Kurs:Maßtheorie auf topologischen Räumen/Semi-Skalarprodukt
Einführung Bearbeiten
In Mathematik gibt es zwei verschiedene Begriffe von Semi-Skalarproduktes bzw. eines Semi-inneren Produktes. Die erste und häufigere ist die eines inneren Produktes, das nicht unbedingt positiv sein muss. Eine zweite Definition befasst sich mit dem zweiten, sogenannten -semi-inneren Produkt oder -Semi-Skalarprodukt, das ein Skalarprodukt darstellt, das nicht unbedingt symmetrisch bzw. hermitisch sein muss.
L-Semi-Skalarprodukt Bearbeiten
Das -Semi-Skalarprodukt wurde durch Günter Lumer formuliert, um Hilbertraum-Argumente auf Banachräume in Funktionsanalysis zu erweitern.[1] Wichtige Eigenschaften wurden später von Giles untersucht[2].
Semi-Skalarprodukt Bearbeiten
Im weiteren Verlauf werden wir uns mit der in der Funktionsanalysis häufigeren Form von Semi-Skalarprodukten befassen, die einfach innere Produkte darstellen, die nicht unbedingt positiv sein müssen, d.h. aus folgt bei Semi-Skalarprodukten nicht unbedingt .
Lokalkonvexe Räume und Systeme von Semi-Skalarprodukten Bearbeiten
Lokalkonvexe Räume sind topologische Vektorräume, die von einem System von Halbnormen mit topologisiert werden (siehe auch Topologisierungslemma für Algebren). Wir betrachten nun Systeme von Semi-Skalarprodukten , die wie bei Hilberträumen durch die induzierte Norm durch die von den Semi-Skalarprodukten induzierten Halbnormen den Vektorraum zu einem lokalkonvexen Vektorraum machen.
Definition: Semi-Skalarprodukt Bearbeiten
Sei ein Vektorraum über dem Körper der reellen oder komplexen Zahlen. Ein Semi-Skalarprodukt[2] oder semi-inneres Produkt ist allgemein eine nicht-negativ hermitesche Sesquilinearform, wobei im reellen Fall das Semi-Skalarprodukt eine symmetrische Bilinearform ist.
Semi-Skalarprodukt: Abbildung Bearbeiten
Bzgl. des gewählten Körpers heißt eine Abbildung
Semi-Skalarprodukt, wenn diese für alle , , aus und für alle die folgenden Bedingungen erfüllt. Die Unterschiede zwischen - und -Vektoräumen wird in der Nummerierung der Axiome durch (R) (C) angegeben.
Eigenschaften des Semi-Skalarproduktes 1,2 - Positivität Bearbeiten
Das Semi-Skalarprodukt mit ist nicht-negativ , d.h. mit für alle .
Eigenschaften des Semi-Skalarproduktes 3 - symmetrisch/hermitesch Bearbeiten
Bei Vertauschung der Argumente ist das Semi-Skalarprodukt im komplexen Fall nicht mehr symmetrisch
- (3-R) (symmetrisch)
- (3-C) (hermitesch)
Eigenschaften des Semi-Skalarproduktes 4-R - Linearität 1. Komponente Bearbeiten
Das Semi-Skalarprodukt im reellen Fall in der 1. Komponente linear.
- (4.1-R) und
- (4.2-R) (linear im ersten Argument).
Eigenschaften des Semi-Skalarproduktes 4-C - Semilinearität 1. Komponente Bearbeiten
Das Semi-Skalarprodukt ist im komplexen Fall in der 1. Komponente semilinear, d.h.
- (4.1-C) und
- (4.2-C)
Eigenschaften des Semi-Skalarproduktes 5 - Linearität in 2. Komponente Bearbeiten
Bezüglich der 2. Komponente ist das Semi-Skalarprodukt linear
- (5.1) und
- (5.2)
Bemerkung 1 Bearbeiten
Der Überstrich im dritten Axiom bedeutet komplexe Konjugation. In einem reellen Vektorraum (also wenn ist) hat die komplexe Konjugation keine Auswirkung, da der Imaginärteil von reellen Zahl in immer 0 ist. Damit kann man den reellen Fall durch die Beweisführung in ebenfalls nachweisen.
