Kurs:Funktionentheorie (Osnabrück 2023-2024)/Vorlesung 18/latex

\setcounter{section}{18}






\zwischenueberschrift{Wesentliche Singularitäten}




\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {offene Teilmenge}{}{,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt und \maabbdisp {f} {U \setminus \{a\} } { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{.} Man sagt, dass $f$ im Punkt $a$ eine \definitionswort {wesentliche Singularität}{} besitzt, wenn $a$ weder eine \definitionsverweis {hebbare Singularität}{}{} noch ein \definitionsverweis {Pol}{}{} von $f$ ist.

}

Dies bedeutet, dass für
\mathl{z \rightarrow a}{} der Betrag $\betrag { f(z) }$ in $a$ weder einen Limes besitzt noch gegen $+ \infty$ bestimmt divergiert. Die beiden Standardbeispiele sind die folgenden.




\inputbeispiel{}
{

Die Funktion
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(z) }
{ =} { \exp \left( z^{-1} \right) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} besitzt im Nullpunkt eine \definitionsverweis {wesentliche Singularität}{}{.} Für jedes feste
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n }
{ \in }{ \N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mathl{z^n \exp \left( z^{-1} \right)}{} für $z \rightarrow 0$ nicht beschränkt, da \zusatzklammer {mit
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{ w }
{ = }{ z^{-1} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}} {} {} ja
\mathl{{ \frac{ \exp w }{ w^n } } \rightarrow + \infty}{} für reelles
\mathl{w \rightarrow +\infty}{} gilt \zusatzklammer {die Exponentialfunktion wächst schneller als jedes Polynom, siehe Aufgabe 15.19 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))} {} {.}


}




\inputbeispiel{}
{

Die Funktion
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(z) }
{ =} { \sin \left( z^{-1} \right) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} besitzt im Nullpunkt eine \definitionsverweis {wesentliche Singularität}{}{.} Die Funktion
\mathl{\sin \left( z^{-1} \right)}{} ist zwar auf $\R \setminus \{0\}$ beschränkt und die reelle Funktion
\mathl{z \sin \left( z^{-1} \right)}{} besitzt eine stetige Fortsetzung nach $\R$, doch geht es um das Verhalten der Betragsfunktion über ${\mathbb C}$. Mit der Beschreibung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sin z }
{ =} { { \frac{ e^{ { \mathrm i} z} - e^{ - { \mathrm i} z} }{ 2 { \mathrm i} } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sin \left( \frac{ 1 }{ z } \right) }
{ =} { { \frac{ e^{ { \frac{ { \mathrm i} }{ z } } } - e^{ - { \frac{ { \mathrm i} }{ z } } } }{ 2 { \mathrm i} } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Für Argumente
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ z }
{ = }{ { \mathrm i} r }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit $r$ reell ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sin \left( \frac{ 1 }{ { \mathrm i} r } \right) }
{ =} { { \frac{ e^{ { \frac{ { \mathrm i} }{ { \mathrm i} r } } } - e^{ - { \frac{ { \mathrm i} }{ { \mathrm i} r } } } }{ 2 { \mathrm i} } } }
{ =} { { \frac{ e^{ { \frac{ 1 }{ r } } } - e^{ - { \frac{ 1 }{ r } } } }{ 2 { \mathrm i} } } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und dabei geht für
\mathbed {r>0} {}
{r \rightarrow 0} {}
{} {} {} {,} der rechte Summand im Zähler gegen $0$ und der linke Summand gegen $+\infty$.


}





\inputfaktbeweis
{Offene Menge/Punkt/Holomorphe Funktion/Isolierte Singularität/Wesentlich/Charakterisierung/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {offene Teilmenge}{}{,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ \in }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt und \maabbdisp {f} {U \setminus \{a\} } { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{.}}
\faktuebergang {Dann sind folgende Eigenschaften äquivalent.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungzwei {$f$ besitzt in $a$ eine \definitionsverweis {wesentliche Singularität}{}{.} } {In der \definitionsverweis {Laurent-Reihe}{}{} zu $f$ in $a$ gibt es unendlich viele Koeffizienten zu negativen Indizes, die nicht gleich $0$ sind. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Dies folgt aus Korollar 17.3 und aus Lemma 17.5.

