Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2015-2016)/Teil II/Vorlesung 51/kontrolle



Numerische Bedingungen für endliche Symmetriegruppen im Raum



Lemma  Lemma 51.1 ändern

Es sei eine endliche Untergruppe der Ordnung in der Gruppe der eigentlichen, linearen Isometrien des . Es seien die verschiedenen Halbachsenklassen zu , und zu jeder dieser Klassen sei , , die Ordnung der Gruppe , , die nach Lemma 50.9 unabhängig von ist.

Dann ist

Für zwei gegenüberliegende Halbachsen und gilt . Dagegen gilt für zwei Halbachsen und , die nicht zur gleichen Achse gehören (also insbesondere verschieden sind), die Beziehung , da eine Isometrie mit zwei Fixachsen die Identität sein muss. Da die Vereinigung aller , ist, liegt eine Vereinigung

vor, wobei rechts jedes Gruppenelement genau zweimal vorkommt. Daher ist

Die Halbachsenklasse enthält Elemente. Daher ist

Mittels Division durch ergibt sich die Behauptung.



Lemma  Lemma 51.2 ändern

Die numerische Gleichung
mit

und mit besitzt folgende ganzzahlige Lösungen.

  1. und .
  2. Bei gibt es die Möglichkeiten
    1. und ,
    2. , und ,
    3. , , , und ,
    4. , , , und .

Bei ist die rechte Seite und daher folgt aus der linken Seite. Bei muss gelten, was bei keine Lösung besitzt. Bei erhält man die Bedingung , woraus sich wegen nach Aufgabe ***** {{:Kurs:Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2015-2016)/Platon-Gleichung/m ist 2/Natürlich/Aufgabe/Aufgabereferenznummer/Platon-Gleichung/m ist 2/Natürlich/Aufgabe/Aufgabereferenznummer}} ergibt. Bei schreibt sich die Bedingung als

mit . Die linke Seite ist . Daher muss wegen mindestens eines der sein. Es sei also . Bei gibt es genau die Lösung mit beliebigem . Es sei also . Bei . wäre die rechte Seite wieder , sodass gelten muss. Der Wert führt zur Lösung , der Wert führt zur Lösung und der Wert führt zur Lösung . Bei wird die rechte Seite wieder , sodass es keine weitere Lösung gibt.
 Bei hat man eine Bedingung der Form

die keine Lösung besitzt, da die rechte Seite ist, da die ersten vier Summanden maximal ergeben und die weiteren durch abgeschätzt werden können.



Geometrische Realisierungen der endlichen Symmetriegruppen
Plato (427-347 v. C.) sagte: „die Bedeutung der Geometrie beruht nicht auf ihrem praktischen Nutzen, sondern darauf, daß sie ewige und unwandelbare Gegenstände untersucht und danach strebt, die Seele zur Wahrheit zu erheben“.

Das letzte Lemma enthält die entscheidenden numerischen Bedingungen, wie eine endliche Symmetriegruppe im aussehen kann. Wenn man von der trivialen Gruppe absieht, bei der gilt, so erfasst dieses Lemma alle endlichen Gruppen. Jede der angegebenen Bedingungen lässt sich im Wesentlichen eindeutig durch eine endliche Symmetriegruppe realisieren. Das geometrische Objekt ist aber nicht eindeutig bestimmt, wie schon das „duale Paar“ Würfel und Oktaeder zeigt.



Es sei eine endliche Untergruppe der Ordnung der Gruppe der eigentlichen linearen Isometrien des mit zwei verschiedenen Halbachsenklassen zu .

Dann ist die zyklische Gruppe der Drehungen zu den Vielfachen des Winkels um eine einzige fixierte Drehachse.

Aufgrund von Lemma 51.1 und Lemma 51.2 muss sein und jede Halbachsenklasse enthält nur eine Halbachse. Daher gibt es überhaupt nur eine Drehachse und diese Bewegungsgruppe ist nach Lemma 34.1 isomorph zu einer Bewegungsgruppe in der senkrechten Ebene, also nach Satz 50.4 isomorph zur zyklischen Gruppe der Ordnung .

In diesem Fall gibt es also zwei Halbachsenklassen, die jeweils aus nur einer Halbachse bestehen.



Es sei eine endliche Untergruppe der Gruppe der eigentlichen, linearen Isometrien des vom Typ .

Dann ist isomorph zur Diedergruppe .

Es gibt drei Halbachsenklassen , , , und zwar zwei mit der Ordnung (und je Halbachsen in der Klasse) und eine mit der Ordnung und zwei Halbachsen (die Anzahlen der Halbachsen folgen mit aus Lemma 51.2). Bei müssen die beiden Halbachsen aus der dritten Klasse eine Gerade bilden, da ja die gegenüberliegende Halbachse die gleiche Ordnung besitzt, und bei muss jede Halbachse zu ihrem Gegenüber äquivalent sein. Wir bezeichnen die Achse zu mit . Jedes Gruppenelement mit einer anderen Drehachse muss die beiden Halbachsen aus ineinander überführen, sodass alle anderen Achsen senkrecht zu stehen. Es sei eine erzeugende Drehung um . Zu einer Halbachse aus sind die

genau alle Halbachsen aus . Diese (bzw. die Punkte darauf mit der Norm ) bilden ein regelmäßiges -Eck in der zu senkrechten Ebene. Entsprechendes gilt für mit . Jede Halbdrehung um eine der Achsen aus überführt die Halbachsen aus in ebensolche. Daher liefern die Halbachsen aus eine „Halbierung“ des -Ecks. Somit handelt es sich insgesamt um die (uneigentliche) Symmetriegruppe eines regelmäßigen -Ecks oder um die eigentliche Symmetriegruppe der Doppelpyramide über einem regelmäßigen -Eck, d.h. um eine Diedergruppe .

