Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018)/Teil II/Vorlesung 37

Neben den drei Eckpunkten eines Dreieckes gibt es noch weitere charakteristische Punkte eines Dreieckes wie den Schwerpunkt, den Umkreismittelpunkt, den Inkreismittelpunkt und den Höhenschnittpunkt.



Seitenhalbierende und Schwerpunkt

Zu einer Menge von Punkten in einem affinen Raum über einem reellen Vektorraum nennt man die baryzentrische Kombination

den Schwerpunkt der Punkte.

Es handelt sich also um diejenige baryzentrische Kombination der Punkte, bei der jeder Punkt mit der gleichen Gewichtung eingeht. Zu Punkten heißt der Schwerpunkt auch der Mittelpunkt der beiden Punkte (oder der Strecke ). Bei zwei reellen Zahlen spricht man auch vom arithmetischen Mittel der beiden Zahlen. Bei ist der Schwerpunkt der Punkte auch der Schwerpunkt ihrer konvexen Hülle. Der Schwerpunkt von drei Punkten tritt als Durchschnitt der Seitenhalbierenden des Dreiecks auf.


Zu einem nichtausgearteten Dreieck in einer euklidischen Ebene heißt die Gerade

die Seitenhalbierende durch

Die Seitenhalbierende durch verläuft also durch den Punkt und den Mittelpunkt der gegenüberliegenden Dreiecksseite.



In einem nichtausgearteten Dreieck in der euklidischen Ebene

treffen sich die drei Seitenhalbierenden im Schwerpunkt des Dreiecks.

Wir betrachten die Bedingung

die auf

führt. Wir können und setzen, woraus sich, da und linear unabhängig sind,

ergibt. Daher ist

woraus

folgt. Somit ist der Schnittpunkt gleich

Wegen der Symmetrie ist dies auch der Schnittpunkt mit der dritten Seitenhalbierenden.


Insbesondere schneidet der Schwerpunkt jede Seitenhalbierende im Verhältnis , wobei der längere Teil am Punkt anliegt.



Mittelsenkrechte und Umkreismittelpunkt

Zu zwei Punkten in der euklidischen Ebene nennt man die Gerade, die senkrecht auf der durch und gegebenen Gerade steht und durch den Mittelpunkt der Strecke zwischen und verläuft, die Mittelsenkrechte der Strecke.

Die Mittelsenkrechte wird durch

beschrieben, wobei einen beliebigen, zu senkrechten Vektor bezeichnet. Wenn und in kartesischen Koordinaten gegeben sind, so ist die Mittelsenkrechte gleich



Es seien verschiedene Punkte in einer euklidischen Ebene.

Dann besteht die Mittelsenkrechte zu und genau aus allen Punkten, die zu und den gleichen Abstand haben.

Beweis

Siehe Aufgabe 37.7.




Die Mittelsenkrechten der drei Seiten in einem nichtausgearteten Dreieck der euklidischen Ebene

schneiden sich in einem Punkt.

Alle Eckpunkte des Dreiecks besitzen zu diesem Schnittpunkt den gleichen Abstand.

Die Mittelsenkrechte zur Strecke zwischen und besteht nach Lemma 37.5 genau aus allen Punkten der Ebene, die zu diesen beiden Punkten den gleichen Abstand besitzt. Der Schnittpunkt der Mittelsenkrechte zu und mit der Mittelsenkrechte zu und hat also zu allen drei Eckpunkten den gleichen Abstand. Dies ergibt den Zusatz und auch, dass sich alle drei Mittelsenkrechten in diesem Punkt treffen.



Der Schnittpunkt der drei Mittelsenkrechten in einem nichtausgearteten Dreieck in der euklidischen Ebene heißt Umkreismittelpunkt.

Der Umkreismittelpunkt ist der Mittelpunkt des Umkreises; das ist derjenige Kreis, der die drei Eckpunkte des Dreiecks (auf seiner Peripherie) enthält.



Winkelhalbierende und Inkreismittelpunkt

Zu zwei linear unabhängigen Vektoren und in einem normierten reellen Vektorraum nennt man die von

erzeugte Gerade die Winkelhalbierende der beiden Strahlen.

Die Winkelhalbierende wird also ohne Bezug auf einen Winkel definiert, es wird ja noch nicht einmal ein Skalarprodukt vorausgesetzt. Wenn sich aber die beiden Vektoren in einem euklidischen Raum befinden, so zeigt eine einfache Überlegung (siehe Aufgabe 37.13), dass die Winkelhalbierende in der Tat den Winkel halbiert. Die Definition überträgt sich direkt auf einen affinen Raum über einem normierten Vektorraum, und zwar definieren drei nicht kollineare Punkte jeweils eine Winkelhalbierende durch jeden der beteiligten Punkte.



Es seien linear unabhängige Vektoren in .

Dann liegen auf der Winkelhalbierenden zu und nur Punkte, die zu und den gleichen Abstand haben. Wenn ein Punkt zu und den gleichen Abstand besitzt, so liegt er auf der Winkelhalbierenden zu und oder auf der Winkelhalbierenden zu und .

Wir können annehmen, dass und normiert sind. Es sei . Nach Korollar 35.7 ist

und entsprechend

Also sind die Abstände genau dann gleich, wenn

ist. Wenn

ist, so ist

und die Gleichung gilt. Für die Umkehrung können wir

ansetzen. Bei

folgt

und somit

Da und normiert und linear unabhängig sind, ist nach Aufgabe 31.9

der rechte Faktor ist nicht und somit ist . Bei

folgt mit einer ähnlichen Überlegung .




