Kurs:Funktionentheorie (Osnabrück 2023-2024)/Vorlesung 14/latex

\setcounter{section}{14}






\zwischenueberschrift{Potenzreihenentwicklung für komplex differenzierbare Funktionen}

Wir möchten zeigen, dass eine komplex differnzierbare Funktion in jedem Punkt durch eine Potenzreihe darstellbar ist. Dazu werden wir die Integralformel von Cauchy dahingehend verallgemeinern, dass nicht nur der Wert von $f$ in $a$ durch ein den Punkt umlaufendes Wegintegral zu einer geeigneten Differentialform festgelegt ist, sondern auch die übrigen Koeffizienten in der Potenzreihe. Dies ergibt sich mit Hilfe der geometrischen Reihe.

Für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { z } }
{ < }{1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} besitzt die \definitionsverweis {geometrische Reihe}{}{} das Konvergenzverhalten
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sum_{i = 0}^\infty z^i }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 1-z } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wir schreiben die Integralformel von Cauchy als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(z) }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_\gamma { \frac{ f(w) }{ w-z } } dw }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} um zu betonen, dass wir an der Abhängigkeit von $f$ von $z$ interessiert sind. Den Integranden schreiben wir als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ f(w) }{ w-z } } }
{ =} { { \frac{ f(w) }{ w } } \cdot { \frac{ w }{ w-z } } }
{ =} { { \frac{ f(w) }{ w } } \cdot { \frac{ 1 }{ 1- { \frac{ z }{ w } } } } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Da in der Integralformel vorausgesetzt wird, dass $z$ im Innern des Kreises liegt und $w$ auf dem Rand, ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { { \frac{ z }{ w } } } }
{ < }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und daher kann man auf den zweiten Faktor des Integranden die Formel der geometrischen Reihe, also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ 1 }{ 1- { \frac{ z }{ w } } } } }
{ =} { \sum_{k = 0}^\infty \left( \frac{ z }{ w } \right)^k }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} anwenden, bzw.
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ 1 }{ w - z } } }
{ =} { \sum_{k = 0}^\infty { \frac{ z^k }{ w^{k+1 } }} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}





\inputfaktbeweis
{Komplex-differenzierbare Funktion/Potenzreihenentwicklung/Koeffizientenformel/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \definitionsverweis {offen}{}{,} \maabb {f} {U} { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {komplex differenzierbare}{}{} Funktion und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt.}
\faktfolgerung {Dann wird $f$ in einer Umgebung von $a$ durch die \definitionsverweis {Potenzreihe}{}{}
\mathl{\sum_{n = 0}^\infty c_n (z-a)^n}{} beschrieben, wobei die Koeffizienten durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ c_n }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_\gamma { \frac{ f(z) }{ (z-a)^{n+1} } } dz }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gegeben sind, und $\gamma$ einen einfachen Umlaufweg um $a$ innerhalb von $U$ bezeichnet.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Zur Notationsvereinfachung sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Nach der Integralformel gilt für jedes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ z }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(z) }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_\delta { \frac{ f(w) }{ w-z } } d w }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit einem einfachen Umlaufweg \maabbeledisp {\delta} {[0,1]} { U } {t} { z+re^{2 \pi { \mathrm i} t} } {,} um $z$ in $U$. Nach Korollar 13.5 gilt auch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(z) }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_\gamma { \frac{ f(w) }{ w-z } } d w }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit einem Umlaufweg um $0$ in $U$, wobei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ B \left( 0,r \right) }
{ \subseteq }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gelten und $z$ im Innern dieses Kreises sein muss. Wir schreiben den Integranden als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ f(w) }{ w-z } } }
{ =} { { \frac{ f(w) }{ w } } \cdot { \frac{ 1 }{ 1- { \frac{ z }{ w } } } } }
{ =} { \sum_{k = 0}^\infty { \frac{ f(w) }{ w } } \left( \frac{ z }{ w } \right)^k }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Hierbei ist
\mathl{f(w)}{} auf dem Kreis \zusatzklammer {bzw. $f { \left( re^{2 \pi { \mathrm i} t} \right) }$ auf dem Intervall} {} {} beschränkt und daher konvergiert diese Reihe für festes $z$ \definitionsverweis {absolut}{}{} und \zusatzklammer {als Funktion in $w$} {} {} \definitionsverweis {gleichmäßig}{}{} gegen die Grenzfunktion. Nach Lemma 23.16 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) \zusatzklammer {angewendet auf Real- und Imaginärteil} {} {,} kann man den Grenzwert der Reihe mit dem Integral vertauschen, daher ist
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ f(z) }
{ =} { \int_\gamma { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \cdot { \frac{ f(w) }{ w-z } } d w }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } }\int_\gamma \sum_{k = 0}^\infty { \frac{ f(w) }{ w } } \left( \frac{ z }{ w } \right)^k d w }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \sum_{k = 0}^\infty { \left( \int_\gamma { \frac{ f(w) }{ w } } \cdot{ \frac{ 1 }{ w^k } } d w \right) } z^k }
{ =} { \sum_{k = 0}^\infty { \left( { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_\gamma { \frac{ f(w) }{ w^{k+1} } } d w \right) } z^k }
} {} {}{.} Da dies für jedes $z$ im Innern der Kreisscheibe gilt und die Koeffizienten unabhängig von $z$ sind, liegt eine beschreibende konvergente Potenzreihe vor.

