Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018)/Teil I/Vorlesung 23/latex

\setcounter{section}{23}


\epigraph { Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. ‚Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!‘ ist also der Wahlspruch der Aufklärung. } { Immanuel Kant }






\zwischenueberschrift{Das charakteristische Polynom}

Wir möchten zu einem Endomorphismus \maabb {\varphi} {V} {V } {} die Eigenwerte und dann auch die Eigenräume bestimmen. Dazu ist das charakteristische Polynom entscheidend.




\inputdefinition
{}
{

Zu einer $n \times n$-\definitionsverweis {Matrix}{}{} $M$ mit Einträgen in einem \definitionsverweis {Körper}{}{} $K$ heißt das \definitionsverweis {Polynom}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \chi_{ M } }
{ \defeq} {\det \left( X \cdot E_{ n } - M \right) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} das \definitionswort {charakteristische Polynom}{}\zusatzfussnote {Manche Autoren definieren das charakteristische Polynom als Determinante von \mathlk{M - X \cdot E_n}{} anstatt von \mathlk{X \cdot E_n - M}{.} Dies ändert aber \zusatzgs {und zwar nur bei $n$ ungerade} {} nur das Vorzeichen} {.} {} von $M$.

} Für
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{M }
{ =} {(a_{ij})_{ij} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} bedeutet dies
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \chi_{ M } }
{ =} { \det \begin{pmatrix} X-a_{11} & -a_{12} & \ldots & -a_{1n} \\ -a_{21} & X-a_{22} & \ldots & -a_{2n} \\ \vdots & \vdots & \ddots & \vdots \\ -a_{n1} & -a_{n2} & \ldots & X-a_{nn} \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}

In dieser Definition nehmen wir Bezug auf die Determinante von Matrizen, die wir nur für Matrizen mit Einträgen in einem Körper definiert haben. Die Einträge sind jetzt aber Elemente im Polynomring
\mathl{K[X]}{.} Da wir sie aber als Elemente im \definitionsverweis {Körper der rationalen Funktionen}{}{}
\mathl{K(X)}{} auffassen können\zusatzfussnote {\mathlk{K(X)}{} heißt der Körper der rationalen Polynome; er besteht aus allen Brüchen
\mathl{P/Q}{} zu Polynomen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P,Q }
{ \in }{ K [X] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ Q }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ K }
{ = }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} oder $\C$ kann man diesen Körper mit der Menge der rationalen Funktionen identifizieren} {.} {,} ist dies eine sinnvolle Definition. Gemäß der Definition ist diese Determinante ein Element in
\mathl{K(X)}{,} da aber alle Einträge der Matrix Polynome sind und bei der rekursiven Definition der Determinante nur addiert und multipliziert wird, ist das charakteristische Polynom wirklich ein Polynom. Der Grad des charakteristischen Polynoms ist $n$ und der Leitkoeffizient ist $1$, d.h. die Gestalt ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \chi_{ M } }
{ =} { X^n + c_{n-1}X^{n-1} + \cdots + c_1 X+c_0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}

Es gilt die wichtige Beziehung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \chi_{ M } (\lambda) }
{ =} { \det \left( \lambda E_{ n } - M \right) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für jedes
\mathl{\lambda \in K}{,} siehe Aufgabe 23.3.

Für eine lineare Abbildung \maabbdisp {\varphi} {V} {V } {} auf einem endlichdimensionalen Vektorraum definiert man das \stichwort {charakteristische Polynom} {}
\mathdisp {\chi_{ \varphi } \defeq \chi_{ M }} { , }
wobei $M$ eine beschreibende Matrix bezüglich einer beliebigen Basis sei. Der Determinantenmultiplikationssatz zeigt, dass diese Definition unabhängig von der Wahl der Basis ist, siehe Aufgabe 23.24. Das charakteristische Polynom der Identität auf einem $n$-dimensionalen Vektorraum ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \chi_{ \operatorname{Id} } }
{ =} { \det XE_n-E_n }
{ =} { (X-1)^n }
{ =} { X^n- nX^{n-1} + \binom{n}{2} X^{n-2} - \binom{n}{3} X^{n-3} + \cdots \pm \binom{n}{2} X^{2} \mp n X \pm 1 }
{ } { }
} {}{}{.}





