Kurs:Differentialgeometrie (Osnabrück 2023)/Vorlesung 2



Rotationsflächen

Wir besprechen eine weitere Klasse von Flächen im Raum, die Rotationsflächen.

Es sei eine differenzierbare Kurve

mit gegeben. Wir interessieren uns für die zugehörige Rotationsfläche, also die Teilmenge

des , die entsteht, wenn man die Trajektorie der Kurve um die -Achse dreht. Wir setzen zusätzlich voraus, dass einen Homöomorphismus auf sein Bild bewirkt. Insbesondere betrachten wir den Fall, wo eine differenzierbare Funktion ist und es um die Rotationsfläche des Graphen geht.



Es sei ein offenes Intervall und eine differenzierbare Funktion. Dann besitzt die Rotationsfläche (um die -Achse) zum Graphen von folgende Eigenschaften.

  1. Es ist die Nullstellenmenge zu
  2. Die beschreibende Funktion ist in jedem Punkt von regulär.
  3. Der Tangentialraum von in einem Punkt ist (bei )

(1) ist klar. Die Jacobimatrix von ist . Wegen der Positivität von kann nicht sein, daher ist auf regulär. Die angegebenen Vektoren sind bei linear unabhängig und gehören zum Kern der Jacobimatrix.



Es sei ein offenes Intervall und eine differenzierbare Funktion und es sei die Rotationsfläche (um die -Achse) zum Graphen von . Es sei

eine bijektive differenzierbare Funktion derart, dass ein Parametrisierung des Graphen zu mit konstanter Norm der Geschwindigkeit ist. Dann gelten folgende Eigenschaften.

  1. Zu jedem Punkt ist

    eine Geodätische.

  2. Eine Kreiskurve

    ist genau dann eine Geodätische, wenn ist.

  1. Die Kurve bewegt sich in der Ebene . Nach einer Drehung können wir ohne Einschränkung annehmen, die Kurve durchläuft also direkt den Graphen von . Wegen der Bogenparametrisierung steht

    nach Aufgabe 2.3 senkrecht auf

    Dies bedeutet, dass die Beschleunigung senkrecht auf dem Tangentialraum (der neben der Kurvenableitung von erzeugt wird) steht und daher die tangentiale Beschleunigung gleich ist. Also liegt eine Geodätische vor.

  2. Die Kreisbewegung spielt sich auf der durch das fixierte gegebenen Ebene ab, die Ableitung (nach ) der gegebenen Kurve ist und die Beschleunigung der gegebenen Kurve ist gleich . Die Beschleunigung ist damit innerhalb der Ebene senkrecht zur Geschwindigkeit der Kurve, die einen Tangentialvektor der Rotationsfläche bildet. Ein dazu linear unabhängiger Tangentialvektor ist durch gegeben. Dieser steht aber nur bei stets senkrecht auf der Beschleunigung.



Das Normalenfeld

Es sei offen, eine stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei. Ein auf einer offenen Umgebung definiertes stetiges Vektorfeld mit

für alle heißt Normalenfeld auf .

Wenn dabei zusätzlich

gilt, so spricht man von einem Einheitsnormalenfeld. Da die Normalengerade im betrachtenten Hyperflächenfall eindimensional ist, gibt es für jeden Punkt nur zwei mögliche Werte für ein Einheitsnormalenfeld an diesem Punkt, die zueinander negativ sind. Dabei interessiert man sich hauptsächlich nur für die Werte des Feldes auf , man betrachtet also zwei Normalenfelder zu als identisch, wenn sie auf übereinstimmen. Die offene Umgebung ist nur nötig, um von differenzierbar sprechen zu können.



Es sei offen, eine stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei.

Dann ist ein Einheitsnormalenfeld auf .

Nach Voraussetzung ist das Gradientenfeld nullstellenfrei auf und daher wegen der vorausgesetzten Stetigkeit auch nullstellenfrei in einer offenen Umgebung . Das angegebene Vektorfeld ist also in einer offenen Umgebung von definiert. Die Orthogonalität zu den Tangentialräumen an die Faser und die Normiertheit sind klar.



Ein einschaliges Hyperboloid.

Wir betrachten die Funktion , und dazu die Faser über , also das einschalige Hyperboloid . Der Gradient zu in einem Punkt ist durch und das totale Differential ist entsprechend durch gegeben, daher ist in jedem Punkt von regulär. Der Tangentialraum in einem Punkt ist der Kern des totalen Differentials, eine Basis ist (bei muss man den zweiten Vektor durch ersetzen). Das Einheitsnormalenfeld ist



Es sei offen, eine stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei. Dann nennt man die Fixierung eines Einheitsnormalenfeldes auf eine Orientierung von .