}

Jetzt können wir den Hauptsatz über komplex differenzierbare Funktionen beweisen.




\inputfaktbeweis
{Holomorphe Funktion/Charakterisierung/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Für eine auf einer \definitionsverweis {offenen Menge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} definierte \definitionsverweis {Funktion}{}{} \maabbdisp {f} {U} { {\mathbb C} } {} sind folgende Aussagen äquivalent.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungdrei{$f$ ist \definitionsverweis {komplex differenzierbar}{}{.} }{$f$ ist unendlich oft \zusatzklammer {stetig} {} {} komplex differenzierbar. }{$f$ lässt sich in jedem Punkt in eine Potenzreihe entwickeln, d.h. $f$ ist \definitionsverweis {komplex-analytisch}{}{.} }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Von (1) nach (3) ist Satz 14.1, von (3) nach (2) ist Korollar 8.13, von (2) nach (1) ist trivial.

}


Aus Satz 14.1 folgt insbesondere, dass der Konvergenzradius der beschreibenden Potenzreihe zumindest so groß ist, wie es vom Definitionsbereich der komplex differenzierbaren Funktion her möglich ist, siehe Aufgabe 14.2. Ab jetzt sprechen wir konsequent von holomorphen Funktionen.





\inputfaktbeweis
{Holomorphe Funktion/Offener Ball/Stammfunktion/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ U }
{ =} { U { \left( P,r \right) } }
{ \subseteq} { {\mathbb C} }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {offener Ball}{}{} und sei \maabb {f} {U} { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann besitzt $f$ eine \definitionsverweis {Stammfunktion}{}{} auf $U$.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Nach dem Beweis zu Satz 14.1 wird $f$ auf $U$ durch eine konvergente Potenzreihe beschrieben. Diese besitzt nach Satz 8.17 eine Stammfunktion.

}


In Sätzen wie Korollar 12.17 und Korollar 12.18 können wir jetzt allein mit der Voraussetzung komplex differenzierbar \zusatzklammer {statt stetig komplex differenzierbar} {} {} formulieren.





\inputfaktbeweis
{C/Sternförmige Menge/Komplex-differenzierbar/Stammform/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {sternförmige}{}{} \definitionsverweis {offene Teilmenge}{}{} und sei \maabbdisp {f} {U} { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {komplex differenzierbare}{}{} Funktion.}
\faktfolgerung {Dann besitzt $f$ eine Stammfunktion, und die \definitionsverweis {holomorphe Differentialform}{}{} $fdz$ ist \definitionsverweis {exakt}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Dies folgt wegen Satz 14.2 direkt aus Korollar 12.17.