\inputfaktbeweis
{Endomorphismus/Eigenwert und charakteristisches Polynom/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und es sei $V$ ein $n$-\definitionsverweis {dimensionaler}{}{} \definitionsverweis {Vektorraum}{}{.} Es sei \maabbdisp {\varphi} {V} {V } {} eine \definitionsverweis {lineare Abbildung}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \lambda }
{ \in }{ K }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} genau dann ein \definitionsverweis {Eigenwert}{}{} von $\varphi$, wenn $\lambda$ eine Nullstelle des \definitionsverweis {charakteristischen Polynoms}{}{} $\chi_{ \varphi }$ ist.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei $M$ eine \definitionsverweis {beschreibende Matrix}{}{} für $\varphi$, und sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \lambda }
{ \in }{K }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} vorgegeben. Es ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \chi_{ M }\, (\lambda) }
{ =} { \det \left( \lambda E_{ n } - M \right) }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} genau dann, wenn die lineare Abbildung
\mathdisp {\lambda \operatorname{Id}_{ V } - \varphi} { }
nicht \definitionsverweis {bijektiv}{}{} \zusatzklammer {und nicht \definitionsverweis {injektiv}{}{}} {} {} ist \zusatzklammer {wegen Satz 16.11 und Lemma 12.5} {} {.} Dies ist nach Lemma 22.1 und Lemma 11.4 äquivalent zu
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Eig}_{ \lambda } { \left( \varphi \right) } }
{ =} { \operatorname{kern} ( \lambda \operatorname{Id}_{ V } - \varphi) }
{ \neq} { 0 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} was bedeutet, dass der \definitionsverweis {Eigenraum}{}{} zu $\lambda$ nicht der Nullraum ist, also $\lambda$ ein Eigenwert zu $\varphi$ ist.

}





\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten die reelle Matrix
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{M }
{ = }{ \begin{pmatrix} 0 & 5 \\ 1 & 0 \end{pmatrix} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Das \definitionsverweis {charakteristische Polynom}{}{} ist
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ \chi_{ M } }
{ =} { \det { \left( x E_2 -M \right) } }
{ =} { \det { \left( x \begin{pmatrix} 1 & 0 \\ 0 & 1 \end{pmatrix} - \begin{pmatrix} 0 & 5 \\ 1 & 0 \end{pmatrix} \right) } }
{ =} { \det \begin{pmatrix} x & -5 \\ -1 & x \end{pmatrix} }
{ =} { x^2-5 }
} {} {}{.} Die Eigenwerte sind also
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ = }{ \pm \sqrt{5} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {diese Eigenwerte haben wir auch in Beispiel 21.5 ohne charakteristisches Polynom gefunden} {} {.}


}




\inputbeispiel{}
{

Zur Matrix
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{M }
{ =} { \begin{pmatrix} 2 & 5 \\ -3 & 4 \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist das \definitionsverweis {charakteristische Polynom}{}{} gleich
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \chi_{ M } }
{ =} { \det \begin{pmatrix} X-2 & -5 \\ 3 & X-4 \end{pmatrix} }
{ =} { (X-2)(X-4) +15 }
{ =} { X^2 -6X +23 }
{ } { }
} {}{}{.} Die Nullstellenbestimmung dieses Polynoms führt zur Bedingung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ (X-3)^2 }
{ =} {-23 +9 }
{ =} {-14 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} die über $\R$ nicht erfüllbar ist, so dass die Matrix über $\R$ keine \definitionsverweis {Eigenwerte}{}{} besitzt. Über ${\mathbb C}$ hingegegen gibt es die beiden Eigenwerte \mathkor {} {3+\sqrt{14} { \mathrm i}} {und} {3 - \sqrt{14} { \mathrm i}} {.} Für den \definitionsverweis {Eigenraum}{}{} zu
\mathl{3+\sqrt{14} { \mathrm i}}{} muss man
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ \operatorname{Eig}_{ 3+\sqrt{14} { \mathrm i} } { \left( M \right) } }
{ =} { \operatorname{kern} { \left( { \left( 3+ \sqrt{14} { \mathrm i} \right) } E_2 - M \right) } }
{ =} { \operatorname{kern} \begin{pmatrix} 1 + \sqrt{14} { \mathrm i} & -5 \\ 3 & -1 + \sqrt{14} { \mathrm i} \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
} {} {}{} bestimmen, ein Basisvektor \zusatzklammer {also ein Eigenvektor} {} {} davon ist
\mathl{\begin{pmatrix} 5 \\1+ \sqrt{14} { \mathrm i} \end{pmatrix}}{.} Analog ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Eig}_{ 3 -\sqrt{14} { \mathrm i} } { \left( M \right) } }
{ =} { \operatorname{kern} \begin{pmatrix} 1 - \sqrt{14} { \mathrm i} & -5 \\ 3 & -1 - \sqrt{14} { \mathrm i} \end{pmatrix} }
{ =} { \langle \begin{pmatrix} 5 \\1 - \sqrt{14} { \mathrm i} \end{pmatrix} \rangle }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}