}


Eine wesentliche Singularität ist nach Definition eine, in der der Betrag der Funktion keinen Limes in $\R \cup \{\infty\}$ besitzt. Darüber hinaus kann man über das Verhalten der Werte der Funktion selbst auf einer punktierten Umgebung eine sehr viel stärkere Aussage machen, dies ist der Inhalt des Satzes von Casorati-Weierstrass.





\inputfaktbeweis
{Wesentliche Singularität/Bildmenge/Casorati-Weierstrass/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {offene Teilmenge}{}{,}


\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt und \maabbdisp {f} { U \setminus \{a\} } { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{.}}
\faktuebergang {Dann sind folgende Aussagen äquivalent.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungzwei {$f$ besitzt in $a$ eine \definitionsverweis {wesentliche Singularität}{}{.} } {Für jede offene Kreisscheibenumgebung
\mathl{U { \left( a,r \right) }}{} ist das \definitionsverweis {Bild}{}{}
\mathl{f { \left( U { \left( a,r \right) } \setminus \{a\} \right) }}{} \definitionsverweis {dicht}{}{} in ${\mathbb C}$. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es liege eine wesentliche Singularität vor, wobei wir
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} annehmen können. Nehmen wir an, dass es eine Ballumgebung
\mathl{U { \left( 0,r \right) }}{} derart gibt, dass das Bild der punktierten Ballumgebung nicht dicht ist. Dann gibt es einen Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ b }
{ \in }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und eine Ballumgebung
\mathl{U { \left( b,s \right) }}{,} die disjunkt zum Bild ist. Wir betrachten die holomorphe Funktion \maabbeledisp {h} { U { \left( 0,r \right) } \setminus \{0 \} } { {\mathbb C} } {z} { h(z) = { \frac{ 1 }{ f(z) -b } } } {,} die ja wohldefiniert ist, da
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { f(z)-b } }
{ \geq }{s }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt. Ferner folgt daraus, dass
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { h(z) } }
{ \leq }{ { \frac{ 1 }{ s } } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} auf der offenen Menge
\mathl{U { \left( 0,r \right) } \setminus \{0 \}}{} ist. Daher ist aber nach Satz 14.5 $h$ nach $0$ holomorph fortsetzbar. Eine Umstellung der definierenden Gleichung für $h$ ergibt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(z) }
{ =} { { \frac{ 1 }{ h(z) } } +b }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} woraus folgt, dass $f$ in $0$ eine hebbare Singularität oder einen Pol besitzt, jedenfalls keine wesentliche Singularität.

Von (2) nach (1) ist im hebbaren Fall klar und ergibt sich im Fall eines Poles aus Lemma 17.5.

}






\zwischenueberschrift{Automorphismen}

Wir möchten die holomorphen Automorphismen auf gewissen Gebieten
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {wir ${\mathbb C} , {\mathbb C} \setminus \{0\}, U { \left( 0,1 \right) }$} {} {} bestimmen, also die Menge der \definitionsverweis {biholomorphen Funktionen}{}{} \maabb {\varphi} {U} {U } {.} Die Menge der Automorphismen bilden mit der Hintereinanderschaltung von Abbildungen eine Gruppe. Tyischerweise hat man einerseits eine übersichtliche Beschreibung von expliziten Automorphismen und muss dann andererseits zeigen, dass sämtliche Automorphismen von dieser Art sind.





\inputfaktbeweis
{Ganze Funktion/Unwesentliche Singularität nach Invertierung/Polynom/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei \maabb {f} { {\mathbb C} } { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {ganze Funktion}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist $f$ genau dann ein Polynom, wenn die auf ${\mathbb C} \setminus \{0\}$ definierte holomorphe Funktion \maabbeledisp {} { {\mathbb C} \setminus \{0\}} { {\mathbb C} } {w} { f { \left( { \frac{ 1 }{ w } } \right) } } {,} im Nullpunkt keine \definitionsverweis {wesentliche Singularität}{}{} besitzt.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir setzen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ g(w) }
{ =} { f { \left( { \frac{ 1 }{ w } } \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wenn
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f }
{ =} { c_0+c_1z + \cdots + c_nz^n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ein Polynom ist, so ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ g(w) }
{ =} { f { \left( { \frac{ 1 }{ w } } \right) } }
{ =} { c_0+c_1w^{-1} + \cdots + c_nw^{-n} }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} d.h. der Hauptteil der Laurent-Reihe ist endlich. Aus Lemma 18.4 folgt, dass die Singularität unwesentlich ist.