}







\zwischenueberschrift{Der riemannsche Hebbarkeitssatz}





\inputfaktbeweis
{Holomorphe Funktion/Riemannscher Hebbarkeitssatz/Charakterisierung/Eindimensional/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{G }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \definitionsverweis {offen}{}{,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ G }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt und \maabb {f} {G \setminus \{P\} } { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{.}}
\faktuebergang {Dann sind folgende Eigenschaften äquivalent.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungvier{Es gibt eine stetige Fortsetzung \maabbdisp {\tilde{f}} {G} { {\mathbb C} } {} von $f$. }{Der Betrag von $f$ ist in einer \definitionsverweis {offenen Umgebung}{}{} von $P$ \definitionsverweis {beschränkt}{}{.} }{Es ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{lim}_{ z \rightarrow P } \, (z-P)f(z) }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} }{Es gibt eine holomorphe Fortsetzung \maabbdisp {\tilde{f}} {G} { {\mathbb C} } {} von $f$. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die Implikationen von (1) nach (2), von (2) nach (3) und von (4) nach (1) sind klar. Sei also (3) erfüllt. Zur Notationsvereinfachung sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Wir betrachten die Funktion
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ g(z) }
{ =} { z f(z) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} die wir durch
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ g(0) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} zu einer Funktion auf $G$ fortsetzen. Diese ist stetig nach Voraussetzung in Verbindung mit Korollar 12.14 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)). Ferner setzen wir
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ h(z) }
{ =} { z g(z) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wir lesen die Gleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ h(z) }
{ =} { z g(z) }
{ =} { 0 +0 z+ z g(z) }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} als eine affin-lineare Approximation für $h$ \zusatzklammer {vergleiche Satz 1.2} {} {.} Daher ist $h$ im Nullpunkt \definitionsverweis {komplex differenzierbar}{}{} und damit auf ganz $G$ holomorph. Nach Satz 14.1 gibt es für $h$ eine Beschreibung als Potenzreihe in einer offenen Umgebung,
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ h(z) }
{ =} { \sum_{n = 0}^\infty c_nz^n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Aufgrund der Definition von $h$ ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ c_0 }
{ = }{ c_1 }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und damit ist
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ h(z) }
{ =} { \sum_{n = 2}^\infty c_nz^n }
{ =} { z^2 { \left( \sum_{n = 2}^\infty c_{n} z^{n-2} \right) } }
{ =} { z^2 { \left( \sum_{k = 0}^\infty c_{k+2} z^k \right) } }
{ } { }
} {} {}{.} Daher ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \tilde{f} }
{ =} { \sum_{k = 0}^\infty c_{k+2} z^k }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} eine holomorphe Fortsetzung von $f$.

}







\zwischenueberschrift{Der Identitätssatz für holomorphe Funktionen}

Eine \definitionsverweis {diskrete Teilmenge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ D }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist eine Teilmenge mit der Eigenschaft, dass es zu jedem Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ D }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine Kreisumgebung
\mathl{U { \left( P,r \right) }}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U { \left( P,r \right) } \cap D }
{ = }{ \{P \} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt. Dies bedeutet, dass die induzierte Topologie von ${\mathbb C}$ auf $D$ die \definitionsverweis {diskrete Topologie}{}{} ist. Polynome $\neq 0$ besitzen nach Korollar 11.7 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) nur endlich viele Nullstellen und endliche Teilmengen sind diskret. Aber auch die trigonometrischen Funktionen besitzen eine diskrete \zusatzklammer {aber nicht endliche} {} {} Nullstellenmenge. Dies gilt für beliebige holomorphe Funktionen.




\inputfaktbeweis
{Holomorphe Funktion/Nullstellen/Diskret/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {offene Teilmenge}{}{} und \maabb {f} {U} { {\mathbb C} } {} eine von der Nullfunktion verschiedene \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist die Nullstellenmenge von $f$ \definitionsverweis {diskret}{}{} und \definitionsverweis {abgeschlossen}{}{} \zusatzklammer {in $U$} {} {.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Nehmen wir an, dass die Nullstellenmenge nicht diskret ist. Dann gibt es nach Aufgabe 14.16 einen Häufungspunkt $a$ der Nullstellenmenge, der wegen der Abgeschlossenheit der Nullstellenmenge insbesondere zu $U$ gehört . Nach Satz 14.2 wird $f$ in jedem Punkt durch eine Potenzreihe beschrieben, mit Lemma 8.9 folgt, dass die Potenzreihe zu $a$ die Nullreihe ist und dass daher $f$ in einer Umgebung von $a$ gleich $0$ ist.