Bemerkung 2: Konvention - Linearität/Semilineartät Bearbeiten
Bei der Definition einer Sesquilinearform wurde hier für das Skalarprodukt die Semilinearität im ersten Argument und die Linearität im zweiten festgelegt. Die Definition herrscht in der theoretischen Physik vor. Dabei spielt es aber keine RolleHäufig wird jedoch Bedingung (4a) für das erste statt für das zweite Argument gewählt:
Prä-Semihilbertraum Bearbeiten
Analog zu einem Prähilbertraum als Vektorraum mit Skalarprodukt definiert man einen Prä-Semi-Hilbertraum als Vektorraum mit einem System von Semi-Skalarprodukten mit , dessen induzierte Topologie aus Halbnormen die Punkte trennt.
Aufgabe - Semi-Skalarprodukt und Halbnormen Bearbeiten
Zeigen Sie, dass die durch definierten Funktionen mit Halbnormen sind!
Definition: Prä-Semihilbertraum Bearbeiten
Ein Prä-Semihilbertraum ist ein reeller oder komplexer Vektorraum mit einem System von Semi-Skalarprodukten mit , für die gilt:
- (euklidisch ) Über dem Körper der reellen Zahlen sind alle Semi-Skalarprodukte symmetrische Bilinearformen und
- (unitär ) Über dem Körper der komplexen Zahlen sind alle Semi-Skalarprodukte hermitesche Sesquilinearformen.
Definition: Semihilbertraum Bearbeiten
Ein Semihilbertraum ist ein euklischer oder unitärer Prä-Semihilbertraum ist ein reeller oder komplexer Vektorraum mit Semi-Skalarprodukten mit , wenn bzgl. der durch definierten Halbnormen mit vollständig ist.
Beispiel für einen Prä-Semihilbertraum Bearbeiten
Sei der Vektorraum der stetigen Funktionen von nach . Man definiert zunächst für alle Abbildungen von nach wie folgt:
Aufgabe - Eigenschaften des Semi-Skalarproduktes Bearbeiten
Weisen Sie die Gültigkeit der geforderten Eigenschaften für ein Semiskalarprodukt nach!
Halbnormen auf dem Prä-Semihilbertraum Bearbeiten
Die Halbnorm für den Index ergibt sich unmittelbar aus der Definition des Semiskalarproduktes
Aufgabe - Halbnorm einer Funktion Bearbeiten
Berechnen Sie allgemein für und mit die Halbnorm der Funktion !
Definition einer Cauchy-Folge im Funktionenraum Bearbeiten
Betrachten Sie zunächst die Konvexkombination von zwei Funktionen
Als erste Funktion wird ein Polynom definiert.
Als zweite Funktion wird eine trigonometrische Funktion gewählt.
Die folgende Funktionenfolge entsteht als Konvexkombination von und .
Visualisierung der Cauchy-Folge im Funktionenraum Bearbeiten
Definieren Sie eine Cauchy-Folge in definiert, die nicht in konvergiert. Die folgende Animation zeigt zunächst die konstruierte Funktionenfolge für die ersten Folgenglieder
Definition einer Cauchy-Folge im Funktionenraum Bearbeiten
Die Punkte werden über die folgende Koordinaten in Abhängigkeit von festgelegt:
Die stetigen Funktionen werden durch die Interpolation der Punkte generiert.
Aufgabe - Bestimmung der Funktionsterme Bearbeiten
Bestimmen Sie die beiden fehlenden Funktionsterme für die Fragezeichen "?" in der folgenden abschnittsweise definierte Funktion !
Aufgabe - Cauchy-Folgeneigenschaft Bearbeiten
Zeigen Sie, dass die oben definierte Funktionenfolge eine Cauchy-Folge in ist!
Grenzfunktion nicht im Funktionenraum Bearbeiten
Die folgende Funktion ist nicht stetig und daher mit .
