Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2011-2012)/Teil I/Vorlesung 13



Rechenregeln für Folgen



Es seien und konvergente Folgen. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Die Folge ist konvergent und es gilt
  2. Die Folge ist konvergent und es gilt
  3. Für gilt
  4. Es sei und für alle . Dann ist ebenfalls konvergent mit
  5. Es sei und für alle . Dann ist ebenfalls konvergent mit

(1). Es seien bzw. die Grenzwerte der beiden Folgen. Sei vorgegeben. Wegen der Konvergenz der ersten Folge gibt es zu

ein derart, dass für alle die Abschätzung

gilt. Ebenso gibt es wegen der Konvergenz der zweiten Folge zu ein derart, dass für alle die Abschätzung

gilt. Sei

Dann gilt für alle (unter Verwendung der Dreiecksungleichung) die Abschätzung


(2). Sei vorgegeben. Die konvergente Folge ist nach Lemma 12.8 insbesondere beschränkt und daher existiert ein mit für alle . Sei und . Wir setzen . Aufgrund der Konvergenz gibt es natürliche Zahlen und mit

Diese Abschätzungen gelten dann auch für alle . Für diese Zahlen gilt daher


Für die anderen Teile siehe Aufgabe *****, Aufgabe ***** und Aufgabe *****.




Cauchy-Folgen

Ein Problem des Konvergenzbegriffes ist, dass zur Formulierung der Grenzwert verwendet wird, den man unter Umständen noch gar nicht kennt. Wenn man beispielsweise die durch das babylonische Wurzelziehen konstruierte Folge (sagen wir zur Berechnung von ) mit einem rationalen Startwert betrachtet, so ist dies eine Folge aus rationalen Zahlen. Wenn wir diese Folge in betrachten, wo existiert, so ist die Folge konvergent. Innerhalb der rationalen Zahlen ist sie aber definitiv nicht konvergent. Es ist wünschenswert, allein innerhalb der rationalen Zahlen den Sachverhalt formulieren zu können, dass die Folgenglieder beliebig nahe zusammenrücken, auch wenn man nicht sagen kann, dass die Folgenglieder einem Grenzwert beliebig nahe zustreben. Dazu dient der Begriff der Cauchy-Folge.


Eine reelle Folge heißt Cauchy-Folge, wenn folgende Bedingung erfüllt ist

Zu jedem gibt es ein derart, dass für alle die Beziehung

gilt.



Es sei eine konvergente Folge mit Grenzwert . Sei vorgegeben. Wir wenden die Konvergenzeigenschaft auf an. Daher gibt es ein mit

Für beliebige gilt dann aufgrund der Dreiecksungleichung

  Also liegt eine Cauchy-Folge vor.



Es sei eine reelle Folge. Zu jeder streng wachsenden Abbildung , , heißt die Folge

eine Teilfolge der Folge.



Es sei eine wachsende, nach oben beschränkte reelle Folge.

Dann ist eine Cauchy-Folge.

Es sei eine obere Schranke, also für alle Folgenglieder .  Wir nehmen an, dass keine Cauchy-Folge ist. Dann gibt es ein derart, dass es für jedes Indizes mit gibt (wir können die Betragstriche weglassen). Wegen der Monotonie gibt es dann auch zu jedem ein mit . Wir können daher induktiv eine wachsende Folge von natürlichen Zahlen definieren durch

etc. Andererseits gibt es aufgrund des Archimedesaxioms ein mit

Die Summe der ersten Differenzen der Teilfolge , , ergibt

  Dies impliziert im Widerspruch zur Voraussetzung, dass eine obere Schranke der Folge ist.




Die Vollständigkeit der reellen Zahlen

Die reellen Zahlen sind ein vollständiger archimedisch angeordneter Körper.

Damit haben wir alle Axiome der reellen Zahlen zusammengetragen: die Körperaxiome, die Anordnungsaxiome und das Vollständigkeitsaxiom. Diese Eigenschaften legen die reellen Zahlen eindeutig fest, d.h. wenn es zwei Modelle und gibt, die beide für sich genommen diese Axiome erfüllen, so kann man eine bijektive Abbildung von nach angeben, der alle mathematischen Strukturen erhält (sowas nennt man einen „Isomorphismus“).

