Kurs:Einführung in die Algebra (Osnabrück 2009)/Vorlesung 20
- Multiplikative Systeme
Wir wollen zeigen, dass es zu jedem Integritätsbereich einen Körper gibt derart, dass ein Unterring von wird. Diesen Körper werden wir dann den Quotientenkörper von nennen. Die Konstruktion ist dieselbe, mit der man aus den ganzen Zahlen die rationalen Zahlen gewinnt.
Es sei ein kommutativer Ring. Eine Teilmenge heißt multiplikatives System, wenn die beiden Eigenschaften
- ,
- Wenn , dann ist auch ,
gelten.
Wir erwähnen einige Beispiele von multiplikativen Systemen. Zunächst ist natürlich der Gesamtring, die Menge und die Einheitengruppe ein multiplikatives System. Darüber hinaus erwähnen wir die folgenden Beispiele.
Es sei ein kommutativer Ring und ein Element. Dann bilden die Potenzen , , ein multiplikatives System.
Die Nichtnullteiler bilden ein multiplikatives System in einem kommutativen Ring. Die ist wie jede Einheit ein Nichtnullteiler, und wenn und Nichtnullteiler sind, so ist auch deren Produkt ein Nichtnullteiler, da aus zunächst und daraus folgt.
Es sei ein Integritätsbereich. Dann bilden alle von verschiedenen Elemente in ein multiplikatives System, das mit bezeichnet wird.
Ein Ideal in einem kommutativen Ring heißt Primideal, wenn ist und wenn für mit folgt: oder .
Es sei ein kommutativer Ring und ein Primideal. Dann ist das Komplement ein multiplikatives System. Dies folgt unmittelbar aus der Definition.
Es sei ein faktorieller Bereich und sei eine Menge von Primelementen. Dann ist die Menge aller Elemente aus , in deren Primfaktorzerlegung ausschließlich Primelemente aus vorkommen, ein multiplikatives System . Es ist also
Es seien und kommutative Ringe und sei
Dann ist das Urbild der Einheitengruppe ein multiplikatives System.
Beweis
- Nenneraufnahme
Unser nächstes Ziel ist es, zu einem multiplikativen System einen Ring zu konstruieren mit der Eigenschaft, dass die Elemente aus dort zu Einheiten werden, und dieser Ring minimal mit dieser Eigenschaft ist.
Es sei ein Integritätsbereich und sei ein multiplikatives System, . Dann heißt die Menge der formalen Brüche
die Nenneraufnahme zu . Dabei werden zwei Brüche und identifiziert, wenn gilt. Die Nenneraufnahme ist ein kommutativer Ring mit der Addition
und der Multiplikation
Für die Nenneraufnahme an einem Element schreibt man einfach statt . Die Elemente aus dem multiplikativen System werden in zu Einheiten, und zwar ist das Inverse zu . Die Nenneraufnahme an in einem Integritätsbereich spielt für uns eine besondere Rolle. Dort werden sämtliche Elemente zu Einheiten und es entsteht somit ein Körper.
Zu einem Integritätsbereich ist der Quotientenkörper als die Menge der formalen Brüche
mit natürlichen Identifizierungen und Operationen definiert.
Die wichtigsten Beispiele für einen Quotientenkörper sind die rationalen Zahlen und der Quotientenkörper des Polynomrings in einer Variablen über einem (Grund-)körper . Man bezeichnet ihn mit und nennt ihn den Körper der rationalen Funktionen (über ). In der Tat definiert ein Bruch aus zwei Polynomen , , eine Funktion
wobei das Komplement der Nullstellenmenge von bezeichnet. Wie schon im Fall von Polynomen und den dadurch definierten polynomialen Funktionen muss man auch hier vorsichtig sein und darf nicht die formalen Brüche mit den dadurch definierten Funktionen gleichsetzen, auch wenn dies bei die Vorstellung unterstützt.
Die folgende Aussage kann man so verstehen, dass der Quotientenkörper der minimale Körper ist, in dem man einen Integritätsbereich als Unterring realisieren kann.
Es sei ein Integritätsbereich mit Quotientenkörper . Es sei
ein injektiver Ringhomomorphismus in einen Körper .
Dann gibt es einen eindeutig bestimmten Ringhomomorphismus
mit
wobei die kanonische Einbettung
bezeichnet.
