Kurs:Analysis (Osnabrück 2014-2016)/Teil I/Vorlesung 13



Der Zwischenwertsatz

Wir interessieren uns dafür, was unter einer stetigen Abbildung mit einem Intervall passiert. Der Zwischenwertsatz besagt, dass das Bild wieder ein Intervall ist.



Es seien reelle Zahlen und sei eine stetige Funktion. Es sei eine reelle Zahl zwischen und .

Dann gibt es ein mit .

Wir beschränken uns auf die Situation und zeigen die Existenz von einem solchen mit Hilfe einer Intervallhalbierung. Dazu setzt man und , betrachtet die Intervallmitte und berechnet

Bei setzt man

und bei setzt man

In jedem Fall hat das neue Intervall die halbe Länge des Ausgangsintervalls und liegt in diesem. Da es wieder die Voraussetzung erfüllt, können wir darauf das gleiche Verfahren anwenden und gelangen so rekursiv zu einer Intervallschachtelung. Sei die durch diese Intervallschachtelung gemäß Satz 7.3 definierte reelle Zahl. Für die unteren Intervallgrenzen gilt und das überträgt sich wegen der Stetigkeit nach dem Folgenkriterium auf den Grenzwert , also . Für die oberen Intervallgrenzen gilt und das überträgt sich ebenfalls auf , also .  Also ist .


Die in diesem Beweis beschriebene Methode ist konstruktiv und kann zu einem expliziten Verfahren ausgebaut werden.



Es seien reelle Zahlen und sei eine stetige Funktion mit und .

Dann gibt es ein mit und mit ,

d.h. besitzt eine Nullstelle zwischen und .

Dies folgt direkt aus Satz 13.1.



Ein regelmäßiger quadratischer Tisch mit vier Beinen steht auf einem unebenen, aber stufenfreien Untergrund. Im Moment steht er auf den Beinen und das Bein ragt in die Höhe (wenn man in ihrer Position belässt und auf den Boden drückt, würde versinken). Wir behaupten, dass man den Tisch durch eine (maximal Viertel)-Drehung um die eigene Achse (sagen wir gegen den Uhrzeigersinn) in eine Position bringen kann, wo er auf allen vier Beinen steht (wobei der Tisch nicht unbedingt genau horizontal stehen muss). Dazu betrachten wir die Funktion, die einem Drehwinkel (zwischen und Grad) die Höhe des Beines über dem Grund zuordnet, wenn die drei übrigen Beine auf dem Boden stehen (würden). Dabei kann diese Höhe auch negativ werden (was sich bei einem sandigen Untergrund praktisch realisieren lässt; sonst denke man sich dies „virtuell“). Bei Grad ist die Höhe positiv. Bei Grad erhält man eine Situation, die symmetrisch zur Ausgangssposition ist, wobei aber nach wie vor die Beine auf dem Boden sein sollen. Wegen der in der Klammer formulierten Beobachtung muss die Höhe von negativ sein. Die Funktion hat also auf dem Intervall sowohl positive als auch negative Werte. Da sie wegen der Stufenfreiheit stetig ist, besitzt sie nach dem Zwischenwertsatz auch eine Nullstelle.



Die Abbildung

ist stetig, sie genügt aber nicht dem Zwischenwertsatz. Für ist und für ist , es gibt aber kein mit , da dafür sein muss, wofür es in keine Lösung gibt. Der Zwischenwertsatz funktioniert also nur für reelle Zahlen.


Mit der im Beweis des Zwischenwertsatzes verwendeten Intervallhalbierungsmethode kann man insbesondere auch Quadratwurzeln „ausrechnen“, also Folgen angeben, die gegen die Quadratwurzel konvergieren. Die Konvergenzgeschwindigkeit beim babylonischen Wurzelziehen ist aber deutlich höher.



Es sei ein reelles Intervall und eine stetige Funktion.

Dann ist auch das Bild ein Intervall.

Sei . Aus dem Zwischenwertsatz folgt sofort, dass wenn sind und mit gegeben ist, auch sein muss. Nach Aufgabe 6.14 ist ein Intervall.



Stetige bijektive Funktionen und ihre Umkehrfunktion

Für eine bijektive stetige Funktion auf einem reellen Intervall ist die Umkehrabbildung wieder stetig. Dies ist keineswegs selbstverständlich.



Es sei ein Intervall und

eine stetige, streng wachsende Funktion.

Dann ist das Bild

ebenfalls ein Intervall, und die Umkehrabbildung

ist ebenfalls stetig.

