Kurs:Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2018-2019)/Teil II/Vorlesung 36

In dieser Vorlesung möchten wir verstehen, wie man an der beschreibenden Matrix zu einer linearen Abbildung erkennen kann, ob diese bijektiv ist, und wann ein lineares Gleichungssystem die Eigenschaft besitzt, dass es für jedes eine eindeutige Lösung gibt, und wie man diese findet.



Invertierbare Matrizen

Es sei ein Körper und sei eine - Matrix über . Dann heißt invertierbar, wenn es eine weitere Matrix mit

gibt.


Es sei ein Körper. Zu einer invertierbaren Matrix heißt die Matrix mit

die inverse Matrix von . Man schreibt dafür


Eine Diagonalmatrix

ist genau dann invertierbar, wenn sämtliche Diagonaleinträge von verschieden sind. Die inverse Matrix dazu ist


Das Produkt von invertierbaren Matrizen ist wieder invertierbar, die invertierbaren Matrizen bilden eine Gruppe. Aus der einzigen Gleichung

folgt sogar die umgekehrte Gleichung

also die Invertierbarkeit von . Dies ist aber rein matrizentheoretisch schwierig zu beweisen, für den Fall von -Matrizen siehe Aufgabe 36.9. Mit Hilfe der Korrespondenz zwischen Matrizen und linearen Abbildungen kann man es beweisen, indem man verwendet, dass für eine lineare Abbildung die Begriffe injektiv, surjektiv und bijektiv äquivalent sind (das haben wir nicht bewiesen). Invertierbare Matrizen und bijektive lineare Abbildungen hängen unmittelbar zusammen.


Es sei ein Körper und sei eine lineare Abbildung mit zugehöriger Matrix .

Dann ist genau dann bijektiv, wenn invertierbar ist.

Wenn bijektiv ist, so gibt es eine lineare Abbildung

mit

Es sei die Matrix zu und die Matrix zu . Nach Satz 35.15 ist dann

und dies bedeutet die Invertierbarkeit von . Die Rückrichtung geht genauso.



Elementarmatrizen

Wir möchten zu einer Matrix bestimmen, ob sie invertierbar ist oder nicht und wie gegebenenfalls die inverse Matrix aussieht. Dazu sind Elementarmatrizen hilfreich, da man mit ihnen die Manipulationen, die im Eliminationsverfahren auftreten, als Matrizenmultiplikationen beschreiben kann.


Es sei ein Körper und sei eine - Matrix über . Dann nennt man die folgenden Manipulationen an elementare Zeilenumformungen.

  1. Vertauschung von zwei Zeilen.
  2. Multiplikation einer Zeile mit .
  3. Addition des -fachen einer Zeile zu einer anderen Zeile.

Elementare Zeilenumformungen ändern nicht den Lösungsraum von homogenen linearen Gleichungssystemen, wie in Lemma 32.3 gezeigt wurde.


Es sei ein Körper. Mit bezeichnen wir diejenige - Matrix, die an der Stelle den Wert und sonst überall den Wert hat. Dann nennt man die folgenden Matrizen Elementarmatrizen.

  1. .
  2. .
  3. .

Ausgeschrieben sehen diese Elementarmatrizen folgendermaßen aus.

Elementarmatrizen sind invertierbar, siehe Aufgabe 36.1, und ihre Inversen sind ebenfalls Elementarmatrizen.



Es sei ein Körper und eine - Matrix mit Einträgen in . Dann hat die Multiplikation mit den - Elementarmatrizen von links mit folgende Wirkung.

  1. Vertauschen der -ten und der -ten Zeile von .
  2. Multiplikation der -ten Zeile von mit .
  3. Addition des -fachen der -ten Zeile von zur -ten Zeile ().

Beweis

Siehe Aufgabe 36.11.



Es sei ein Körper und sei eine - Matrix über .

Dann gibt es elementare Zeilenumformungen und eine (Neu-)Nummerierung der Spalten

und ein derart, dass in der entstandenen Matrix die Spalten die Gestalt

und

besitzen. Durch elementare Zeilenumformungen und zusätzliche Spaltenvertauschungen kann man also eine Matrix auf die Gestalt

mit bringen.