}




\inputbeispiel{}
{

Für eine \definitionsverweis {obere Dreiecksmatrix}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{M }
{ =} { \begin{pmatrix} d_1 & \ast & \cdots & \cdots & \ast \\ 0 & d_2 & \ast & \cdots & \ast \\ \vdots & \ddots & \ddots & \ddots & \vdots \\ 0 & \cdots & 0 & d_{ n-1} & \ast \\ 0 & \cdots & \cdots & 0 & d_{ n } \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist das \definitionsverweis {charakteristische Polynom}{}{} nach Lemma 16.4 gleich
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \chi_{ M } }
{ =} { (X-d_1)(X-d_2) \cdots (X-d_n) }
{ } { }
{ } { }
{ } {}
} {}{}{.} In diesem Fall liegt das charakteristische Polynom direkt in der Zerlegung in lineare Faktoren vor, so dass unmittelbar seine Nullstellen und damit die \definitionsverweis {Eigenwerte}{}{} von $M$ ablesbar sind, nämlich die Diagonalelemente
\mathl{d_1,d_2 , \ldots , d_n}{} \zusatzklammer {die nicht alle verschieden sein müssen} {} {.}


}






\zwischenueberschrift{Invariante Untervektorräume}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{,} $V$ ein $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{} und \maabbdisp {\varphi} {V} {V } {} eine \definitionsverweis {lineare Abbildung}{}{.} Dann heißt ein \definitionsverweis {Untervektorraum}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \definitionswortpraemath {\varphi}{ invariant }{,} wenn
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \varphi(U) }
{ \subseteq} { U }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt.

}

Der Nullraum und der Gesamtraum sind natürlich $\varphi$-invariant. Ferner sind die Eigenräume zu $\varphi$ invariant.





\inputfaktbeweis
{Charakteristisches Polynom/Direkte Summenzerlegung/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $V$ ein \definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{} $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{} und \maabbdisp {\varphi} {V} {V } {} eine \definitionsverweis {lineare Abbildung}{}{.}}
\faktvoraussetzung {Es sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{V }
{ =} {U \oplus W }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {direkte Summenzerlegung}{}{} in $\varphi$-\definitionsverweis {invariante}{}{} Unterräume.}
\faktfolgerung {Dann gilt für das charakteristische Polynom die Beziehung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \chi_{ \varphi } }
{ =} { \chi_{ \varphi {{|}}_U } \cdot \chi_{ \varphi{{|}}_W } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei
\mathl{u_1 , \ldots , u_k}{} eine \definitionsverweis {Basis}{}{} von $U$ und
\mathl{w_1 , \ldots , w_m}{} eine Basis von $W$, die zusammen eine Basis von $V$ ergeben. Bezüglich dieser Basis wird $\varphi$ insgesamt durch die \definitionsverweis {Blockmatrix}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{M }
{ = }{ \begin{pmatrix} A & 0 \\ 0 & B \end{pmatrix} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} beschrieben, wobei $A$ die Einschränkung
\mathl{\varphi {{|}}_U}{} und $B$ die Einschränkung
\mathl{\varphi {{|}}_W}{} beschreibt. Dann ist unter Verwendung von Aufgabe 16.22
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \chi_{ \varphi } }
{ =} { \chi_{ M } }
{ =} { \det { \left( t \operatorname{Id} -M \right) } }
{ =} { \det { \left( t \operatorname{Id} -A \right) } \det { \left( t \operatorname{Id} -B \right) } }
{ =} { \chi_{ \varphi{{|}}_U } \cdot \chi_{ \varphi{{|}}_W } }
} {}{}{.}

}







\zwischenueberschrift{Algebraische Vielfachheiten}

Für eine genauere Untersuchung der Eigenräume ist die folgende Begrifflichkeit sinnvoll.