Dass das Bild wieder ein Intervall ist folgt aus Korollar 13.5.
Die Funktion ist injektiv, da sie streng wachsend ist und damit ist die Abbildung

auf das Bild bijektiv.
Die Umkehrfunktion

ist ebenfalls streng wachsend.
Sei und vorgegeben. Es sei zunächst kein Randpunkt von . Dann ist auch kein Randpunkt von . Sei vorgegeben und ohne Einschränkung angenommen. Dann ist

und für gilt wegen der Monotonie

Also ist stetig in . Wenn ein Randpunkt von ist, so ist auch ein Randpunkt von , sagen wir der rechte Randpunkt. Dann ist zu vorgegebenem wieder und erfüllt die geforderte Eigenschaft.




Stetigkeit der Wurzeln



Es sei . Für ungerade ist

die Potenzfunktion

stetig, streng wachsend, bijektiv und die Umkehrfunktion

ist streng wachsend und stetig.

Für gerade ist die Potenzfunktion

stetig, streng wachsend, bijektiv und die Umkehrfunktion

ist streng wachsend und stetig.

Die Stetigkeit ergibt sich aus Korollar 12.8. Das strenge Wachstum für folgt aus der allgemeinen binomischen Formel. Für ungerades folgt das strenge Wachstum für aus der Beziehung und dem Verhalten im positiven Bereich. Daraus ergibt sich die Injektivität. Für ist , woraus die Unbeschränktheit des Bildes nach oben folgt. Bei ungerade folgt ebenso die Unbeschränktheit des Bildes nach unten. Aufgrund des Zwischenwertsatzes ist das Bild daher bzw. . Somit sind die angegebenen Potenzfunktionen surjektiv und die Umkehrfunktionen existieren. Die Stetigkeit der Umkehrfunktionen folgt aus Satz 13.6.




Minima und Maxima

Es sei eine Menge und

eine Funktion. Man sagt, dass in einem Punkt das Maximum annimmt, wenn

und dass das Minimum annimmt, wenn

Die gemeinsame Bezeichnung für ein Maximum oder ein Minimum ist Extremum. In der vorstehenden Definition spricht man auch vom globalen Maximum, da darin Bezug auf sämtliche Elemente der Definitionsmenge genommen wird. Interessiert man sich nur für das Verhalten in einer offenen, eventuell kleinen Umgebung, so gelangt man zum Begriff des lokalen Maximums.


Es sei eine Teilmenge und sei

eine Funktion. Man sagt, dass in einem Punkt ein lokales Maximum besitzt, wenn es ein derart gibt, dass für alle mit die Abschätzung

gilt. Man sagt, dass in ein lokales Minimum besitzt, wenn es ein derart gibt, dass für alle mit die Abschätzung

gilt.

Wenn für alle (bzw. für alle aus einer offenen Umgebung von ) gilt, so spricht man von einem isolierten Maximum (bzw. von einem isolierten lokalen Maximum). Mit der Differentialrechnung werden wir bald schlagkräftige Methoden kennenlernen, um die Stellen für Minima und Maxima zu bestimmen.



Es sei ein abgeschlossenes beschränktes Intervall und sei

eine stetige Funktion.

Dann gibt es ein mit

D.h., dass die Funktion ihr Maximum (und ihr Minimum) annimmt.

Nach dem Zwischenwertsatz wissen wir, dass das Bild ein Intervall ist. Wir zeigen zunächst, dass (nach oben und nach unten) beschränkt ist.  Wir nehmen dazu an, dass nicht nach oben beschränkt ist. Dann gibt es eine Folge in mit . Nach Satz 7.7 besitzt eine konvergente Teilfolge. Da abgeschlossen ist, gehört der Grenzwert der Teilfolge zu . Wegen der Stetigkeit muss dann auch die Bildfolge konvergieren. Die Bildfolge ist aber unbeschränkt, sodass sie nach Lemma 5.9 nicht konvergieren kann, und sich ein Widerspruch ergibt.

Es sei nun das Supremum von , das es nach Satz 7.5 gibt. Es gibt nach Aufgabe ***** eine Folge in , die gegen das Supremum konvergiert. Nach Definition von gibt es eine Folge mit . Für diese Folge gibt es wieder nach Satz 7.7 eine konvergente Teilfolge. Es sei der Grenzwert dieser Teilfolge. Somit ist aufgrund der Stetigkeit und daher .



Es sei ein abgeschlossenes beschränktes Intervall und sei

eine stetige Funktion.

Dann ist das Bild ebenfalls ein beschränktes abgeschlossenes Intervall.

Dies folgt aus dem Zwischenwertsatz und Satz 13.10.


Ein abgeschlossenes und beschränktes Intervall nennt man auch kompakt.


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