Wenn $g$ in $0$ keine wesentliche Singularität besitzt, so ist nach Lemma 18.4 der Hauptteil der Laurent-Reihe zu $g$ in $0$ endlich. Wenn
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f }
{ =} { \sum_{n = 0}^\infty c_nz^n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} die Potenzreihenentwicklung von $f$ ist, so ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ g(w) }
{ =} { \sum_{n = 0}^\infty c_nw^{-n} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und die Endlichkeit des Hauptteiles von $g$ bedeutet eben, dass
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ c_n }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n }
{ \geq }{ m }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für ein $m$ ist. Also ist $f$ ein Polynom.

}





\inputfaktbeweis
{Ganze injektive Funktion/Linear/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei \maabbdisp {f} { {\mathbb C} } { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {injektive}{}{} \definitionsverweis {ganze Funktion}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist $f$ eine affin-lineare Funktion, also von der Form \maabbeledisp {} { {\mathbb C} } { {\mathbb C} } {z} { az+b } {,} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir betrachten
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ g(w) }
{ = }{ f { \left( { \frac{ 1 }{ w } } \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} auf
\mathl{{\mathbb C} \setminus \{ 0 \}}{.} Diese Funktion ist ebenfalls injektiv. Wir behaupten, dass $g$ im Nullpunkt keine wesentliche Singularität besitzt. Würde nämlich eine wesentliche Singularität vorliegen, so wäre nach Satz 18.5 die Menge
\mathl{g { \left( U { \left( 0,r \right) } \setminus \{0 \} \right) }}{} für jedes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ r }
{ > }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} dicht. Nach Satz 15.8 ist
\mathl{g { \left( U { \left( 1, { \frac{ 1 }{ 2 } } \right) } \right) }}{} offen. Es wäre dann
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ g { \left( U { \left( 0, { \frac{ 1 }{ 2 } } \right) } \setminus \{0\} \right) } \cap g { \left( U { \left( 1, { \frac{ 1 }{ 2 } } \right) } \right) } }
{ \neq} { \emptyset }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} was der Injektivität widerspricht. Es liegt also keine wesentliche Singularität vor und nach Satz 18.6 muss $f$ ein Polynom sein. Wegen injektiv folgt mit Lemma 15.10, dass die Ableitung $f'$ nullstellenfrei ist. Daher ist $f'$ wegen Satz 15.4 konstant und somit ist $f$ linear.

}





\inputfaktbeweis
{Komplexe Zahlen/Holomorphe Automorphismen/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Die \definitionsverweis {holomorphen}{}{} Automorphismen auf ${\mathbb C}$}
\faktfolgerung {sind die affin-linearen Abbildungen \maabbeledisp {} { {\mathbb C} } { {\mathbb C} } {z} {az+b } {,} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Dies folgt direkt aus Satz 18.6.

}





\inputfaktbeweis
{Komplexe Zahlen/Punktiert/Holomorphe Automorphismen/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Die \definitionsverweis {holomorphen}{}{} Automorphismen auf ${\mathbb C} \setminus \{0\}$}
\faktfolgerung {sind die linearen Abbildungen \maabbeledisp {} { {\mathbb C} \setminus \{0\} } { {\mathbb C} \setminus \{0\} } {z} {az } {,} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und die Abbildungen \maabbeledisp {} { {\mathbb C} \setminus \{0\} } { {\mathbb C} \setminus \{0\} } {z} {bz^{-1} } {,} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ b }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei \maabbdisp {\varphi} { {\mathbb C} \setminus \{0\} } { {\mathbb C} \setminus \{0\} \subseteq {\mathbb C} } {} biholomorph. Wenn $\varphi$ in $0$ eine \definitionsverweis {hebbare Singularität}{}{} besitzt, und $\tilde{\varphi}$ die Fortsetzung bezeichnet, so ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \tilde{\varphi} (0) }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wäre nämlich
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \tilde{\varphi} (0) }
{ =} { Q }
{ \neq} { 0 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} so gibt es auch einen Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \varphi(P) }
{ = }{ Q }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Für \mathkor {} {0} {und} {P} {} gibt es disjunkte offene Umgebungen, die nach Satz 15.8 auf offene Umgebungen \mathkor {} {V_1} {und} {V_2} {} von $Q$ abbilden. Die Punkte im Durchschnitt
\mathl{V_1 \cap V_2}{} werden dann doppelt getroffen, was der Injektivität von $\varphi$ widerspricht.

