Kurs:Einführung in die Algebra (Osnabrück 2009)/Vorlesung 16



Polynomringe

Der Polynomring über einem kommutativen Ring besteht aus allen Polynomen

mit ,

und mit komponentenweiser Addition und einer Multiplikation, die durch distributive Fortsetzung der Regel

definiert ist.

Ein Polynom

ist formal gesehen nichts anderes als das Tupel , die die Koeffizienten des Polynoms heißen. Der Ring heißt in diesem Zusammenhang der Grundring des Polynomrings. Aufgrund der komponentenweisen Definition der Addition liegt unmittelbar eine Gruppe vor, mit dem Nullpolynom (bei dem alle Koeffizienten null sind) als neutralem Element. Zwei Polynome sind genau dann gleich, wenn sie in allen ihren Koeffizienten übereinstimmen. Die Polynome mit für alle heißen konstante Polynome, man schreibt sie einfach als .

Die für ein einfaches Tupel zunächst ungewöhnliche Schreibweise deutet in suggestiver Weise an, wie die Multiplikation aussehen soll, das Produkt ist nämlich durch die Addition der Exponenten gegeben. Dabei nennt man die Variable des Polynomrings. Für beliebige Polynome ergibt sich die Multiplikation aus dieser einfachen Multiplikationsbedingung durch distributive Fortsetzung gemäß der Vorschrift, „alles mit allem“ zu multiplizieren. Die Multiplikation ist also explizit durch folgende Regel gegeben:



Es sei ein kommutativer Ring und sei der Polynomring über . Dann gelten folgende Aussagen.

  1. ist ein Unterring von .
  2. ist genau dann ein Integritätsbereich, wenn ein Integritätsbereich ist.
  1. Ein Element wird als konstantes Polynom aufgefasst, wobei es egal ist, ob man Addition und Multiplikation in oder in ausführt.
  2. Wenn integer ist, so überträgt sich dies sofort auf den Unterring . Es sei also ein Integritätsbereich und seien und zwei von null verschiedene Polynome. Wir können annehmen, dass und von null verschieden sind. Dann ist und dies ist der Leitkoeffizient des Produktes , das damit nicht null sein kann.




Der Einsetzungshomomorphismus



Es sei ein kommutativer Ring und sei der Polynomring über . Es sei ein weiterer kommutativer Ring und es sei ein Ringhomomorphismus und ein Element.

Dann gibt es einen eindeutig bestimmten Ringhomomorphismus

mit und mit , wobei die kanonische Einbettung ist.

Dabei geht das Polynom auf .

Bei einem Ringhomomorphismus

mit . müssen die Konstanten auf und auf gehen. Daher muss auf gehen. Da Summen respektiert werden, kann es nur einen Ringhomorphismus geben, der die im Zusatz angegebene Gestalt haben muss. Es ist also zu zeigen, dass durch diese Vorschrift wirklich ein Ringhomomorphismus definiert ist. Dies folgt aber direkt aus dem Distributivgesetz.


Den in diesem Satz konstruierten Ringhomomorphismus nennt man den Einsetzungshomomorphismus.



Es sei ein kommutativer Ring und sei der Polynomring über . Es sei , wobei eine Einheit in sei.

Dann gibt es einen Ringisomorphismus

Die Einsetzungshomomorphismen zu und definieren aufgrund von Korollar 14.4 jeweils einen Ringhomomorphismus und von nach , die wir hintereinander schalten:

Bei diesem Ringhomomorphismus bleiben die Elemente aus unverändert, und die Variable wird insgesamt auf

geschickt. Daher muss die Verknüpfung aufgrund der Eindeutigkeit in Korollar 14.4 die Identität sein. Dies gilt auch für die Hintereinanderschaltung in umgekehrter Reihenfolge, sodass ein Isomorphismus vorliegt.



Es sei ein kommutativer Ring und sei ein Unterring.

Dann ist auch ein Unterring von .

Wir betrachten den zusammengesetzten Ringhomomorphismus

Dann liefert der zu nach Korollar 14.4 gehörige Einsetzungshomomorphismus

die gewünschte Abbildung.

Die vorstehende Aussage bedeutet einfach, dass man ein Polynom mit Koeffizienten aus direkt auch als Polynom mit Koeffizienten aus auffassen kann. So ist ein Polynom mit ganzzahligen Koeffizienten insbesondere auch ein Polynom mit rationalen Koeffizienten und mit reellen Koeffizienten. Die Addition und die Multiplikation von zwei Polynomen hängt nicht davon ab, ob man sie über einem kleineren oder einem größeren Grundring ausrechnet, so lange dieser nur alle beteiligten Koeffizienten enthält. Es gibt aber auch viele wichtige Eigenschaften, die vom Grundring abhängen, wie beispielsweise die Eigenschaft, irreduzibel zu sein.