\inputdefinition
{}
{

Es sei \maabbdisp {\varphi} {V} {V } {} eine \definitionsverweis {lineare Abbildung}{}{} auf einem \definitionsverweis {endlichdimensionalen}{}{} $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{} $V$ und
\mathl{\lambda \in K}{.} Man nennt dann den Exponenten des linearen Polynoms
\mathl{X - \lambda}{} im \definitionsverweis {charakteristischen Polynom}{}{} $\chi_{ \varphi }$ die \definitionswort {algebraische Vielfachheit}{} von $\lambda$. Sie wird mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \mu_\lambda }
{ =} { \mu_\lambda(\varphi) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} bezeichnet.

}

Wie neulich eingeführt, nennt man
\mathdisp {\operatorname{dim}_{ } { \left( \operatorname{Eig}_{ \lambda } { \left( \varphi \right) } \right) }} { }
die geometrische Vielfachheit von $\lambda$. Der weiter oben stehende Satz besagt also, dass die eine Vielfachheit genau dann positiv ist, wenn dies für die andere gilt, und dies ist genau dann der Fall, wenn $\lambda$ ein Eigenwert ist.

Im Allgemeinen können die beiden Vielfachheiten aber verschieden sein, wobei eine Abschätzung immer gilt.




\inputfaktbeweis
{Endomorphismus/Geometrische und algebraische Vielfachheit/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und es sei $V$ ein \definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{} $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{.} Es sei \maabbdisp {\varphi} {V} {V } {} eine \definitionsverweis {lineare Abbildung}{}{} und
\mathl{\lambda \in K}{.}}
\faktfolgerung {Dann besteht zwischen der \definitionsverweis {geometrischen}{}{} und der \definitionsverweis {algebraischen Vielfachheit}{}{} die Beziehung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{dim}_{ } { \left( \operatorname{Eig}_{ \lambda } { \left( \varphi \right) } \right) } }
{ \leq} { \mu_\lambda(\varphi) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m }
{ = }{ \operatorname{dim}_{ } { \left( \operatorname{Eig}_{ \lambda } { \left( \varphi \right) } \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und sei
\mathl{v_1 , \ldots , v_m}{} eine \definitionsverweis {Basis}{}{} von diesem \definitionsverweis {Eigenraum}{}{,} die wir durch
\mathl{w_1 , \ldots , w_{n-m}}{} zu einer Basis von $V$ ergänzen. Bezüglich dieser Basis hat die \definitionsverweis {beschreibende Matrix}{}{} die Gestalt
\mathdisp {\begin{pmatrix} \lambda E_m & B \\ 0 & C \end{pmatrix}} { . }
Das \definitionsverweis {charakteristische Polynom}{}{} ist daher nach Aufgabe 16.22 gleich
\mathl{(X- \lambda)^m \cdot \chi_{ C }}{,} so dass die \definitionsverweis {algebraische Vielfachheit}{}{} mindestens $m$ ist.

}





\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten
\mathl{2\times 2}{-}\stichwort {Scherungsmatrizen} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{M }
{ =} { \begin{pmatrix} 1 & a \\ 0 & 1 \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a }
{ \in }{K }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Das \definitionsverweis {charakteristische Polynom}{}{} ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \chi_{ M } }
{ =} {(X-1)(X-1) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} so dass $1$ der einzige \definitionsverweis {Eigenwert}{}{} von $M$ ist. Den zugehörigen \definitionsverweis {Eigenraum}{}{} berechnet man als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Eig}_{ 1 } { \left( M \right) } }
{ =} { \operatorname{kern} \begin{pmatrix} 0 & -a \\ 0 & 0 \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Aus
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \begin{pmatrix} 0 & -a \\ 0 & 0 \end{pmatrix} \begin{pmatrix} r \\s \end{pmatrix} }
{ =} { \begin{pmatrix} -as \\0 \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} folgt, dass
\mathl{\begin{pmatrix} 1 \\0 \end{pmatrix}}{} ein \definitionsverweis {Eigenvektor}{}{} ist, und dass bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} der Eigenraum eindimensional ist \zusatzklammer {bei
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{ a }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} liegt die Identität vor und der Eigenraum ist zweidimensional} {} {.} Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist die \definitionsverweis {algebraische Vielfachheit}{}{} des Eigenwerts $1$ gleich $2$, die \definitionsverweis {geometrische Vielfachheit}{}{} gleich $1$.