Daher ist die Fortsetzung $\tilde{\varphi}$ ein Automorphismus von ${\mathbb C}$ nach ${\mathbb C}$ und es handelt sich nach Satz 18.8 um eine affin-lineare Abbildung. Wegen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \tilde{\varphi} (0) }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist der konstante Term gleich $0$ und die Abbildung ist linear.

Es sei nun $\varphi$ nicht hebbar in $0$. Eine \definitionsverweis {wesentliche Singularität}{}{} kann nicht vorliegen, da in diesem Fall wegen Satz 18.5 die Abbildung in keiner punktierten Umgebung injektiv sein kann. Also liegt ein \definitionsverweis {Pol}{}{} vor. Dann ist
\mathl{{ \frac{ 1 }{ \varphi } }}{} im Nullpunkt mit dem Wert $0$ fortsetzbar. Da
\mathl{{ \frac{ 1 }{ \varphi } }}{} ebenfalls ein Automorphismus ist, handelt es sich nach dem zuerst behandelten Fall um eine bijektive lineare Abbildung, sagen wir
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ 1 }{ \varphi(z) } } }
{ =} { az }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Dann ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \varphi(z) }
{ =} { a^{-1} z^{-1} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}

}


Die folgende Aussage heißt \stichwort {Lemma von Schwarz} {,} sie wird benötigt, um die Automorphismen auf einer \zusatzklammer {punktierten} {} {} Kreisscheibe zu verstehen.




\inputfaktbeweis
{Holomorphe Funktion/Kreisscheibe in sich/Schwarz/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei \maabbdisp {f} { U { \left( 0,1 \right) } } { U { \left( 0,1 \right) } } {} \definitionsverweis {holomorph}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f(0) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { f(z) } }
{ \leq} { \betrag { z } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle $z$ und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { f'(0) } }
{ \leq} {1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {Wenn in der ersten Abschätzung für ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ z }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} oder wenn in der Ableitungsabschätzung Gleichheit gilt, so ist $f$ eine Drehung.}
\faktzusatz {}

}
{

Die Funktion
\mathl{{ \frac{ f(z) }{ z } }}{} ist wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f(z) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} auf der Kreisscheibe holomorph, und wegen \zusatzklammer {Differenzenquotient} {} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ f(z) }{ z } } }
{ =} { { \frac{ f(z) -f(0) }{ z-0 } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist der Wert von
\mathl{{ \frac{ f(z) }{ z } }}{} im Nullpunkt gleich $f'(0)$. Auf dem Kreis mit $0$ als Mittelpunkt und mit Radius
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ r }
{ < }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { { \frac{ f(z) }{ z } } } }
{ \leq} { { \frac{ 1 }{ \betrag { z } } } }
{ =} { { \frac{ 1 }{ r } } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Da $r$ beliebig nahe an $1$ gewählt werden kann, ergibt sich die Abschätzung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { { \frac{ f(z) }{ z } } } }
{ \leq} { 1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} was einerseits
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { f(z) } }
{ \leq }{ \betrag { z } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und andererseits
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { f'(0) } }
{ \leq }{1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} impliziert.

Betrachten wir jetzt die Situation, in der
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { f(z_0) } }
{ = }{ \betrag { z_0 } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ z_0 }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt. Dies bedeutet, dass die Funktion
\mathl{{ \frac{ f(z) }{ z } }}{} ihr Maximum im Punkt $z_0$ annimmt. Aus dem Maximumsprinzip folgt, dass
\mathl{{ \frac{ f(z) }{ z } }}{} konstant ist, also
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f(z) }
{ = }{ cz }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit einer Konstanten $c$, deren Betrag gleich $1$ sein muss. Das Argument im Fall von Gleichheit in der Ableitungsabschätzung ist entsprechend.