Die drei Winkelhalbierenden in einem nichtausgearteten Dreieck

treffen sich in einem gemeinsamen Schnittpunkt, der zu jeder Seite des Dreiecks den gleichen Abstand.

Wenn die Eckpunkte durch und die Seitenlängen mit bezeichnet werden, so besitzt dieser Schnittpunkt die Koordinaten

Nach Lemma 37.9 besteht die Winkelhalbierende zu aus Punkten, die zu den anliegenden Seiten(geraden) und den gleichen Abstand haben. Ebenso besteht die Winkelhalbierende zu aus Punkten, die zu den anliegenden Seiten(geraden) und den gleichen Abstand haben. Daher besitzt der Schnittpunkt dieser beiden Winkelhalbierenden, den es geben muss, zu allen drei Seiten den gleichen Abstand. Darüber hinaus stimmt das Skalarprodukt von diesem Schnittpunkt mit den drei normierten Seitenvektoren überein, wie der Beweis zu Lemma 37.9 zeigt. Wiederum wegen Lemma 37.9 muss er dann auch auf der dritten Winkelhalbierenden liegen.

Zur Koordinatenbestimmung schreiben wir die Winkelhalbierende durch als

bzw.

Die Gleichsetzung mit der Winkelhalbierenden durch führt auf

Die Lösung ist durch

und

gegeben, da dies eingesetzt jeweils zu

führt. Dies ist also der Schnittpunkt, und zwar von allen drei Winkelhalbierenden.



Der Schnittpunkt der drei Winkelhalbierenden in einem nichtausgearteten Dreieck in der euklidischen Ebene heißt Inkreismittelpunkt.

Der Kreis um den Inkreismittelpunkt, der die drei Seiten des Dreiecks tangential trifft, heißt entsprechend Inkreis.



Höhenschnittpunkt



Es sei der Umkreismittelpunkt und der Schwerpunkt eines nichtausgearteten Dreieck in der euklidischen Ebene.

Dann liegt der Punkt

auf jeder Höhe des Dreiecks.

Insbesondere schneiden sich die drei Höhen in einem Punkt.

Wir machen zum Ursprungspunkt, sodass die Punkte die gleiche Norm besitzen. Der in Frage stehende Punkt ist dann . Die durch diesen Punkt und gegebene Gerade hat den Richtungsvektor . Sie verläuft durch und es ist

Wegen der Normgleichheit ist dies , also handelt es sich um die Höhengerade durch .



Zu einem nichtausgearteten Dreieck in einer euklidischen Ebene heißt der Schnittpunkt der drei Höhen der Höhenschnittpunkt.



Die eulersche Gerade



Der Schwerpunkt, der Umkreismittelpunkt und der Höhenschnittpunkt eines nichtausgearteten Dreiecks in der euklidischen Ebene

liegen auf einer Gerade.

Dies folgt direkt aus Lemma 37.12.


Wenn das Dreieck gleichseitig ist, so fallen die drei Punkte zusammen und es gibt viele Geraden durch diesen Punkt. Andernfalls sind diese Punkte nicht gleich (siehe Aufgabe 37.2) und es gibt genau eine Gerade, die durch diese drei Punkte verläuft. Man nennt sie die eulersche Gerade.



Der Feuerbachkreis
Die neun Punkte des Neun-Punkte-Kreises: Die Seitenmittelpunkte (blau), die Höhenfußpunkte (rot) und die Mittelpunkte (grün) zwischen Eckpunkten und Höhenschnittpunkt (schwarz).



Durch die Eckpunkte sei ein nichtausgeartetes Dreieck in der euklidischen Ebene gegeben. Es sei der Umkreis zu den Seitenmittelpunkten des Dreiecks. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Der Radius von ist die Hälfte des Umkreisradius von .
  2. Die Verbindungsstrecken des Höhenschnittpunkts und der Eckpunkte werden durch halbiert.
  3. Die Höhenfußpunkte von liegen auf .

(1). Es sei der Umkreismittelpunkt des Ausgangsdreiecks, den wir als Ursprung eines kartesischen Koordinantensystems ansetzen. Wir betrachten dann den Punkt

Der Mittelpunkt der Dreiecksseite durch und besitzt zu den Abstand

Da die Normen von allen Eckpunkten nach Wahl von gleich sind, ist der Umkreismittelpunkt des Seitenmittelpunktsdreiecks und der Radius ist die Hälfte des Umkreisradius.

(2). Nach Lemma 37.12 ist der Höhenschnittpunkt. Daher ist der Mittelpunkt der Strecke von zum Höhenschnittpunkt gleich

Der Abstand davon zu ist

(3). Zunächst liegen die unter (1) bzw. (2) konstruierten Punkte auf dem Kreis gegenüber. Es ist ja

der Mittelpunkt von . Somit bilden ein Seitenmittelpunkt, der gegenüberliegende Halbierungspunkt zwischen Eckpunkt und Höhenschnittpunkt und der entsprechende Höhenfußpunkt ein rechtwinkliges Dreieck. Dessen Thaleskreis ist stets der Feuerbachkreis.


Den Kreis in der vorstehenden Aussage nennt man den Feuerbachkreis oder auch den Neun-Punkte-Kreis.


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