Kurs:Analysis/Teil I/58/Klausur mit Lösungen


Aufgabe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Punkte 3 3 6 2 2 4 3 10 7 2 4 4 5 2 7 64




Aufgabe (3 Punkte)

Definiere die folgenden (kursiv gedruckten) Begriffe.

  1. Das Minimum einer Teilmenge in einem angeordneten Körper .
  2. Eine Cauchy-Folge in einem angeordneten Körper .
  3. Die komplexe Konjugation.
  4. Der Polynomring über einem Körper (einschließlich der darauf definierten Verknüpfungen).
  5. Die Sinusreihe.
  6. Die Riemann-Integrierbarkeit einer Funktion

    auf einem kompakten Intervall .


Lösung

  1. Ein Element mit für alle heißt Minimum von .
  2. Eine Folge in heißt Cauchy-Folge, wenn folgende Bedingung erfüllt ist: Zu jedem , , gibt es ein derart, dass für alle die Beziehung

    gilt.

  3. Die Abbildung

    heißt komplexe Konjugation.

  4. Der Polynomring über einem Körper besteht aus allen Polynomen

    mit , , und mit komponentenweiser Addition und einer Multiplikation, die durch distributive Fortsetzung der Regel

    definiert ist.

  5. Für heißt

    die Sinusreihe zu .

  6. Die Funktion heißt Riemann-integrierbar auf , wenn Ober- und Unterintegral von existieren und übereinstimmen.


Aufgabe (3 Punkte)

Formuliere die folgenden Sätze.

  1. Das Folgenkriterium für die Stetigkeit einer Funktion

    in einem Punkt

    .
  2. Der Satz über die eulersche Zahl und die Exponentialreihe.
  3. Der Mittelwertsatz der Integralrechnung.


Lösung

  1. Die Stetigkeit von im Punkt ist äquivalent dazu, dass für jede Folge , die gegen konvergiert, die Bildfolge gegen konvergiert.
  2. Für die eulersche Zahl gilt die Gleichheit
  3. Es sei ein kompaktes Intervall und sei

    eine stetige Funktion. Dann gibt es ein mit


Aufgabe (6 (1+1+4) Punkte)

  1. Skizziere vier Geraden im Raum mit der Eigenschaft, dass es insgesamt zwei Schnittpunkte gibt.
  2. Skizziere vier Geraden in der Ebene mit der Eigenschaft, dass es insgesamt drei Schnittpunkte gibt.
  3. Zeige, dass es in der Ebene nicht vier Geraden geben kann, die insgesamt zwei Schnittpunkte besitzen.


Lösung

  1. Es sei angenommen, dass es eine solche Geradenkonfiguration gibt. Wir behandeln die beiden Fälle, dass die beiden Schnittpunkte auf einer der Geraden liegen oder nicht. Im ersten Fall müssen die Geraden, die mit die Schnittpunkte definieren, zueinander parallel sein. Die vierte Gerade kann weder zu noch zu den beiden anderen Geraden parallel sein, sonst würde es neue Schnittpunkte geben. Damit schneidet die vierte Gerade die ersten drei Geraden, und dabei kann zwar ein Schnittpunkt mit den beiden Schnittpunkten zusammenfallen, aber nicht mit beiden. Im zweiten Fall gibt es zwei Geradenpaare, die jeweils die beiden Schnittpunkte definieren. Doch dann trifft jede Gerade zumindest eine Gerade des anderen Geradenpaares in einem neuen Schnittpunkt, da sie nicht zu beiden parallel sein kann und nicht durch deren Schnittpunkt verläuft (sonst wären wir im ersten Fall).


Aufgabe (2 (1+1) Punkte)

Wir betrachten auf der Menge

die durch die Tabelle

gegebene Verknüpfung .

  1. Berechne
  2. Besitzt die Verknüpfung ein neutrales Element?


Lösung

  1. Es ist
  2. Es gibt kein neutrales Element, da dann eine Zeile eine Wiederholung der Leitzeile sein müsste, was nicht der Fall ist.


Aufgabe (2 Punkte)

Zeige, dass eine natürliche Zahl genau dann die Differenz zwischen zwei aufeinanderfolgenden Quadratzahlen ist, wenn sie ungerade ist.


Lösung

Zwei aufeinander folgende Quadratzahlen haben die Form und mit . Ihre Differenz ist

Dies ist eine ungerade Zahl. Umgekehrt kann man eine ungerade Zahl als mit schreiben, und die Gleichungskette zeigt, dass die Differenz von zwei aufeinander folgenden Quadratzahlen ist.