Wir betrachten nun
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{ N }
{ =} { { \left\{ w \in U \mid \text{ die beschreibende Potenzreihe um } w \text{ ist die Nullreihe} \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Nach Voraussetzung gehört $a$ zu $N$, die Menge $N$ ist also nicht leer. Die Menge $N$ ist offen: Wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ w }
{ \in }{ N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist, so ist die Funktion $f$ in einer offenen Umgebung
\mathl{U { \left( w,r \right) }}{} die Nullfunktion, daher ist auch für alle Punkte
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ w' }
{ \in }{ U { \left( w,r \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die beschreibende Potenzreihe die Nullreihe. Die Menge $N$ ist aber auch abgeschlossen. Es sei
\mathl{w_n}{} eine Folge in $N$, die gegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ w }
{ \in }{ U { \left( 0,R \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} konvergiere. Da die Potenzreihen mit Entwicklungspunkt $w_n$ die Nullreihen sind, ist insbesondere
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f(w_n) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Für die Potenzreihe mit Entwicklungspunkt $w$ ergibt sich also, dass der Entwicklungspunkt ein Häufungspunkt der Nullstellen ist. Daraus folgt wieder nach Lemma 8.9, dass diese Potenzreihe ebenfalls die Nullreihe ist, also zu $N$ gehört. $N$ ist also offen und abgeschlossen und nicht leer, also ist es ganz
\mathl{U { \left( 0,R \right) }}{.}

}


Die beiden folgenden Aussagen \zusatzklammer {die zweite heißt \stichwort {Identitätssatz} {}} {} {} folgen daraus unmittelbar.





\inputfaktbeweis
{Holomorphe Funktionen/C/Häufungspunkt/Nullfunktion/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {offene Teilmenge}{}{} und \maabb {f} {U} { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{.}}
\faktfolgerung {Wenn die Nullstellenmenge von $f$ einen \definitionsverweis {Häufungspunkt}{}{} in $U$ besitzt, so ist $f$ die Nullfunktion.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Dies ist eine Umformulierung von Satz 14.6.

}

Es kann dabei aber durchaus sein, dass die Nullstellenmenge einen Häufungspunkt in ${\mathbb C}$ besitzt, siehe Aufgabe 14.18.





\inputfaktbeweis
{Holomorphe Funktionen/C/Identitätssatz/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {offene Teilmenge}{}{} und seien \maabb {f, g} {U} { {\mathbb C} } {} \definitionsverweis {holomorphe Funktionen}{}{.}}
\faktvoraussetzung {Die Übereinstimmungsmenge von \mathkor {} {f} {und} {g} {,} also
\mathl{{ \left\{ z \in U \mid f(z) = g(z) \right\} }}{} besitze einen \definitionsverweis {Häufungspunkt}{}{} in $U$.}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f }
{ = }{ g }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Dies folgt direkt aus Korollar 14.7, wenn man die Differenz $f-g$ betrachtet.

