Menge ohne einem minimalen Element eine unendlich absteigende Kette konstruieren kann. Ein typisches Beispiel für dieses Beweisprinzip liefert der Beweis der folgenden Aussage.



Für jeden noetherschen topologischen Raum

gibt es eine eindeutige Zerlegung in abgeschlossene irreduzible Teilmengen.

Die Existenz beweisen wir durch noethersche Induktion über die abgeschlossenen Teilmengen von . Angenommen, nicht jede abgeschlossene Teilmenge habe eine solche Zerlegung. Dann gibt es auch eine minimale Teilmenge, sagen wir , ohne eine solche Zerlegung. Diese Menge kann nicht irreduzibel sein, sondern es gibt eine nicht-triviale Darstellung . Da und echte Teilmengen von sind, gibt es für diese beiden jeweils endliche Darstellungen als Vereinigung von abgeschlossenen irreduziblen Teilmengen. Diese beiden vereinigen sich zu einer endlichen Darstellung von , was ein Widerspruch ist.
Zur Eindeutigkeit. Seien

zwei Zerlegungen in irreduzible Teilmengen (jeweils ohne Inklusionsbeziehung). Es ist

Da irreduzibel ist, muss für ein sein. Umgekehrt ist mit dem gleichen Argument für ein , woraus und folgt. Ebenso findet sich etc. in der Zerlegung rechts wieder, sodass die Zerlegung eindeutig ist.


Die dabei auftretenden Mengen nennt man die irreduziblen Komponenten des Raumes.


Ein Schema heißt noethersch, wenn es durch endlich viele affine Schemata zu noetherschen Ringen überdeckt werden kann.

Insbesondere ist das Spektrum zu einem noetherschen Ring ein noethersches Schema.


Eine endliche Vereinigung von noetherschen Räumen ist wieder noethersch, deshalb können wir direkt davon ausgehen, dass ein Spektrum zu einem noetherschen Ring vorliegt. Wir müssen gemäß Lemma 11.9 zeigen, dass eine jede offene Teilmenge quasikompakt ist. Da noethersch ist, gilt und daher

nach Proposition 8.4  (2). Nach Korollar 8.6 in Verbindung mit Proposition 8.11 sind die quasikompakt, also auch ihre endliche Vereinigung.


Mit unseren bisher entwickelten topologischen Methoden können wir direkt das folgende rein algebraische Resultat beweisen.


In einem noetherschen kommutativen Ring

gibt es nur endlich viele minimale Primideale.

Beweis

Siehe Aufgabe 11.15.




Integre Schemata

Ein beringter Raum heißt reduziert, wenn für jede offene Teilmenge der Ring reduziert ist.


Ein Schema heißt integer, wenn es irreduzibel und reduziert ist.



In einem integren Schema

sind die Restriktionsabbildungen

zu injektiv.

Sei nicht . Die Menge

ist offen nach Lemma 7.16 und wegen der Reduziertheit nicht leer. Wegen der Irreduzibilität von ist ebenfalls nicht leer und somit ist die Restriktion von auf ebenfalls nicht .



Es sei ein Körper und . Es ist das einzige minimale Primideal von und daher ist irreduzibel. Wegen und gilt in der Lokalisierung die Gleichheit , und es ist

ein Körper. Die Restriktionsabbildung ist nicht injektiv. Es ist

das Element ist aber in der Lokalisierung nicht .




In einem integren Schema ist zu jeder nichtleeren offenen Menge

der Schnittring ein Integritätsbereich.

Da offen und nicht leer ist, gibt es eine nichtleere offene affine Teilmenge

Nach Lemma 11.16 genügt es zu zeigen, dass ein Integritätsbereich ist. Es sei das Nilradikal von . Wegen der Irreduzibilität von , die aus der Irreduzibilität von folgt, ist nach Lemma 11.3 das Ideal ein Primideal. Da die Reduziertheit nach Aufgabe 10.14 eine lokale Eigenschaft ist, gilt . Das Nullideal ist also ein Primideal und damit ist ein Integritätsbereich.



Den Halm kann man ausgehend von einer beliebigen nichtleeren affinen offenen Teilmenge bestimmen. Diese haben die Form mit einem kommutativen Ring , der aufgrund von Lemma 11.18 ein Integritätsbereich ist. Der generische Punkt entspricht dabei dem Nullideal, und die Lokalisierung am Nullideal ergibt den Quotientenkörper von .



Zu einem integren Schema nennt man den Halm der Strukturgarbe im generischen Punkt den Funktionenkörper von .

In einem integren Schema ist der Schnittring zu jeder nichtleeren offenen Menge ein Unterring des Funktionenkörpers.


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