Aufgabe (4 (1+1+1+1) Punkte)

Es sei ein angeordneter Körper, wir betrachten die Betragsabbildung

  1. Ist diese Abbildung injektiv?
  2. Ist diese Abbildung surjektiv?
  3. Wir nennen die Betragsabbildung kurz . Was kann man über die Hintereinanderschaltungen in Bezug auf sagen?
  4. Wir schränken die Betragsabbildung auf ein. Bestimme die Monotonieeigenschaft von


Lösung

  1. Die Abbildung ist nicht injektiv, da

    ist.

  2. Die Abbildung ist nicht surjektiv, da negative Zahlen nicht als Betrag einer Zahl auftreten.
  3. Alle Hintereinanderschaltungen stimmen mit der Betragsabbildung selbst überein, da sie einmal angewendet nur nichtnegative Zahlen ergibt und sie auf diesem Bereich identisch wirkt.
  4. Im Bereich stimmt die Betragsabbildung mit der Negation überein und ist daher dort streng fallend.


Aufgabe (3 Punkte)

Es sei ein Intervall in einem angeordneten Körper und es seien . Zeige


Lösung

Es ist

und wegen ist

Bei ist somit

bei ist ebenfalls


Aufgabe (10 Punkte)

Beweise den Satz, dass jede nichtleere nach oben beschränkte Teilmenge der reellen Zahlen ein Supremum besitzt.


Lösung

Es sei eine nichtleere, nach oben beschränkte Teilmenge. Es sei und eine obere Schranke für , d.h. es ist für alle . Wir konstruieren zwei Folgen und , wobei wachsend, fallend ist und jedes eine obere Schranke von ist (sodass insbesondere für alle ist), und so, dass eine Cauchy-Folge ist. Dabei gehen wir induktiv vor, d.h. die beiden Folgen seien bis bereits definiert und erfüllen die gewünschten Eigenschaften. Wir setzen

und

Dieses Punktepaar erfüllt die gewünschten Eigenschaften, und es ist

da in beiden Fällen der Abstand zumindest halbiert wird. Da die Folge wachsend und nach oben beschränkt ist, konvergiert sie nach Korollar 7.1 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) gegen einen Grenzwert, sagen wir . Ebenso ist die fallende Folge nach unten beschränkt und konvergiert gegen denselben Grenzwert .  Wir behaupten, dass dieses das Supremum von ist. Wir zeigen zuerst, dass eine obere Schranke von ist.  Sei dazu für ein angenommen. Da die Folge gegen konvergiert, gibt es insbesondere ein mit

im Widerspruch dazu, dass jedes eine obere Schranke von ist.
 Für die Supremumseigenschaft müssen wir zeigen, dass kleinergleich jeder oberen Schranke von ist. Sei dazu eine obere Schranke von und  nehmen wir an, dass ist. Da gegen konvergiert, gibt es wieder ein mit

im Widerspruch dazu, dass eine obere Schranke ist. Also liegt wirklich das Supremum vor.


Aufgabe (7 Punkte)

Beweise den Satz über die Division mit Rest im Polynomring über einem Körper .


Lösung

Wir beweisen die Existenzaussage durch Induktion über den Grad von . Wenn der Grad von größer als der Grad von ist, so ist und eine Lösung, sodass wir dies nicht weiter betrachten müssen. Bei ist nach der Vorbemerkung auch , also ist ein konstantes Polynom, und damit ist (da und ein Körper ist) und eine Lösung. Es sei nun und die Aussage für kleineren Grad schon bewiesen. Wir schreiben und mit . Dann gilt mit die Beziehung

Dieses Polynom hat einen Grad kleiner als und darauf können wir die Induktionsvoraussetzung anwenden, d.h. es gibt und mit

Daraus ergibt sich insgesamt

sodass also und eine Lösung ist. Zur Eindeutigkeit sei mit den angegebenen Bedingungen. Dann ist . Da die Differenz einen Grad kleiner als besitzt, ist aufgrund der Gradeigenschaften diese Gleichung nur bei und lösbar.


Aufgabe (2 Punkte)

Bestimme eine Symmetrieachse für den Graphen der Funktion


Lösung

Wir schreiben

Daher ist die durch gegebene Gerade eine Spiegelungsachse für den Graphen.


Aufgabe (4 Punkte)

Beweise die Produktregel für differenzierbare Funktionen mit Hilfe der linearen Approximierbarkeit.


Lösung

Wir gehen von

und

aus, wobei die Bedingungen aus der linearen Approximierbarkeit erfüllt sein sollen, und multiplizieren die beiden Gleichungen. Dies führt zu

Aufgrund von Lemma 12.12 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) für Limiten ist die aus der letzten Zeile ablesbare Funktion stetig mit dem Wert für .