Zu einer Orientierung gibt es stets die negative oder die entgegengesetzte Orientierung. Wenn eine beschreibende Funktion für fixiert ist, so erhält man mit Lemma 2.4 direkt die Orientierung . Allerdings gehört zu die entgegengesetzte Orientierung, und es gibt keine kanonische Möglichkeit, eine davon auszuwählen. Bei einem nullstellenfreien Normalenfeld kann man stets zum zugehörigen Einheitsnormalenfeld übergehen und erhält somit eine Orientierung.



Es sei offen, eine stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei. Es sei zusammenhängend.

Dann gibt es genau zwei Orientierungen auf .

Nach Lemma 2.4 gibt es ein Einheitsnormalenfeld, das eine Orientierung repräsentiert, und die Negation davon liefert eine weitere Orientierung. Diese nennen wir bzw. . Es sei nun

ein beliebiges stetiges Einheitsnormalenfeld. Wir betrachten die Übereinstimmungsorte

und

Da es für jeden Punkt nur die beiden möglichen Werte

gibt, ist die disjunkte Vereinigung von und . Als Übereinstimmungsort von stetigen Funktionen sind und abgeschlossen (und damit auch offen in ). Aufgrund des Zusammenhangs ist also oder .



Die Gauß-Abbildung

Es sei offen, eine stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei. Es sei eine Orientierung auf fixiert. Dann heißt die Abbildung

die jeden Punkt auf seinen durch die Orientierung fixierten Einheitsnormalenvektor abbildet, die Gauß-Abbildung zu .

Im Allgemeinen denken wir uns Tangentialvektoren und Normalenvektoren an den Punkt angeheftet, hier ist es aber wichtig, den Normalenvektor als einen Punkt auf der „neutralen“ - dimensionalen Sphäre zu betrachten. Die Gauß-Abbildung eröffnet eine Möglichkeit, eine beliebige glatte Hyperfläche mit der besonders einfachen Hyperfläche, nämlich der Kugeloberfläche, in Beziehung zu setzen.



Es sei offen, eine stetig differenzierbare Funktion und die Faser zu , wobei in jedem Punkt von regulär sei. Es sei eine Orientierung auf fixiert. Dann gelten für die Gauß-Abbildung folgende Aussagen.

  1. Die Gauß-Abbildung ist stetig.
  2. Bei ist die Gauß-Abbildung (wenn die Orientierung nach außen zeigt) die Identität oder die antipodale Abbildung.
  3. Wenn zusammenhängend ist, so sind die Gauß-Abbildungen zu den beiden Orientierungen antipodal zueinander.
  4. Sei zusammenhängend. Dann ist die Gauß-Abbildung genau dann konstant, wenn ein offener Ausschnitt aus einem affin-linearen Unterraum der Dimension ist.
  1. Dies folgt aus Lemma 2.4.
  2. Klar.
  3. Klar.
  4. Die Rückrichtung ist klar. Zum Beweis der Hinrichtung sei der Einheitsnormalenvektor konstant gleich

    Dann ist

    mit einer stetigen nullstellenfreien Funktion . Wir können durch ersetzen ohne zu verändern. Dann ist nach Lemma 2.7

    und daher

    Die Faser zu auf ganz ist ein affin-linearer Untervektorraum.

Wir erinnern an den folgenden Satz.


Es sei eine offene Teilmenge und sei

eine stetig differenzierbare Funktion. Die Faser von zu einem Punkt sei kompakt und in jedem Punkt regulär.

Dann ist jeder -dimensionale Unterraum für mindestens einen Punkt gleich dem Tangentialraum .


Es sei eine offene Teilmenge und sei

eine stetig differenzierbare Funktion. Die Faser von zu sei kompakt und in jedem Punkt regulär.

Dann ist die Gauß-Abbildung

surjektiv.

Ein Einheitsnormalenvektor beschreibt über die Orthogonalitätsrelation eine Hyperebene, also einen -dimensionalen Untervektorraum, wobei auch der negierte Einheitsnormalenvektor die gleiche Hyperebene beschreibt. Satz 2.10 zeigt, dass jede Hyperebene als ein Tangentialraum von auftritt. Der Beweis von Satz 2.10 zeigt aber ferner (wenn man dort neben dem Maximum auch das Minimum betrachtet), dass beide Normaleneinheitsvektoren auftreten.


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