Kurs:Differentialgeometrie (Osnabrück 2023)/Vorlesung 11



Produkte von Mannigfaltigkeiten

Es seien und zwei differenzierbare Mannigfaltigkeiten mit den Atlanten und . Dann nennt man den Produktraum mit den Karten

(mit und ) das Produkt der Mannigfaltigkeiten und .

Es handelt sich dabei in der Tat um eine Mannigfaltigkeit, siehe Aufgabe 11.1. Eine Produktmannigfaltigkeit der Form nennt man auch Zylinder über . Zu abgeschlossenen Untermannigfaltigkeiten und ist die Produktmannigfaltigkeit eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit von , siehe Aufgabe 11.2.



Es seien und differenzierbare Mannigfaltigkeiten und ihr Produkt. Dann gelten folgende Eigenschaften.

  1. Die Projektionen

    und

    sind differenzierbare Abbildungen.

  2. Der Tangentialraum in einem Punkt ist .
  3. Es sei eine weitere differenzierbare Mannigfaltigkeit. Dann ist eine Abbildung

    genau dann differenzierbar, wenn die Komponentenabbildungen und differenzierbar sind.

(1). Durch Übergang zu Karten können wir annehmen, dass und offene Teilmengen im bzw. im sind. In diesem Fall handelt es sich um eine Einschränkung der linearen Projektion , die nach Proposition 45.3 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) stetig differenzierbar ist.
(2). Die differenzierbaren Projektionen und liefern die linearen Tangentialabbildungen und und damit insgesamt die lineare Abbildung

Zum Nachweis der Bijektivität kann man zu Karten übergehen und annehmen, dass und offene Teilmengen sind. Diese Abbildung wird dann zur Bijektion


(3). Für einen fixierten Punkt kann man unter Verwendung von Kartenumgebungen von und von und sich darauf zurückziehen, dass alle drei Mannigfaltigkeiten offene Mengen in euklidischen Räumen sind. Wenn beide Abbildungen stetig differenzierbar sind, so folgt nach Aufgabe 45.9 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) die stetige Differenzierbarkeit der Gesamtabbildung. Die Umkehrung ist klar.



Das Produkt der Kreislinie mit sich selbst, also , heißt Torus. Dies ist eine zweidimensionale Mannigfaltigkeit. Da eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit ist, lässt sich der Torus als abgeschlossenene Untermannigfaltigkeit im realisieren. Sie lässt sich aber auch als abgeschlossenene Untermannigfaltigkeit im realisieren. Dazu seien und positive reelle Zahlen mit . Dann ist die Menge

ein Torus. Es handelt sich bei dieser Realisierung um die Oberfläche eines (aufgeblasenen) „Fahrradschlauches“, dessen „Radradius“ gleich und dessen „Schlauchradius“ gleich ist (das Rad liegt in der -Ebene). Der Zusammenhang mit dem Produkt ergibt sich, indem man dem Produktwinkel den Punkt zuordnet.




Die Lie-Klammer von Vektorfeldern

Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. Eine Abbildung

heißt Differentialoperator erster Ordnung, wenn sie folgende Eigenschaften erfüllt.

  1. ist - linear.
  2. Es ist .

Statt Differentialoperator erster Ordnung sagt man auch Derivation.

Zu einer offenen Menge sind die partiellen Ableitungen und als Operationen auf zweifach stetig differenzierbaren Funktionen vertauschbar, also

Eine Linearkombination

mit auf definierten reellwertigen Funktionen kann man als Vektorfeld

und ebenso als Ableitungsoperator

auffassen (oder von nach ). In diesem Sinne entsprechen sich Vektorfelder und Differentialoperatoren der ersten Ordnung. Differentialoperatoren kann man aber darüber hinaus miteinander verknüpfen, wobei sich herausstellt, dass es auf die Reihenfolge ankommt.



Es sei offen und seien zweifach stetig differenzierbare Funktionen auf .

Dann gilt

Es ist


An dieser expliziten Beschreibung sieht man

da zwar der zweite Summand gleich ist, aber nicht der erste. Dies hat auch die folgende Konsequenz.


Es sei offen und seien zweifach stetig differenzierbare Funktionen auf mit den zugehörigen Differentialoperatoren und

Dann gilt

Insbesondere entspricht dieser Ausdruck selbst einem Differentialoperator der Ordnung und somit einem Vektorfeld.

Nach Lemma 11.5 ist


Auf einer Mannigfaltigkeit bezeichnen wir den Differentialoperator zu einem Vektorfeld mit . Zu einer differenzierbaren Funktion ist . Angewendet auf einen Punkt ist

Entsprechendes gilt für eine auf einer offenen Teilmenge von definierten differenzierbaren Funktion.


Es seien und stetig differenzierbare Vektorfelder auf einer - differenzierbaren Mannigfaltigkeit mit den zugehörigen Differentialoperatoren und . Dann nennt man das Vektorfeld, das der Hintereinanderschaltung entspricht, die Lie-Klammer der beiden Vektorfelder. Sie wird mit bezeichnet.

Es ist eine Konvention, welche Reihenfolge der Operatoren mit einem Minuszeichen in die Definition eingeht.


Es sei eine - differenzierbare Mannigfaltigkeit. Dann erfüllt die Lie-Klammer von Vektorfeldern die folgenden Eigenschaften.

  1. Es ist .
  2. Es ist .
  3. Für eine differenzierbare Funktion auf ist

(1) folgt aus der Definition, (2) folgt aus der Beziehung

zwischen Differentialoperatoren und Vektorfeldern. (3). Da die Aussage lokal ist, können wir

und ansetzen. Dann ist

und nach Lemma 11.6 ist


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