Aufgabe (4 Punkte)

Zeige anhand der Funktion

dass der Mittelwertsatz der Differentialrechnung für komplexwertige Funktionen nicht gelten muss. Man gebe also zwei Punkte an derart, dass die Gesamtsteigung nicht als Ableitung eines Punktes auf der Verbindungsstrecke von nach auftritt.


Lösung

Wir wählen und . Dann ist

und somit ist die Gesamtsteigung

Die Verbindungsstrecke besteht aus allen reellen Zahlen zwischen und . Für diese ist

Dies ist nie , da beide Faktoren nie sind.


Aufgabe (5 Punkte)

Bestimme den Grenzwert der Funktion für ().


Lösung

Es ist

und somit ist

zu bestimmen. Da die Exponentialfunktion stetig ist, müssen wir

bestimmen. Sowohl die Zähler- als auch die Nennerfunktion besitzen den Grenzwert . Wir können die Regel von Hospital anwenden und betrachten

Dies konvergiert für gegen . Somit ist auch

und damit ist


Aufgabe (2 Punkte)

Man gebe ein Beispiel einer beschränkten Funktion

die nicht Riemann-integrierbar ist.


Lösung

Es sei

Da es in jedem Intervall positiver Länge sowohl rationale als auch irrationale Zahlen gibt, besitzt eine untere Treppenfunktion zu maximal den Wert und eine obere Treppenfunktion zu besitzt minimal den Wert . Daher ist das Unterintegral gleich und das Oberintegral gleich . Daher existiert das bestimmte Integral nicht.


Aufgabe (7 (2+2+2+1) Punkte)

Eine Person verbreitet auf dem Campus das Gerücht, Professor Knopfloch hätte gestern zwei verschiedene Schuhe angehabt, nämlich eine Sandale und einen Gummistiefel. Das Gerücht verbreitet sich auf dem Campus derart, dass jede Person, die es hört, das Gerücht an jedem folgenden Tag einer weiteren Person erzählt, die es dann auch glaubt. Am Tag glaubt das Gerücht also eine Person, am Tag zwei Personen, am Tag vier Personen u.s.w.

  1. Erstelle eine Differentialgleichung, die die Verbreitung des Gerüchtes auf dem Campus beschreibt (Zeit in Tage), wenn das Gerücht stets einer neuen Person erzählt wird, die es noch nicht kennt. Wie lautet die Lösung dieser Differentialgleichung?
  2. Nach wie vor erzählt jede Person, die von dem Gerücht gehört hat, das Gerücht pro Tag einer Person auf dem Campus. Wir berücksichtigen nun aber den Umstand, dass die Zielperson das Gerücht eventuell schon kennt, was zu Beginn der Gerüchtausbreitung zwar unerheblich ist, aber mit den Tagen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Auf dem Campus bewegen sich Personen. Ob das Gerücht einer Person erzählt wird, die das Gerücht schon kennt, hängt einfach von der Rate ab, wie viele das Gerücht schon kennen. Erstelle eine Differentialgleichung, die die Verbreitung des Gerüchtes in diesem Modell beschreibt.
  3. Zeige, dass es in der Situation aus Teil (2) eine Lösung der Form

    gibt.

  4. Wie ist in Teil (3) zu wählen?


Lösung

  1. Es sei die Anzahl der Personen, die zum Zeitpunkt (in Tagen) das Gerücht glaubt. Jedenfalls ist das Wachstum von , also , proportional zu , die Differentialgleichung hat also die Form

    mit einer Lösungsfunktion . Da in einem Tag sich der Wert der Funktion verdoppelt, ist

    und wegen

    ist die Lösungsfunktion

  2. Wir schreiben für die Anzahl der Personen in diesem Modell, die zum Zeitpunkt (in Tagen) das Gerücht glaubt. Es ist dann der Anteil der Personen, die das Gerücht glaubt und

    der Anteil der Personen, die das Gerücht nicht kennt. Für den Zuwachs der Personenanzahl, die das Gerücht glauben, ist das Produkt aus der Personenanzahl, die das Gerücht kennen, und diesem Anteil entscheidend. Es liegt daher die Differentialgleichung

    vor. Um am Anfang auf den Faktor zu kommen, muss wieder

    genommen werden.

  3. Wir zeigen, dass

    die Differentialgleichung

    löst. Die linke Seite ist

    und die rechte Seite ist ebenso

  4. Da bei der Wert rauskommen soll, müssen wir

    nach auflösen. Das bedeutet

    und schließlich