Der Grad eines Polynoms

Der Grad eines von verschiedenen Polynoms

mit ist .

In der Situation der vorstehenden Definition heißt der Leitkoeffizient des Polynoms. Wenn der Leitkoeffizient ist, so nennt man das Polynom normiert. Dem Nullpolynom wird im Allgemeinen kein Grad zugewiesen; manchmal sind gewisse Gleichungen oder Bedingungen aber auch so zu verstehen, dass dem Nullpolynom jeder Grad zugewiesen wird.



Es sei ein kommutativer Ring und sei der Polynomring über . Dann gelten für den Grad folgende Aussagen.

  1. Wenn ein Integritätsbereich ist, so gilt in (2) die Gleichheit.

Beweis

Das ist trivial.


Die Konstruktion von Polynomringen aus einem Grundring kann man iterieren. Aus kann man machen und daraus mit einer neuen Variablen den Ring bilden. Für diesen Ring schreibt man auch . Ein Element darin hat die Gestalt

Zu einem Ring und einer beliebigen Teilmenge kann man den von erzeugten Unterring betrachten. Das ist der kleinste Unterring von , der umfasst; man kann ihn einfach als den Durchschnitt aller umfassenden Unterringe realisieren.

Häufig ist man in eine Situation interessiert, wo ein fixierter Unterring ist und eine weitere, typischerweise recht kleine Teilmenge gegeben ist. Dann wird der von und gemeinsam erzeugte Unterring von mit bezeichnet. Es sei vorausgesetzt, dass mit allen Elementen aus vertauschbar ist (was bei kommutativen automatisch der Fall ist). Dann besteht dieser erzeugte Unterring aus allen polynomialen Ausdrücken

mit .

Diese Ausdrücke bilden offensichtlich den durch und erzeugten Unterring. Bei schreibt man dafür

Man beachte, dass im Gegensatz zum Polynomring dabei die Darstellung eines Elementes aus als ein polynomialer Ausdruck keineswegs eindeutig bestimmt sein muss.




Polynomringe über einem Körper

Es bestehen viele und weitreichende Parallelen zwischen dem Ring der ganzen Zahlen und einem Polynomring in einer Variablen über einem Körper. Grundlegend ist, dass man in beiden Situation eine Division mit Rest durchführen kann.



Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Es seien Polynome mit .

Dann gibt es eindeutig bestimmte Polynome mit

Wir beweisen die Existenzaussage durch Induktion über den Grad von . Wenn der Grad von größer als der Grad von ist, so ist und eine Lösung, sodass wir dies nicht weiter betrachten müssen. Bei ist nach der Vorbemerkung auch , also ist ein konstantes Polynom, und damit ist (da und ein Körper ist) und eine Lösung. Es sei nun und die Aussage für kleineren Grad schon bewiesen. Wir schreiben und mit . Dann gilt mit die Beziehung

Dieses Polynom hat einen Grad kleiner als und darauf können wir die Induktionsvoraussetzung anwenden, d.h. es gibt und mit

Daraus ergibt sich insgesamt

sodass also und eine Lösung ist. Zur Eindeutigkeit sei mit den angegebenen Bedingungen. Dann ist . Da die Differenz einen Grad kleiner als besitzt, ist aufgrund der Gradeigenschaften diese Gleichung nur bei und lösbar.


Das in Satz 16.9 beschriebene Verfahren, um zu zwei gegebenen Polynomen und Polynome und zu finden mit

ist konstruktiv und lässt sich rechnerisch einfach durchführen, wenn man die Arithmetik im Grundkörper beherrscht. Dieses Verfahren heißt Division mit Rest.




Ein Polynomring über einem Körper

ist ein Hauptidealbereich.

Es sei ein von verschiedenes Ideal in . Betrachte die nichtleere Menge

Diese Menge hat ein Minimum , das von einem Element , , herrührt, sagen wir . Wir behaupten, dass ist. Die Inklusion ist klar. Zum Beweis von sei gegeben. Aufgrund von Satz 16.9 gilt

Wegen und der Minimalität von kann der erste Fall nicht eintreten. Also ist und ist ein Vielfaches von .



Es sei ein Körper und seien . Eine Funktion

mit

heißt Polynomfunktion.

Man muss streng zwischen Polynomen und Polynomfunktionen unterscheiden, insbesondere für . Das Polynom
hat beispielsweise nach dem

kleinen Fermat (Satz 14.14) für jedes den Wert . D.h. die durch dieses Polynom definierte Polynomfunktion ist die Nullfunktion, obwohl das Polynom selbst nicht das Nullpolynom ist.

Bei lassen sich die Polynomfunktionen graphisch veranschaulichen.



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