Kurs:Einführung in die Algebra (Osnabrück 2009)/Vorlesung 18
- Faktorielle Ringe
In der letzten Vorlesung haben wir gesehen, dass in einem Hauptidealbereich einerseits jedes irreduzible Element prim ist und andererseits jedes Element ein Produkt von irreduziblen Elementen und damit auch von Primelementen ist. Wir werden gleich zeigen, dass unter diesen Voraussetzung die Zerlegung in Primelemente sogar im Wesentlichen eindeutig ist. Um dies prägnant fassen zu können, dient der Begriff des faktoriellen Ringes
Ein Integritätsbereich heißt faktorieller Bereich, wenn jede Nichteinheit sich als ein Produkt von Primelementen schreiben lässt.
Es sei ein Integritätsbereich. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.
- ist faktoriell.
- Jede Nichteinheit besitzt eine Faktorzerlegung in irreduzible Elemente, und diese Zerlegung ist bis auf Umordnung und Assoziiertheit eindeutig.
- Jede Nichteinheit besitzt eine Faktorzerlegung in irreduzible Elemente, und jedes irreduzible Element ist ein Primelement.
. Sei eine Nichteinheit. Die Faktorisierung in Primelemente ist insbesondere eine Zerlegung in irreduzible Elemente, sodass also lediglich die Eindeutigkeit zu zeigen ist. Dies geschieht durch Induktion über die minimale Anzahl der Primelemente in einer Faktorzerlegung. Wenn es eine Darstellung mit einem Primelement gibt, und eine weitere Zerlegung in irreduzible Faktoren ist, so teilt einen der Faktoren und nach Kürzen durch erhält man, dass das Produkt der übrigen Faktoren rechts eine Einheit sein muss. Das bedeutet aber, dass es keine weiteren Faktoren geben kann. Es sei nun und diese Aussage sei für Elemente mit kleineren Faktorisierungen in Primelemente bereits bewiesen. Es sei
eine weitere Zerlegung mit irreduziblen Elementen. Dann teilt wieder einen der Faktoren rechts, sagen wir
.
Dann muss eine Einheit sein und wir können durch kürzen, wobei wir mit verarbeiten können, was ein zu assoziiertes Element ergibt. Das gekürzte Element hat eine Faktorzerlegung mit Primelementen, sodass wir die Induktionsvoraussetzung anwenden können.
. Wir müssen zeigen, dass ein irreduzibles Element auch prim ist. Es sei also irreduzibel und es teile das Produkt , sagen wir
Für und gibt es Faktorzerlegungen in irreduzible Elemente, sodass sich insgesamt die Gleichung
ergibt. Es liegen also zwei Zerlegungen in irreduzible Element vor, die nach Voraussetzung im Wesentlichen übereinstimmen müssen. D.h. insbesondere, dass es auf der rechten Seite einen Faktor gibt, sagen wir , der assoziiert zu ist. Dann teilt auch den ursprünglichen Faktor .
. Das ist trivial.
ist ein faktorieller Ring.
Dies folgt sofort aus Satz 17.15, Lemma 17.16 und Satz 18.2.
Es sei ein faktorieller Ring und seien und zwei Elemente mit Primfaktorzerlegungen
(wobei die Einheiten sind und die Exponenten auch sein können). Dann gilt genau dann, wenn für alle Exponenten ist.
Wenn die Exponentenbedingung erfüllt ist, so ist und man kann
schreiben, was die Teilbarkeit bedeutet. Die Umkehrung folgt aus der Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung in einem faktoriellen Ring.
- Restklassenringe von Hauptidealbereichen
Es sei ein Hauptidealbereich und ein Element. Dann sind folgende Bedingungen äquivalent.
- ist ein Primelement.
- ist ein Integritätsbereich.
- ist ein Körper.
Die Äquivalenz (1) (2) gilt in jedem kommutativen Ring (auch für ), siehe Aufgabe 18.3, und (3) impliziert natürlich (2). Es sei also (1) erfüllt und sei von verschieden. Wir bezeichnen einen Repräsentanten davon in ebenfalls mit . Es ist dann und es ergibt sich eine echte Idealinklusion . Ferner können wir schreiben, da wir in einem Hauptidealring sind. Es folgt . Da keine Einheit ist und prim (also nach Lemma 17.11 auch irreduzibel) ist, muss eine Einheit sein. Es ist also , und das bedeutet modulo , also in , dass eine Einheit ist. Also ist ein Körper.
Für die Restklassenringe von Hauptidealbereichen gilt wieder der chinesische Restsatz
(für beliebige faktorielle Bereiche gilt er nicht, da das Lemma von Bezout dafür im Allgemeinen nicht gilt).
