Kurs:Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2011)/Vorlesung 22



Polynome mit unauflösbarer Galoisgruppe

Wir möchten nun zeigen, dass gewisse Körpererweiterungen, und zwar die Zerfällungskörper von gewissen Polynomen vom Grad , nicht auflösbar sind. Dazu müssen wir aufgrund der Galoistheorie für auflösbare Körpererweiterungen und den gruppentheoretischen Überlegungen zu den Permutationsgruppen , , (Lemma 20.9) lediglich nachweisen, dass diese Permutationsgruppen als Galoisgruppen auftreten. Dazu bedarf es einiger Vorbereitungen über Permutationsgruppen.

Zu einer Permutationsgruppe auf einer Menge liefert jede Teilmenge eine Untergruppe . Man setzt einfach die Permutation auf durch die Identität auf zu einer Permutation auf ganz fort.



Es sei eine endliche Menge und seien Teilmengen mit . Es sei eine Untergruppe der Permutationsgruppe, die sowohl als auch umfasst.

Dann ist .

Jedes Element lässt sich nach Lemma Anhang 3.6 als Produkt von Transpositionen auf schreiben. Es muss also lediglich gezeigt werden, dass solche Transpositionen zu gehören. Es sei eine Transposition, und zwar vertausche die Elemente und , also . Wenn beide Elemente zu (oder zu ) gehören, sind wir fertig. Es sei also und . Es sei ferner , und sei von und verschieden (sonst gehören beide zu einer der Teilmengen). Dann ist

und diese drei Transpositionen gehören zu oder zu und damit zu .



Es sei eine Menge und sei die zugehörige Permutationsgruppe. Eine Untergruppe heißt transitiv, wenn es zu je zwei Elementen ein gibt mit .



Es sei eine Primzahl und die Permutationsgruppe zu . Es sei eine transitive Untergruppe, die eine Transposition enthalte.

Dann ist .

Sei . Wir betrachten Teilmengen derart, dass ist, und wollen zeigen. Es sei dazu eine solche Teilmenge mit maximaler Elementanzahl, die wir nennen. Da es mindestens eine Transposition in gibt, ist . Für jedes ist ebenfalls eine -elementige Menge mit . Für ist nämlich

und ist eine Permutation auf , sodass sie zu gehört und damit auch gilt. Für Permutationen ist entweder oder , da andernfalls nach Lemma 22.1 wäre im Widerspruch zur Maximalität von . Es sei nun vorgegeben und ein fixiert. Aufgrund der Transitivität gibt es ein mit . Dann ist natürlich . Das bedeutet, dass die Mengen , , die Gesamtmenge überdecken. Wegen der Gleichmächtigkeit dieser Mengen ist ein Vielfaches von und somit ist , also .



Es sei eine Primzahl und ein irreduzibles Polynom vom Grad , das genau reelle Nullstellen besitzt.

Dann ist die Galoisgruppe des Zerfällungskörpers gleich der Permutationsgruppe .

Bei ist diese Körpererweiterung nicht auflösbar.

Es seien die reellen Nullstellen und die beiden nichtreellen komplexen Nullstellen. Nach Lemma 13.1 ist die Galoisgruppe in natürlicher Weise eine Untergruppe der Permutationsgruppe der Nullstellen. Wir zeigen, dass es sich um die volle Permutationsgruppe handelt. Die komplexe Konjugation induziert einen - Automorphismus auf , der die reellen Nullstellen unverändert lässt und die beiden nichtreellen Nullstellen und ineinander überführt. Daher bewirkt dieser Automorphismus auf den Nullstellen eine Transposition. Da über irreduzibel ist, ist für jede Nullstelle das Minimalpolynom und daher sind alle Nullstellen zueinander konjugiert. Nach Satz 13.3 gibt es somit für je zwei Nullstellen und einen Automorphismus mit . Damit sind die Voraussetzungen von Lemma 22.3 erfüllt und somit ist die Galoisgruppe die volle Permutationsgruppe.



Es sei eine Primzahl und sei

Dann gelten folgende Aussagen.
  1. Das Polynom ist irreduzibel in .
  2. besitzt drei reelle Nullstellen und darüber hinaus zwei komplexe nichtreelle Nullstellen.
  3. Die Galoisgruppe des Zerfällungskörpers ist die Permutationsgruppe .
  4. Die Körpererweiterung ist nicht auflösbar.

(1) ergibt sich aus dem Kriterium von Eisenstein.
(2). Wir berechnen einige Funktionswerte von . Es ist

und schließlich

Nach dem Zwischenwertsatz gibt es daher mindestens drei reelle Nullstellen. Die Ableitung von ist

und besitzt die beiden reellen Nullstellen und . Nach dem Mittelwertsatz der Differentialrechnung kann somit nicht mehr als drei reelle Nullstellen besitzen, da zwischen zwei Nullstellen stets eine Nullstelle der Ableitung liegt. Die Nullstellen der Ableitung sind wegen

(wegen der Irreduzibilität von über ) keine Nullstelle von , sodass keine mehrfache Nullstelle besitzen kann. Daher muss es zwei weitere komplexe nichtreelle Nullstellen geben.
(3) und (4) folgen aus (1), (2) und Lemma 22.4.



Das erste Beispiel für ein solches Polynom ist . Durch die Existenz solcher Polynome folgt die allgemeine Unauflösbarkeit für algebraische Gleichungen vom Grad und höher. Diese Aussage heißt Satz von Abel-Ruffini.



Für

gibt es polynomiale Gleichungen (über ) vom Grad , die nicht auflösbar sind.

Für folgt dies direkt aus Korollar 22.5, und für kann man ein unauflösbares Polynom vom Grad einfach mit einem beliebigen Polynom vom Grad multiplizieren.



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