Vervollständigung des Funktionenraumen Bearbeiten
Die folgende Funktion ist ein Element der Vervollständigung von bzgl. der durch das Skalarprodukt definierten Norm ist. Zeigen Sie, dass die oben definierte Cauchy-Folge in der Norm gegen konvergiert!
Prä-Semihilbertraum über den komplexen Zahlen Bearbeiten
Analog kann mit dieses obige Beispiel auf einen einen -Vektorraum von komplexwertigen Funktionen übertragen. Dann erhält man Prähilbertraum für einen gegebenen -Vektorraum über die Definition des Skalarproduktes:
Aufgabe 1 - Halbnorm einer Funktion Bearbeiten
Berechnen Sie von mit allgemein den Wert der Halbnorm für alle
Aufgabe 2 - Semiskalarprodukt von zwei Funktionen Bearbeiten
Berechnen Sie von und mit den Wert der Semiskalarproduktes für alle .
Semiorthogonalität in Semihilberträumen Bearbeiten
Sei (Prä-)Semihilbertraum mit den Semi-Skalarprodukten mit . Zwei Vektoren heißen
- -orthogonal in ( ), wenn und heißen
- semiorthogonal ( ), wenn die Bedingung für alle für gilt.
Beispiel Bearbeiten
Sei der Vektorraum der stetigen Funktionen von nach . Man definiert zunächst für alle Abbildungen von nach wie folgt:
- . Seien und als Beispielfunktion aus gegeben.
Aufgabe 3 Bearbeiten
Zeigen Sie, dass die Funktionen und , dass bzgl. des Systems mit semiorthogonal zueinander sind.
Semihilbert-Stetigkeitssatz für Maße auf Funktionenräumen Bearbeiten
Seien ein topologischer Vektorraum und ein Semihilberträume gegeben. Sei ferner die Menge der stetigen Funktionen von nach , dann ist für die Abbildung mit
ein Maß auf .
Beweis - Semihilbert-Stetigkeitssatz Bearbeiten
Die Cauchy-Schwarz-Ungleichung benötigt im Beweis die Eigenschaft der Positivität nicht. Daher kann man die Aussage analog für Semi-Skalarprodukte und die induzierten Halbnormen übertragen werden.
Beweisschritt 1 - Abschätzung Bearbeiten
Man nutzt die Definition des Maßes und schätzt dann diese dann mit der Cauchy-Schwarz-Ungleichung nach oben ab.
Die Stetigkeitskonstante aus dem Stetigkeitssatz für lineare Abbildungen wird nun unmittelbar über die Halbnorm geliefert.
Beweisschritt 2 - Linearität Bearbeiten
Da das Semi-Skalarprodukt positiv-semidefinite hermitesche Sequilinearform ist, ist diese in der zweiten Komponente linear und es gilt die Homogenität
und die Additivität
q.e.d.
Aufgabe 4 Bearbeiten
Begründen Sie, warum die Abbildung
im Allgemeinen kein Maß auf für Vektorräume über ist!
Aufgabe 5 Bearbeiten
Experimentieren Sie mit Skalarprodukten zur Buchstabenerkennung. Dafür wurde für Sie eine LibreOffice-Datei vorbereitet, die Skalarprodukte nutzt um die Übereinstimmung mit Buchstabenmuster zu überprüfen.
LibreOffice-Datei: handschrifterkennung_semiskalarprodukt.ods
Träger von Semi-Skalarprodukten Bearbeiten
Für Skalarprodukte ist gibt es nur einen Vektoren aus der die Bedingung erfüllt - nämlich nur den Nullvektor . Im Allgemeinen ist die Menge ein Untervektorraum von . Die abgeschlossene Menge nennt man Trägermenge des Semiskalarprodukte
Siehe auch Bearbeiten
Quellennachweise Bearbeiten
- ↑ Lumer, G. (1961), "Semi-inner-product spaces", Transactions of the American Mathematical Society, 100: 29–43, doi:10.2307/1993352, MR 0133024.
- ↑ 2,0 2,1 J. R. Giles (1967), Classes of semi-inner-product spaces, Transactions of the American Mathematical Society 129 , 436–446.
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