Es sei ein Hauptidealbereich und , , ein Element mit kanonischer Primfaktorzerlegung
Dann gilt für den Restklassenring die kanonische Isomorphie
Wegen gelten die Idealinklusionen und daher gibt es kanonische Ringhomomorphismen
Diese setzen sich zu einem Ringhomomorphismus in den Produktring zusammen, nämlich
Wir müssen zeigen, dass dieser bijektiv ist. Zur Injektivität sei derart, dass es in jeder Komponente auf abgebildet wird. Das bedeutet für alle . D.h. ist ein Vielfaches dieser und aufgrund der Primfaktorzerlegung folgt, dass ein Vielfaches von sein muss. Also ist in .
Zur Surjektivität genügt es zu zeigen, dass alle Elemente, die in einer Komponente den Wert und in allen anderen Komponenten den Wert haben, im Bild liegen. Es sei also vorgegeben. Wegen der Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung sind
und
teilerfremd. Daher gibt es nach
dem Lemma von Bezout
eine Darstellung der Eins, sagen wir
Betrachten wir . Das wird unter der Restklassenabbildung in der ersten Komponente auf und in den übrigen Komponenten auf abgebildet, wie gewünscht.
- Zerlegung in irreduzible Polynome
Wir möchten nun, abhängig von einem gewählten Grundkörper , Aussagen über die irreduziblen Elemente in und über die Primfaktorzerlegung von Polynomen treffen.
Es sei ein Körper und sei der Polynomring über .
Dann besitzt jedes Polynom , , eine eindeutige Faktorzerlegung
wobei ist und die verschiedene, normierte, irreduzible Polynome sind.
Beweis
Satz 16.11, aus Satz 18.3
und daraus, dass jedes Polynom zu einem normierten Polynom assoziiert ist.
Die irreduziblen Elemente stimmen mit den Primelementen überein, man spricht meist von irreduziblen Polynomen. Diese Eigenschaft hängt wesentlich vom gewählten Körper ab, und nicht für jeden Körper lassen sich die irreduziblen Polynome übersichtlich beschreiben. Bei Irreduzibilitätsfragen kann man stets mit Einheiten multiplizieren, daher muss man nur normierte Polynome untersuchen.
Als echte Faktoren für ein Polynom kommen nur Polynome von kleinerem Grad in Frage. Insbesondere sind daher lineare Polynome, also Polynome von Typ , , stets irreduzibel. Ob ein lineares Polynom ein Faktor eines anderen Polynoms (und damit ein Primfaktor davon) ist, hängt direkt mit den Nullstellen des Polynoms zusammen.
- Nullstellen von Polynomen
Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Es sei ein Polynom und .
Dann ist genau dann eine Nullstelle von , wenn ein Vielfaches des linearen Polynoms ist.
Wenn ein Vielfaches von ist, so kann man
mit einem weiteren Polynom schreiben. Einsetzen ergibt
Im Allgemeinen gibt es aufgrund der Division mit Rest eine Darstellung
wobei oder aber den Grad besitzt, also so oder so eine Konstante ist. Einsetzen ergibt
Wenn also ist, so muss der Rest sein, und das bedeutet, dass ist.
Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Dann ist ein Polynom vom Grad zwei oder drei genau dann irreduzibel,
wenn es keine Nullstelle in besitzt.
In einer echten Primfaktorzerlegung von , , muss ein Polynom vom Grad eins vorkommen, also ein lineares Polynom. Ein lineares Polynom teilt aber nach Lemma 18.8 das Polynom genau dann, wenn ist.
Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Es sei ein Polynom () vom Grad .
Dann besitzt maximal Nullstellen.
Wir beweisen die Aussage durch Induktion über . Für ist die Aussage offensichtlich richtig. Es sei also und die Aussage sei für kleinere Grade bereits bewiesen. Es sei eine Nullstelle von (falls keine Nullstelle besitzt, sind wir direkt fertig). Dann ist nach Lemma 18.8 und hat den Grad , sodass wir auf die Induktionsvoraussetzung anwenden können. Das Polynom hat also maximal Nullstellen. Für gilt . Dies kann nach Lemma 3.4 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) (5) nur dann sein, wenn einer der Faktoren ist, sodass eine Nullstelle von gleich ist oder aber eine Nullstelle von ist. Es gibt also maximal Nullstellen von .
Die Irreduzibilität eines Polynoms hängt wesentlich vom Grundkörper ab. Zum Beispiel ist das reelle Polynom irreduzibel, dagegen zerfällt es als Polynom in als
Ebenso ist das Polynom irreduzibel, aber über hat es die Zerlegung
Übrigens kann die Zerlegung über einem größeren Körper manchmal dazu benutzt werden um zu zeigen, dass ein Polynom über dem gegebenen Körper irreduzibel ist.