Damit die Ringhomomorphismen kommutieren muss und damit sein. Es kann also maximal einen solchen Ringhomomorphismus geben, der durch die letzte Gleichung definiert sein muss. Da für auch ist und ein Körper ist, gibt es . Es ist zu zeigen, dass dadurch ein wohldefinierter Ringhomomorphismus gegeben ist. Zur Wohldefiniertheit sei , also . Dann ist auch und durch Multiplizieren mit der Einheit folgt
Wir zeigen exemplarisch für die Addition, dass ein Ringhomomorphismus vorliegt. Es ist
- Der Satz von Gauß
Wir wollen nun für einen faktoriellen Integritätsbereich zeigen, dass auch der Polynomring faktoriell ist. Speziell ergibt sich daraus induktiv, dass für einen Körper die Polynomringe in beliebig vielen Variablen faktoriell sind, obwohl sie nur bei einer Variablen Hauptidealbereiche sind. Es liegt nahe, dabei mit dem Quotientenkörper zu arbeiten und Teilbarkeitseigenschaften in mit denen in zu vergleichen. Da letzteres ein Hauptidealbereich ist, ist darüber viel bekannt.
In den folgenden Beweisen werden zwei einfache Beobachtungen wiederholt zur Anwendung kommen. Ein konstantes Polynom teilt ein Polynom genau dann, wenn jeden Koeffizienten teilt. Und zu einem Polynom gibt es stets ein (nämlich einen Hauptnenner der ) derart, dass zu gehört.
Es sei ein kommutativer Ring und sei der Polynomring über . Es sei ein Primelement.
Dann ist auch in prim.
Sei . Wir nehmen an, dass weder noch teilt. Dann teilt nicht alle Koeffizienten von und von . Es sei und und es seien bzw. die kleinsten Indizes derart, dass (bzw. ) kein Vielfaches von ist (für alle kleineren Indizes sind die Koeffizienten also Vielfache von ). Wir betrachten den -ten Koeffizienten von , dieser ist
Die Summanden links sind Vielfache von aufgrund der Wahl von und die Summanden rechts sind ebenso Vielfache von . Da auch der Gesamtkoeffizient nach Voraussetzung ein Vielfaches von ist, muss auch der mittlere Summand ein Vielfaches von sein. Da prim ist, ist dies ein Widerspruch.
Es sei ein faktorieller Bereich und der zugehörige Quotientenkörper. Es sei ein nicht-konstantes Polynom derart, dass in nur Faktorzerlegungen mit möglich sind.
Dann ist irreduzibel in .
Nehmen wir an, es gebe eine nicht-triviale Faktorzerlegung mit nicht-konstanten Polynomen . Sowohl in als auch in kommen nur endlich viele Nenner aus vor, sodass man mit einem gemeinsamen Hauptnenner multiplizieren kann und somit eine Darstellung mit erhält. Dabei haben sich die Grade der beteiligten Polynome nicht geändert. Es sei die Primfaktorzerlegung von . Nach Lemma 20.12 ist auch im Polynomring prim. Da es das Produkt teilt, muss es einen der Faktoren teilen, sagen wir . Dann kann man mit kürzen und erhält eine Gleichung der Form
Dabei ändern sich wieder die Grade nicht. So kann man sukzessive alle Primfaktoren wegkürzen und erhält schließlich eine Zerlegung
mit nicht konstanten Polynomen im Widerspruch zur Voraussetzung.
Es sei ein faktorieller Bereich.
Dann ist auch der Polynomring faktoriell.
Wir zeigen, dass jedes irreduzible Element prim ist und dass jedes Polynom eine Zerlegung in irreduzible Polynome besitzt. Es sei also irreduzibel und
Bei ist prim nach Lemma 20.12, sodass wir annehmen können. Die Teilbarkeitsbeziehung gilt erst recht in . Nach Lemma 20.13 ist das Polynom auch irreduzibel in und damit darin prim nach Satz 17.15. Daher teilt dieses Element in einen der Faktoren, sagen wir . Es ist also mit . Wir können mit einem Hauptnenner von multiplizieren und erhalten die Beziehung
mit , wobei durch seine Primfaktorzerlegung ersetzt wurde. Da irreduzibel ist, sind die Koeffizienten von teilerfremd. Insbesondere ist kein Teiler von allen Koeffizienten von . Da nach
Lemma 20.12
auch in prim ist, folgt, dass ein Vielfaches von ist. Man kann also durch kürzen. So kann man sukzessive die Primfaktorzerlegung von abarbeiten und erhält schließlich, dass ein Vielfaches von ist.
Dass jedes Polynom ein Produkt von irreduziblen Polynomen ist, beweisen wir durch Induktion über den Grad von . Bei Grad null liefert die Primfaktorzerlegung in sofort die gewünschte Zerlegung in . Es sei also der Grad von positiv. Wenn es eine Produktzerlegung in Polynome von kleinerem Grad gibt, so sind wir fertig aufgrund der Induktionsvoraussetzung. Andernfalls sei der
größte gemeinsame Teiler
der Koeffizienten von . Dann ist
mit
und die Koeffizienten von sind
teilerfremd.
Dann ist aber irreduzibel, da es weder eine Zerlegung in Polynome mit kleinerem Grad noch eine nicht-triviale Zerlegung mit Konstanten geben kann.
Es sei ein Körper. Dann sind die Polynomringe
Dies folgt durch induktive Anwendung von Satz 20.14 auf die Kette