}






\zwischenueberschrift{Das Maximumsprinzip}





\inputfaktbeweis
{Gebiet/Holomorphe Funktion/Mittelwerteigenschaft/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ B }
{ = }{ B \left( a,r \right) }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {abgeschlossener Ball}{}{} und sei \maabb {f} {B} { {\mathbb C} } {} eine stetige Funktion, die in
\mathl{U { \left( a,r \right) }}{} \definitionsverweis {holomorph}{}{} sei.}
\faktfolgerung {Dann gilt für den Weg
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \gamma(t) }
{ =} { a + r e^{ { \mathrm i} t} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} die Gleichheit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(a) }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_\gamma { \frac{ f(z) }{ z-a } } dz }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi } } \int_0^{2 \pi} f { \left( a + r e^{ { \mathrm i} t} \right) } dt }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die erste Gleichung ist die Integralformel von Cauchy. Mit dem angegebenen Weg
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \gamma(t) }
{ = }{ a+ r e^{ { \mathrm i} t} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \gamma'(t) }
{ = }{ r { \mathrm i} e^{ { \mathrm i} t} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und damit ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \int_\gamma { \frac{ f(z) }{ z-a } } dz }
{ =} { \int_0^{2 \pi} { \frac{ f { \left( a+ r e^{ { \mathrm i} t} \right) } }{ r e^{ { \mathrm i} t} } } r { \mathrm i} e^{ { \mathrm i} t} dt }
{ =} { { \mathrm i} \int_0^{2 \pi} f { \left( a+ r e^{ { \mathrm i} t} \right) } dt }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}

}


Diese Aussage wird insbesondere auf holomorphe Funktionen \maabb {f} {U} { {\mathbb C} } {} und abgeschlossene Kreisscheiben
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ B \left( a,r \right) }
{ \subseteq }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} angewendet, wo die Holomorphie sichert, dass die Funktion auf dem Rand stetig ist. Der folgende Satz heißt \stichwort {Maximumsprinzip} {.}




\inputfaktbeweis
{Gebiet/Holomorphe Funktion/Maximumsprinzip/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{G }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {Gebiet}{}{} und sei \maabb {f} {G} { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{} mit der Eigenschaft:}
\faktvoraussetzung {Es gebe einen Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a }
{ \in }{G }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { f(z) } }
{ \leq} { \betrag { f(a) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{z }
{ \in }{G }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist $f$ konstant.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir zeigen, dass $f$ in einer offenen Kreisscheibenumgebung von $a$ konstant ist und daher wegen Korollar 14.8 überhaupt konstant ist. Es sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ B \left( a,r \right) }
{ \subseteq} { U }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Mit Lemma 14.9 ist dann
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ \betrag { f(a) } }
{ =} { \betrag { { \frac{ 1 }{ 2 \pi } } \int_0^{2 \pi} f { \left( a + r e^{ { \mathrm i} t} \right) } dt } }
{ \leq} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi } } \int_0^{2 \pi} \betrag { f { \left( a + r e^{ { \mathrm i} t} \right) } } dt }
{ \leq} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi } } \int_0^{2 \pi} \betrag { f (a) } dt }
{ =} { \betrag { f(a) } }
} {} {}{,} daher muss hier sogar überall Gleichheit gelten. Dies bedeutet insbesondere
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \int_0^{2 \pi} \betrag { f (a) } - \betrag { f { \left( a + r e^{ { \mathrm i} t} \right) } } dt }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei der Integrand wegen der Maximumsbedingung nichtnegativ ist. Dann ist aber nach Aufgabe 23.11 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) der Integrand bereits konstant gleich $0$. Dies gilt auch für jeden Radius $\leq r$, und daher ist überhaupt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { f(z) } }
{ = }{ \betrag { f(a) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} in einer offenen Umgebung von $a$. Aus Korollar 3.8 ergibt sich, dass $f$ selbst in der Umgebung konstant ist.

}





\inputfaktbeweis
{Gebiet/Holomorphe Funktion/Maximumsprinzip/Maximum auf Rand/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \definitionsverweis {offen}{}{} \maabb {f} {U} { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ B \left( a,r \right) }
{ \subseteq }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann wird das Maximum von $\betrag { f(z) }$ auf $B \left( a,r \right)$ auf dem Rand von $B \left( a,r \right)$ angenommen.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wegen der Kompaktheit der abgeschlossenen Kreisscheibe nimmt die stetige Funktion $f$ nach Satz 14.10 ihr Maximum an, sagen wir im Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ B \left( a,r \right) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Nach Satz 14.10 kann dieser Punkt \zusatzklammer {außer bei $f$ konstant} {} {} nicht auf der offenen Kreisscheibe, sondern muss auf dem Rand liegen.

}