Die Existenz der reellen Zahlen ist nicht trivial. Vom naiven Standpunkt her kann man, und das haben wir bisher getan und werden wir auch weiterhin tun, die Vorstellung einer „kontinuierlichen Zahlengerade“ zugrunde legen, und dies als Existenznachweis akzeptieren. In einer strengeren mengentheoretischen Begründung der Existenz geht man von aus und konstruiert die reellen Zahlen als die Menge der Cauchy-Folgen in mit einer geeigneten Identifizierung.



Folgerungen aus der Vollständigkeit



Eine beschränkte und monotone Folge in

konvergiert.

Beweis

Nach Voraussetzung ist die Folge wachsend und nach oben beschränkt oder fallend und nach unten beschränkt. Nach Lemma 13.5 liegt eine Cauchy-Folge vor, und diese konvergiert in .


Diese Aussage ist auch die Grundlage dafür, dass die Dezimalentwicklung stets eine (eindeutige) reelle Zahl definiert. Eine (unendliche) Dezimalentwicklung

mit (wir beschränken uns auf nichtnegative Zahlen) und ist nämlich die Folge der rationalen Zahlen

Diese ist offenbar monoton wachsend. Wir werden in der nächsten Vorlesung sehen, dass sie nach oben beschränkt ist (beispielsweise durch ), so dass dadurch in der Tat eine reelle Zahl definiert wird.



Jede nichtleere nach oben beschränkte Teilmenge der reellen Zahlen

besitzt ein Supremum in .

Es sei eine nichtleere, nach oben beschränkte Teilmenge. Es sei und eine obere Schranke für , d.h. es ist für alle . Wir konstruieren zwei Folgen und , wobei wachsend, fallend ist und jedes eine obere Schranke von ist (sodass insbesondere für alle ist), und so, dass eine Cauchy-Folge ist. Dabei gehen wir induktiv vor, d.h. die beiden Folgen seien bis bereits definiert und erfüllen die gewünschten Eigenschaften. Wir setzen

und

Dies erfüllt die gewünschten Eigenschaften, und es ist

da in beiden Fällen der Abstand zumindest halbiert wird. Da die Folge wachsend und nach oben beschränkt ist, handelt es sich nach Lemma 13.5 um eine Cauchy-Folge. Wegen der Vollständigkeit besitzt die konstruierte Folge einen Grenzwert . Ebenso ist die fallende Folge , die nach unten beschränkt ist, eine Cauchy-Folge mit demselben Grenzwert .  Wir behaupten, dass dieses das Supremum von ist. Wir zeigen zuerst, dass eine obere Schranke von ist.  Es sei dazu angenommen für ein . Da die Folge gegen konvergiert, gibt es insbesondere ein mit

im Widerspruch dazu, dass jedes eine obere Schranke von ist.
 Für die Supremumseigenschaft müssen wir zeigen, dass kleiner oder gleich jeder oberen Schranke von ist. Es sei dazu eine obere Schranke von und  nehmen wir an, dass ist. Da gegen konvergiert, gibt es wieder ein mit

im Widerspruch dazu, dass eine obere Schranke ist. Also liegt wirklich das Supremum vor.



Es sei und . Es sei

Diese Menge ist wegen nicht leer und nach oben beschränkt (bei ist eine obere Schranke, sonst ist eine obere Schranke). Es sei , das es nach Satz 13.8 geben muss. Dann ist , d.h. ist eine -te Wurzel von , da sowohl die Annahme als auch die Annahme , zu einem Widerspruch führt, siehe Aufgabe *****.




Intervallschachtelungen

Eine Folge von abgeschlossenen Intervallen

in heißt eine Intervallschachtelung, wenn für alle ist und wenn die Folge der Intervalllängen, also

gegen konvergiert.



Es sei , , eine Intervallschachtelung in .

Dann besteht der Durchschnitt

aus genau einem Punkt

.

Eine reelle Intervallschachtelung bestimmt also genau eine reelle Zahl.

Beweis

Siehe Aufgabe 13.8.



Eine Folge in heißt bestimmt divergent gegen , wenn es zu jedem ein mit

gibt.

Sie heißt bestimmt divergent gegen , wenn es zu jedem ein mit

gibt.



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