}





\inputfaktbeweis
{Kreisscheibe/Holomorphe Automorphismen/0 Fixpunkt/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Die \definitionsverweis {biholomorphen}{}{} Abbildungen der offenen Kreisscheibe
\mathl{U { \left( 0,1 \right) }}{} in sich mit $0$ als \definitionsverweis {Fixpunkt}{}{}}
\faktfolgerung {sind genau die Drehungen, also die Multiplikationen mit einer komplexen Zahl vom Betrag $1$.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Nach Lemma 18.10 gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { f(z) } }
{ \leq} { \betrag { z } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Da die Umkehrfunktion die gleichen Bedingungen erfüllt, gilt auch die umgekehrte Abschätzung und daher gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { f(z) } }
{ =} { \betrag { z } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle $z$. Aufgrund des Zusatzes von Lemma 18.10 liegt eine Drehung vor. Umgekehrt ist eine Drehung natürlich eine biholomorphe Abbildung.

}





\inputfaktbeweis
{Punktierte Kreisscheibe/Holomorphe Automorphismen/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Die \definitionsverweis {biholomorphen}{}{} Abbildungen der offenen \definitionsverweis {punktierten Kreisscheibe}{}{}
\mathl{U { \left( 0,1 \right) } \setminus \{0\}}{} in sich}
\faktfolgerung {sind genau die Drehungen, also die Multiplikationen mit einer komplexen Zahl vom Betrag $1$.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei \maabbdisp {f} { U { \left( 0,1 \right) } \setminus \{0\} } { U { \left( 0,1 \right) } \setminus \{0\} } {} biholomorph. Wegen der Beschränktheit des Bildes muss $f$ im Nullpunkt nach Korollar 17.3 eine hebbare Singularität besitzen, sei \maabbdisp {\tilde{f }} { U { \left( 0,1 \right) } } { {\mathbb C} } {} die holomorphe Fortsetzung. Ein Argument wie im Beweis zu Satz 18.9 zeigt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \tilde{f } (0) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Nach Lemma 18.11 ist daher $\tilde{f}$ und somit $f$ selbst eine Drehung.

}





\inputfaktbeweis
{Kreisscheibe/Holomorphe Automorphismen/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Die \definitionsverweis {biholomorphen}{}{} Abbildungen der offenen \definitionsverweis {Kreisscheibe}{}{}
\mathl{U { \left( 0,1 \right) }}{} in sich}
\faktfolgerung {sind die Einschränkungen der \definitionsverweis {gebrochen-linearen Funktionen}{}{} der Form
\mathl{z \mapsto { \frac{ az+b }{ \overline{ b } z+ \overline{ a } } }}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { a }^2 - \betrag { b }^2 }
{ =} { 1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die angegebenen gebrochen-linearen Funktionen bilden die Kreisscheibe in sich ab, siehe Aufgabe 2.14, ferner bilden sie eine Gruppe, siehe Aufgabe 2.13. Es sei $\varphi$ ein Automorphismus mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \varphi(0) }
{ =} { w }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Nach Aufgabe 2.15 gibt es einen gebrochen-linearen Automorphismus $\psi$ der angegeben Form mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \psi (0) }
{ = }{ w }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{}
} {}{}{.} Daher ist
\mathl{\varphi \circ \psi^{-1}}{} ein Automorphismus der Kreisscheibe, der $0$ auf $0$ abbildet, also nach Lemma 18.11 eine Multiplikation mit einer komplexen Zahl $u$ vom Betrag $1$. Es sei $v$ eine komplexe Quadratwurzel von $u$. Dann ist die gebrochen-lineare Abbildung
\mathl{z \mapsto { \frac{ vz }{ \overline{ v } } }}{,} nennen wir sie $\vartheta$, wegen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \overline{ v } }
{ =} { v^{-1} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gleich der Multiplikation mit $u$ und erfüllt die Betragsbedingung. Deshalb ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \varphi }
{ =} { \vartheta \circ \psi }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}

}