In diesem Fall bestehen die beiden Halbachsenklassen der Ordnung zwei einerseits aus den Eckpunkten (oder Eckhalbachsen) und andererseits aus den Seitenmittelpunkten (oder Seitenmittelhalbachsen) des zugrunde liegenden regelmäßigen -Ecks. Bei gerade sind gegenüberliegende Halbachsen äquivalent, bei ungerade nicht. Bei ist die Diedergruppe (also ) kommutativ und isomorph zur Kleinschen Vierergruppe.



Es sei eine endliche Untergruppe der Gruppe der eigentlichen, linearen Isometrien des mit einer fixierten Halbachsenklasse .

Dann ist die Abbildung

ein Gruppenhomomorphismus.

Nach der Definition von Halbachsenklasse ist mit auch für alle . Daher ist die Abbildung wohldefiniert. Seien . Dann ist sofort



Es sei eine endliche Untergruppe der Gruppe der eigentlichen, linearen Isometrien des vom Typ .

Dann ist die Tetraedergruppe

und damit isomorph zur alternierenden Gruppe .

Nach Voraussetzung gibt es drei Halbachsenklassen der Ordnung und , ihre Elementanzahl ist daher und . Betrachten wir eine Halbachsenklasse der Ordnung mit ihren vier äquivalenten Halbachsen und den zugehörigen Gruppenhomomorphismus

Sei eine Dritteldrehung um eine Halbachse . Sie lässt fest und bewirkt eine Permutation der drei anderen Halbachsen in der Klasse. Diese Permutation kann nicht die Identität sein, da sonst mindestens zwei Achsen fest ließe und damit die (Raum)-Identität wäre. Da die Ordnung besitzt, muss diese Permutation ein Dreierzykel sein. Insbesondere gehören die vier Halbachsen zu verschiedenen Achsen, und die Doppeldrehung bewirkt den anderen Dreierzykel. Da man diese Überlegung mit jeder der vier Halbachsen aus anstellen kann, sieht man, dass sämtliche Dreierzykel der Permutationsgruppe der vier Halbachsen bewirkt. Das Bild des Gruppenhomomorphismus ist daher genau die alternierende Gruppe und damit ist . Diese ist nach Aufgabe 50.12 isomorph zur Tetraedergruppe.

In der vorstehenden Aussage kann man auch direkt erkennen, dass es sich um eine Tetradergruppe handeln muss. Dazu markieren wir auf jeder der vier Halbachsen den Punkt mit dem Abstand zum Nullpunkt. Aus dem Beweis des Lemmas folgt, dass je zwei solche Punkte den gleichen Abstand voneinander haben (und dass die Winkel der Halbachsen zueinander alle gleich sind). Daher bilden diese vier Punkte die Eckpunkte eines Tetraeders. Die gegenüberliegenden Halbachsen entsprechen den Seitenmittelpunkten der Tetraederflächen. Die Halbachsen der Ordnung zwei entsprechen den Kantenmittelpunkten.



Es sei eine endliche Untergruppe der Gruppe der eigentlichen, linearen Isometrien des vom Typ .

Dann ist isomorph zur Permutationsgruppe und zur Würfelgruppe.

Wir betrachten die Halbachsenklasse der Ordnung , die also zueinander äquivalente Halbachsen besitzt. Zu einer solchen Halbachse muss die entgegengesetzte Halbachse ebenfalls in einer der Halbachsenklassen liegen, und zwar in einer mit der gleichen Ordnung. Daher gehört auch zu , sodass an insgesamt vier Achsen beteiligt sind. Die Menge dieser Achsen nennen wir . Wir betrachten den Gruppenhomomorphismus

Hier wird also nur geschaut, was mit den Achsen passiert, nicht, was mit den Halbachsen passiert.

Es können nicht drei dieser vier Achsen in einer Ebene liegen. Wären nämlich , so würde eine Dritteldrehung um die äquivalenten Achsen und hervorbringen, die aber nicht in der Ebene liegen können und die nicht beide gleich sein können. Das Element habe die Eigenschaft, dass die Identität ist, dass also alle Geraden auf sich abgebildet werden. Nach Aufgabe 51.12 muss die Identität sein. Der Gruppenhomomorphismus ist also nach dem Kernkriterium injektiv und daher muss eine Isomorphie vorliegen. Da man diese Überlegung insbesondere für die Würfelgruppe durchführen kann, ergibt sich auch die Isomorphie zwischen der Würfelgruppe und der Permutationsgruppe .


Mit einem ähnlichen, aber aufwändigeren Argument kann man zeigen, dass die verbleibende numerische Möglichkeit, also eine Gruppe mit Elementen und mit den Drehordnungen und wieder nur von einem Isomorphietyp realisiert wird, nämlich von der alternierenden Gruppe , die zugleich isomorph zur Dodekaedergruppe und zur Ikosaedergruppe ist.

Insgesamt haben wir (bis auf den Ikosaederfall) den folgenden Hauptsatz über endliche (eigentliche) Symmetriegruppen im Raum bewiesen.


Es sei eine endliche Untergruppe der Gruppe der eigentlichen, linearen Isometrien des .

Dann ist eine der folgenden Gruppen.

  1. Eine zyklische Gruppe , ,
  2. Eine Diedergruppe , ,
  3. Die Tetraedergruppe ,
  4. Die Würfelgruppe ,
  5. Die Ikosaedergruppe .