Beweis

Dies beruht auf den entsprechenden Manipulationen für Gleichungen wie beim Eliminationsverfahren, siehe die zweite Vorlesung.



Wir betrachten die Matrix . Wir wollen diese Matrix durch elementare Zeilenumformungen auf Diagonalgestalt bringen und diese Manipulatonen durch Multiplikationen mit Elementarmatrizen realisieren. Die erste Umformung ist, die zweite Zeile durch zu ersetzen. Die geschieht durch

Die dritte Zeile soll durch ersetzt werden, dies wird realisiert durch

Die neue dritte Zeile kann man zu einer Nullzeile machen, indem man sie durch ersetzt. Dies wird realisiert durch



Wir betrachten die Matrix . Wir wollen diese Matrix durch elementare Zeilenumformungen auf Diagonalgestalt bringen und diese Manipulationen durch Multiplikationen mit Elementarmatrizen realisieren. Die einzige Umformung ist, die zweite Zeile durch zu ersetzen. Dies wird durch

realisiert.



Die Matrix ist nicht in der in Satz 36.8 zuletzt beschriebenen Form, und kann auch nicht durch Zeilenumformungen dahin gebracht werden. Durch Spaltenvertauschungen ist das möglich.




Es sei ein Körper und sei eine invertierbare - Matrix über .

Dann gibt es elementare Zeilenumformungen derart, dass nach diesen Umformungen eine Matrix der Gestalt

mit entsteht. Durch weitere elementare Zeilenumformungen kann die Einheitsmatrix erreicht werden.

Dies beruht auf den Manipulationen des Eliminationsverfahrens und darauf, dass elementare Zeilenumformungen nach Lemma 36.7 durch Multiplikationen mit Elementarmatrizen von links ausgedrückt werden können. Dabei können in einer Spalte bzw. in einer Zeile nicht nur Nullen entstehen, da die Elementarmatrizen invertierbar sind und so in jedem Schritt die Invertierbarkeit erhalten bleibt. Eine Matrix mit einer Nullspalte oder einer Nullzeile ist aber nicht invertierbar. Wenn eine obere Dreiecksmatrix vorliegt, so sind die Diagonaleinträge nicht und man kann mit skalarer Multiplikation die Diagonaleinträge zu machen und damit die in jeder Spalte darüberliegenden Einträge zu .


Insbesondere gibt es zu einer invertierbaren Matrix Elementarmatrizen derart, dass

die Einheitsmatrix ist.



Auffinden der inversen Matrix

Es sei eine quadratische Matrix. Wie kann man entscheiden, ob die Matrix invertierbar ist, und wie kann man die inverse Matrix finden?

Dazu legt man eine Tabelle an, wo in der linken Seite zunächst die Matrix steht und in der rechten Seite die Einheitsmatrix. Jetzt wendet man auf beide Matrizen schrittweise die gleichen elementaren Zeilenumformungen an. Dabei soll in der linken Seite die Ausgangsmatrix in die Einheitsmatrix umgewandelt werden. Dies ist genau dann möglich, wenn diese Matrix invertierbar ist. Wir behaupten, dass bei dieser Vorgehensweise in der rechten Seite die Matrix als Endmatrix entsteht. Dies beruht auf folgendem Invarianzprinzip. Jede elementare Zeilenumformung kann als eine Matrizenmultiplikation mit einer Elementarmatrix von links realisiert werden. Wenn in der Tabelle

steht, so steht im nächsten Schritt

Wenn man das Inverse (das man noch nicht kennt, das es aber gibt unter der Voraussetzung, dass die Matrix invertierbar ist.) der linken Seite mit der rechten Seite multipliziert, so ergibt sich

D.h., dass sich dieser Ausdruck bei den Einzelschritten nicht ändert. Zu Beginn ist dieser Ausdruck gleich , daher muss zum Schluss für gelten


Wir wollen zur Matrix gemäß dem in Verfahren 36.12 beschriebenen Verfahren die inverse Matrix bestimmen.


Für eine invertierbare -Matrix kann man die inverse Matrix einfacher direkt angeben, es ist nämlich

(und die „Determinante“ ist genau dann ungleich , wenn die Matrix invertierbar ist).


Wir wollen zur Matrix gemäß dem in Verfahren 36.12 beschriebenen Verfahren die inverse Matrix bestimmen.



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