}






\zwischenueberschrift{Vielfachheiten und diagonalisierbare Abbildungen}





\inputfaktbeweis
{Endomorphismus/Diagonalisierbar/Algebraische und geometrische Vielfachheit/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und es sei $V$ ein \definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{} $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{.} Es sei \maabbdisp {\varphi} {V} {V } {} eine \definitionsverweis {lineare Abbildung}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist $\varphi$ genau dann \definitionsverweis {diagonalisierbar}{}{,} wenn das \definitionsverweis {charakteristische Polynom}{}{} $\chi_{ \varphi }$ in \definitionsverweis {Linearfaktoren}{}{} zerfällt und wenn für jede Nullstelle $\lambda$ mit der algebraischen Vielfachheit $\mu_\lambda$ die Gleichheit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \mu_\lambda }
{ =} { \operatorname{dim}_{ } { \left( \operatorname{Eig}_{ \lambda } { \left( \varphi \right) } \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

\teilbeweis {}{}{}
{Wenn $\varphi$ \definitionsverweis {diagonalisierbar}{}{} ist, so kann man sofort annehmen, dass $\varphi$ bezüglich einer Basis aus Eigenvektoren durch eine \definitionsverweis {Diagonalmatrix}{}{} beschrieben wird. Die Diagonaleinträge dieser Matrix sind die Eigenwerte, und diese wiederholen sich gemäß ihrer \definitionsverweis {geometrischen Vielfachheit}{}{.} Das \definitionsverweis {charakteristische Polynom}{}{} lässt sich auch direkt aus dieser Diagonalmatrix ablesen, jeder Diagonaleintrag $\lambda$ trägt als Linearfaktor
\mathl{X- \lambda}{} bei.}
{}

\teilbeweis {}{}{}
{Für die Umkehrung seien
\mathl{\lambda_1 , \ldots , \lambda_k}{} die verschiedenen Eigenwerte und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \mu_i }
{ \defeq} { \mu_{\lambda_i}(\varphi) }
{ =} { \operatorname{dim}_{ } { \left( \operatorname{Eig}_{ \lambda_i } { \left( \varphi \right) } \right) } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} seien die \zusatzklammer {geometrischen und algebraischen} {} {} Vielfachheiten. Da nach Voraussetzung das charakteristische Polynom in Linearfaktoren zerfällt, muss die Summe dieser Zahlen gleich
\mathl{n = \operatorname{dim}_{ } { \left( V \right) }}{} sein. Nach Lemma 22.6 ist die Summe der Eigenräume
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Eig}_{ \lambda_1 } { \left( \varphi \right) } \oplus \cdots \oplus \operatorname{Eig}_{ \lambda_k } { \left( \varphi \right) } }
{ \subseteq} { V }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} direkt. Nach Voraussetzung ist die Dimension links ebenfalls gleich $n$, so dass Gleichheit vorliegt. Nach Lemma 22.11 ist $\varphi$ diagonalisierbar.}
{}

}


\inputfaktbeweis
{Endomorphismus/Charakteristisches Polynom/Zerfällt und verschieden/Diagonalisierbar/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und es sei $V$ ein \definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{} $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{.} Es sei \maabbdisp {\varphi} {V} {V } {} eine \definitionsverweis {lineare Abbildung}{}{.}}
\faktvoraussetzung {Das \definitionsverweis {charakteristische Polynom}{}{}
\mathl{\chi_{ \varphi }}{} zerfalle in verschiedene \definitionsverweis {Linearfaktoren}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist $\varphi$ \definitionsverweis {diagonalisierbar}{}{}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 23.28. }


Daraus ergibt sich auch ein neuer Beweis für Korollar 22.10.